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Die kürzeste Verbindung von Ideen, Sinn und Geld

Robin Hood lebt!

Das Geld der Reichen nehmen und es den Bedürftigen geben: Das Berliner Analyse- und Beratungshaus Phineo bringt finanzstarke Menschenfreunde und sozial engagierte Start-ups zusammen. Zum Wohle aller.




/ Die Hauptfigur dieser Geschichte ist Andreas Rickert, einer, dem das Wandern zwischen den Welten große Freude bereitet.

An einem Tag im vergangenen November bewegt er sich in einer Welt, die Normalsterblichen in aller Regel verschlossen bleibt: In einen Weltkriegsbunker in Berlin-Kreuzberg, der eine private Sammlung alter südostasiatischer Kunst beherbergt, sind rund 70 Reiche und Superreiche zum Fine Dining gekommen, darunter fünf Milliardäre. In Rickerts Worten sind es „Vermögende“ und „Hochvermögende“. Zusammen repräsentieren sie vielleicht zwanzig Milliarden Euro, aber genau weiß das niemand.

„Ich hab’ Respekt vor Menschen, aber keinen falschen Respekt vor Schulterklappen und Geld“: Das ist Rickerts Haltung, in der er den Versammelten nach dem Bunker-Dinner darlegt, was er mit ihnen „erarbeiten“ könnte. Nämlich ihr Geld menschenfreundlich anzulegen. Anschließend hätten ihn drei Familienunternehmen, genauer: deren NextGens, angesprochen. Mit zweien seien schon Termine vereinbart, um herauszufinden, „ob und wie wir diese Familien auf ihrer Reise begleiten können“.


Sozial engagierte Jungunternehmer und gemeinnützige Gründer trifft Phineo etwa in Berlins „betterplace Umspannwerk“.

Zwischen zwei Welten

Wohin die möglicherweise führen könnte, sieht man ein paar Tage später, wieder in Berlin-Kreuzberg, aber diesmal in der anderen Welt, in der sich Rickert wie ein Fisch im Wasser bewegt. Rickert – Pulli in Beige, Hose knallblau, türkisfarbene Socken, rote Turnschuhe – sitzt auf einem Panel im „betterplace Umspannwerk“. Das alte Backsteingebäude dient als „Raum für solidarisches Miteinander“ für „Aktivist:innen, Kreativschaffende und engagierte Menschen aus der Zivilgesellschaft“. Und genau so liest sich die Liste der teilnehmenden Vereine, Sozialunternehmen und Start-ups: „Radikale Töchter“ (Aktionskünstlerinnen für politische Teilhabe), Hoffnungswerk e. V. (für Menschen in Not), Letsdata (KI-gestützte Frühwarnung gegen Desinformation) oder der WaterKiosk (Trinkwasseraufbereitung). Ihnen allen ruft Rickert zu, dass er trotz der vielen Krisen auf der Welt optimistisch sei angesichts so „kreativer Menschen aus dem privaten Sektor, die nach neuen Lösungen suchen“. Und dafür Geld brauchen.

Man kann sich Rickert als einen modernen, friedlichen Robin Hood denken, der mit seiner Berliner Analyse- und Beratungsgesellschaft Phineo Zugang zu denen findet, die viel Geld haben und überlegen, einiges davon abzugeben: Erben, Stiftungen, Unternehmen, Philanthropen, Family-Offices, Investoren. Und der gleichzeitig einen Überblick darüber hat, welche Empfänger in der Zivilgesellschaft dazu beitragen können, die Welt sozialer, ökologischer und vielfältiger zu machen. Denn das ist Rickerts Mission. Sie erfüllt sich, wenn er Geldströme von der einen in die andere Welt lenken kann.

Dabei hilft dem 50-Jährigen seine verbindliche, freundliche und zugewandte Art sowie seine Vergangenheit als Berater bei McKinsey, der Bertelsmann Stiftung und der Weltbank. Dass er davor Biologie, Ökologie und Umweltschutz studiert, in Molekulargenetik promoviert und auf diesen Feldern geforscht hat, schadet auch nicht. Vorteilhaft sei zudem, dass Phineo mit seinen knapp 100 Mitarbeitern eine gemeinnützige AG ist, sagt Rickert: „Als Non-Profit-Organisation ist unsere Positionierung von Anfang an klar – und klar anders als die von McKinsey und jedem anderen klassischen Berater: Unser Interesse ist ein gesellschaftlicher Mehrwert, kein individueller.“

Das schafft Vertrauen – in beiden Welten. Und es hat zur Folge, dass Phineo-Berater anderswo deutlich besser verdienen könnten, inklusive ihres Mitgründers und CEO Rickert, der mit dem Verkauf seines kleinen Anteils keinen Cent verdienen würde.

