Legal Design: mehr Servicequalität, weniger Kauderwelsch

„Wir müssen wohl alles ändern. Und wir müssen jetzt damit anfangen.“

Die Anwältin und Designerin Astrid Kohlmeier kämpft für mehr Kreativität, Experimentierfreude und Kundennähe in Anwaltskanzleien und Rechtsabteilungen. Jeder verständlich formulierte Vertrag ist ein kleiner Sieg.





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Frau Kohlmeier, die meisten Juristen nutzen smarte digitale Dienstleister privat ganz sicher genauso häufig und intensiv wie das Gros der Bevölkerung: Sie hören Musik über Spotify, haben schon lange keine Bankfiliale mehr betreten, suchen vielleicht bei Tinder nach einer Liebschaft – und ihre Kinder lassen ihre Schulaufsätze von ChatGPT schreiben. Doch in welche Welt tauchen Sie ein, wenn Sie morgens Ihre Anwaltskanzlei betreten?

Astrid Kohlmeier: Unter den Kanzleien gibt es einige technik- und innovationsaffine Vorreiter, aber der große Rest verharrt auch heute noch in einem Umfeld, das wenig mit Kreativität und Experimentierfreude zu tun hat. Es ist im Vergleich zur Welt außerhalb des Rechts allzu oft eine Servicewüste, in der komplizierte Abläufe und fehlende Standards dominieren, die unendlich viel Zeit fressen; Vertragstexte und Datenschutzbestimmungen mit ellenlangen, kaum verständlichen Texten, verfasst in einem für die meisten Menschen kaum verständlichen Fachjargon. Und es gibt eine Mentalität, die das Teilen von Wissen und Expertise nicht gerade fördert. Dass es so ist, kann man den Juristen eigentlich gar nicht vorwerfen. Im Jurastudium spielen weder Zusammenarbeit noch ein vom Servicegedanken geleitetes Rechtswesen eine Rolle.

Wie ist das in den Rechtsabteilungen großer Unternehmen – sieht es dort genauso aus?

In Einzelfällen vielleicht. Aber generell finden wir bei den Legal Departments, also den Kunden der Kanzleien, ein deutlich größeres Maß an Offenheit für Kooperation und neue Lösungen.

Woran liegt das?

Der Innovationsdruck ist dort deutlich höher. Die Rechtsabteilungen stehen häufig unter einem enormen Kostendruck und müssen effiziente Lösungen schaffen.

Was sagen die Kunden und Stakeholder dazu, beispielsweise die Mandanten einer Wirtschaftskanzlei?

Wenn die beiden Denkwelten aufeinandertreffen, zeigt sich erst, wie weit Erwartung und Wirklichkeit oft auseinanderdriften. Wir haben längst gelernt, uns täglich und überall in einer service-getriebenen Umgebung zu bewegen. Klienten stellen daher heute ganz andere Anforderungen an die Angebote und Ergebnisse als jene, die traditionell immer noch geliefert werden.

Wenn der Manager eines Unternehmens von einer Kanzlei einen 20-seitigen Vertrag vorgelegt bekommt, den kein normaler Mensch von der ersten bis zur letzten Zeile lesen wird, hat der Anwalt sein Serviceziel klar verfehlt. Der juristische Sprachgebrauch hat sich leider immer weiter von der Normalsprache entfernt.

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