Planet der Gummitiere
• Paul Kraut, einer der beiden Geschäftsführer der Schleich GmbH im beschaulichen Schwäbisch Gmünd, schlägt gern große Bögen. Zum Beispiel von den Höhlenmalereien der Steinzeitmenschen bis zum eigenen Geschäft, das um die gleichen archaischen Motive kreise: Tiere. Schleich ist Weltmarktführer bei Löwen, Erdmännchen, Hausschweinen und anderem Getier in handlichem Hartgummi-Format. Mit Spielzeug also, "das als altmodisch gilt, weil es nicht tutet oder blinkt", wie der 43-Jährige zufrieden feststellt.
Gerade die Schlichtheit mache den Reiz aus, fährt der ge lernte Maschinenbau-Ingenieur fort. "Die Kinder können schon im Laden mit ihrem Pferd loshoppeln. Unsere Figuren regen die Fantasie an und passen in jede Hosentasche." Ab rund drei Euro zu haben, sind die Miniaturen beliebte Mitbringsel für Familien mit Kindern, gegen die auch besorgte Eltern nichts einzuwenden haben (es sei denn, sie leiden unter einer Plastik-Aversion). Den lieben Kleinen erlauben die naturgetreu gestalteten Figürchen pädagogisch wertvolle Einblicke in die Fauna. Man kann sie aber auch lustig durch die Gegend pfeffern, ohne dass größere Kollateralschäden zu befürchten wären.
Erwachsene erfreut die Liebe zum Detail, mit der man in Schwäbisch Gmünd arbeitet. Bevor eine Figur in Serie geht – und anschließend in Tunesien von Hand bemalt wird –, vergehen Monate. In dieser Zeit wird an einem möglichst natürlichen Ausdruck von Okapi, Königspinguin oder Tyrannosaurus Rex gefeilt, der erst in einem Wachsmodell und dann als Gussform festgehalten wird. Für die zoologische Korrektheit bürgen sogenannte Paten, im Falle des Saurier-Sortiments stammen sie aus dem Museum für Naturkunde der Berliner Humboldt-Universität.
Erfahrung mit Plastiken aller Art hat die Firma seit fast 60 Jahren. Lange setzte sie vor allem auf in Lizenz produzierte Modelle wie die Schlümpfe. Doch dieses Geschäft erwies sich wegen des Wandels der Moden in der Unterhaltungsindustrie und der Abhängigkeit vom Lizenzgeber als hochriskant. Deshalb konzentriert man sich seit den Achtzigern auf das eigene, zeitlose Sortiment. Dazu zählen neben Tieren mittlerweile auch Ritter und Elfen sowie allerlei Zubehör. Die Figuren sind nach dem Vorbild von Steiff mit einer unübersehbaren Schleich-Banderole am Bein gekennzeichnet. In Lizenz produziert das Unternehmen nur noch die guten alten Schlümpfe, denn, so Kraut: "Wir fühlen uns nach wie vor schlumpfnah." Soll heißen: Schleich steht für harmloses Spielzeug, das Jungen und Mädchen gleichermaßen anspricht.
Die mittlerweile international agierenden Schwaben sind solide Handwerker und clevere Verkäufer. So werden 20 Prozent der Produkte Jahr für Jahr erneuert, ohne die Gesamtzahl von rund 500 zu erhöhen. Das hält Sammler auf Trab, ohne den Einzelhandel zu verärgern. Den umgarnen die Schleichs seit einiger Zeit verstärkt mit einem weißen Regal-System zur gefälligen Präsentation ihrer Plaste-Welt. Auf dass die Marke strahle und die Konkurrenz in ihrem Schatten bleibe. •
Zahl der Beschäftigten: rund 350
Jahresproduktion in Schwäbisch Gmünd: etwa 15 Millionen Figuren