Als sich Rickert vor etwa 15 Jahren erstmals mit der Idee eines Beratungsunternehmens dieser Art beschäftigte, war er zunächst begeistert von der Relevanz des Marktes: Über 600.000 gemeinnützige, nach Geld suchende Organisationen in Deutschland, denen jährlich – so Rickerts Schätzung in diesem nicht sehr transparenten Markt – etwa 20 Milliarden Euro an Spenden zufließen. „Aber wir mussten lernen, dass sehr viel Geld ohne jede Strategie gespendet wird“, sagt er. Soll heißen: Viele Großzügige folgen ihrem Bauchgefühl, der Familien- tradition, der Leidenschaft des Firmenpatriarchen, ohne jedoch potenzielle Empfängerorganisationen im Vorhinein zu analysieren – und ohne Kontrolle im Nachhinein, ob die Spende bewirkte, was sie bewirken sollte. Susanne Bregy, bis vor Kurzem Phineo-Beraterin, hat früher in Private-Equity-Firmen und Hedgefonds gearbeitet und weiß: „In der Philanthropie kann man lange am Markt ,vorbeiproduzieren‘, weil es keinen Marktdruck gibt. Das Geld ist ja sowieso weg.“


„Sehr viel Geld wird ohne jede Strategie gespendet.“
Andreas Rickert


Szenen eines Panels im „Raum für solidarisches Miteinander“. Für Andreas Rickerts Beziehungen zu potenziellen Geldgebern ist hier jeder dankbar.

Philanthropie braucht Wirkung

Neben solchen Spendern gehören zum Bild auch jene, die sich aktionistisch auf nur einen Empfänger stürzen. Andreas Rickert hat Unternehmer erlebt, die in guter Absicht – und mit „patriarchaler“ Attitüde – partout Programmierkurse für Kinder in prekären Verhältnissen finanzieren wollten, obwohl der betreuende Sozialarbeiter davon abriet und geeignetere Ideen im Sinn hatte. Allergisch reagiere er auch auf „Philanthrotainment“, also das, was man früher wohl Charity nannte und was oft nicht viel mehr sei als „just another event in Berlin“, wie Rickert es ausdrückt.

Dem erratischen Verhalten vieler Spender begegnete Phineo zunächst, indem es im Stil einer Ratingagentur Vereine und gemeinnützige NGOs analysierte – seit 2010 weit über 3.000 Organisationen. Doch die Erwartung, dass die Informationen die Spendengelder automatisch den für gut befundenen Projekten zuleiten, wurde enttäuscht, wie Rickert zugibt. Deshalb entwickelten die Berater die „Wirkungstreppe“ und das „Wirkometer“, sie schufen ein kostenloses „Wirkt-Siegel“ und veröffentlichten das „Kursbuch Wirkung“. All das soll Spendern Orientierung geben und Empfänger animieren, ihre guten Taten professioneller, effektiver und strategischer zu erbringen.

Parallel betreibt Phineo seitdem „Agenda-Setting“. Dafür sitzt Rickert in zahllosen Gremien, wirkt als Dozent an Business Schools und ließ Phineo ins Lobbyregister des Deutschen Bundestags eintragen. „Unser Motto in den ersten Jahren war: Es darf keine Veranstaltung zum Thema Spenden und Philanthropie geben, wo wir nicht darüber reden, dass es wirkungsvoll sein muss.“ So habe Phineo das Thema Wirkung – neudeutsch Impact – regelrecht in den Markt gedrückt.

Das erkennt auch Andreas Schiemenz an, der in Hamburg als Berater für Vermögende viele hundert Millionen Euro managt. Mit seinem Angebot „sinngeber.eu“ ist er durchaus ein Konkurrent zu Phineo und gerade deswegen voll des Lobes: „Bei Phineo haben sie sich tatsächlich als eine der ersten um Fragen gekümmert, die sich vermögende Familien stellen: ,Wie geben wir richtig? Arbeiten die Organisationen, die wir im Auge haben, wirkungsorientiert?‘ Denn darum haben sich viele NGOs früher wirklich keinen Kopf gemacht.“ Phineo mit seinem CEO Rickert, sagt Andreas Schiemenz, sehe er als Pionier der Philanthropie.

Entsprechend ihrer Selbstbeschreibung als vielfältiger „Think- und Do-Tank“ für die sozial-ökologische Transformation bezieht die gemeinnützige Phineo AG ihre Einnahmen aus mehreren Quellen. Etwa eine Million Euro des Jahresumsatzes von insgesamt rund 7,5 Millionen sind Fördergelder der acht Gesellschafter, zu denen die Bertelsmann sowie die Schöpflin Stiftung gehören, KPMG, die Deutsche Börse AG und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft sowie ein Freundeskreis aus rund 20 Privatpersonen.

Eine weitere Million Euro resultiert aus Beratungsleistungen für Unternehmen, Stiftungen, Kommunen und Behörden. Zu den Kunden in diesem Sektor, der in den nächsten Jahren stark wachsen soll, gehören etwa BASF, John Deere, die Städte Bremen und Wolfsburg oder die Zalando-Gründer. Die wichtigste Finanzierungssäule aber besteht aus Projektförderungen durch Ministerien, Stiftungen oder Unternehmen. Sie speist zum Beispiel Vorhaben wie das von der „Postcode Lotterie“ (einer sogenannten Soziallotterie) geförderte Dossier zu Handlungsansätzen für einen wirksamen Klimaschutz durch die Zivilgesellschaft – oder eine Initiative der BMW-Erbin Susanne Klatten.

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Geld allein reicht nicht

An der Zusammenarbeit mit Deutschlands reichster Frau lässt sich zeigen, wie Phineo agiert. 2016 beauftragte Klatten Phineo, sie dabei zu unterstützen, 100 Millionen Euro in die Zivilgesellschaft zu geben. Für die Erbin und Unternehmerin hatte die Beraterlösung den Vorteil, keine eigene Stiftung gründen zu müssen und das Wissen von Phineo über die Welt der NGOs nutzen zu können. Ihre Initiative mit dem Namen SKala war der größte Auftrag seit der Gründung: Für knapp drei Prozent der Spendensumme halfen sie Klatten, die Förderbereiche zu definieren. Sie begleiteten die Auswahl von 93 Projekten unter fast 1.900 Bewerbern und transferierten schließlich die Einzelspenden, die zwischen 230.000 und 2,2 Millionen Euro lagen, an die Empfänger. Die Bandbreite reichte von einer inklusiven Klettergruppe über das Anne Frank Zentrum und die Stiftung Bürgermut bis zum Verein Sozialhelden.

Zwar lief die SKala-Initiative 2022 aus, aber ihre Wirkung hält an. „Die Idee war ja nicht, mit dem Geldkoffer vorbeizukommen und ein Strohfeuer zu entfachen“, sagt An- dreas Rickert. „Stattdessen haben wir wie ein Investor, der seinen Exit schon beim Einstieg mit bedenkt, die Empfänger so beraten, dass sie nach dem Ende der Förderung möglichst besser dastehen – etwa in der Organisationsentwicklung, personell, beim Fundraising.“ Zudem ging aus der Klatten-Initiative der „SKala-Campus“ hervor, eine von Phineo betriebene, größtenteils digitale Austauschplattform mit teilweise kostenlosen Lernvideos und Workshops für sozial engagierte Haupt- und Ehrenamtliche in Non-Profit-Organisationen.

Denn auch die Art und Weise, Gutes zu tun, kann immer noch besser werden. So wie bei der LVM Versicherung in Münster, einem Konzern mit über 125-jähriger Geschichte, der sein gesellschaftliches Engagement mithilfe der Phineo-Berater auf neue Füße gestellt hat. Die dafür zuständige Kommunikationsspezialistin Eva Beulker sagt: „Wir agieren jetzt strategischer, sind viel klarer darin, wen wir unterstützen und was wir damit erreichen wollen. Wir haben erstmals ein festes Budget und verabschieden uns von Einmalspenden zugunsten dauerhafter Partnerschaften, die den Empfängern Planungssicherheit geben.“

Konkretes Ergebnis der Arbeit mit den Beratern in einem zehnköpfigen Arbeitskreis sind Spendenadressaten, die früher gar nicht oder allenfalls sporadisch bedacht wurden: Im Fokus stehen nun Organisationen, die mit Bildungsprojekten Kinder und Jugendliche in ökonomisch und sozial schwierigen Verhältnissen unterstützen, ebenso Menschen – insbesondere Frauen, Alleinerziehende und Migranten – in prekären Lebenssituationen. „Wir wollen, dass sie bessere Möglichkeiten haben, am Leben teilzuhaben“, sagt Eva Beulker.

Die Expertise von außen habe einen „echten Perspektivwechsel“ bewirkt, der nun sogar dazu führen könnte, dass das Unternehmen auch ins Corporate Volunteering einsteigt, bei dem sich Mitarbeiter freiwillig fürs Gemeinwohl engagieren. Spruchreif sei das noch nicht, sagt Beulker – im Gegensatz zum Engagement im Allwetterzoo Münster, dessen Partner die LVM seit Jahren ist. Klassischerweise half der Versicherer mit Spenden für ein Neubauprojekt hier und eine Sanierungsmaßnahme dort, gern mit der Begründung, der so aufgewertete Zoo mache Münster attraktiver. Gerade hat die LVM ihr Engagement noch ausgebaut: Sie zahlt jährlich bis zu 1.500 Menschen, die wegen ihres geringen Einkommens den „Münster-Pass“ besitzen, den Zoobesuch.


Mit Weitblick: Andreas Rickert sieht sich als „Advokat für eine starke Zivilgesellschaft“.

Bevor es im „betterplace Umspannwerk“ in Berlin-Kreuzberg vegane Schnittchen gibt, skizziert Andreas Rickert vor den Start-up-Gründern den nächsten großen Schritt zu einer besseren Welt. Er sagt in seinem Redebeitrag, er sei ein überzeugter Advokat für eine starke Zivilgesellschaft mit Unternehmen und vermögenden Privatpersonen, die großzügig Geld geben für sozialen Fortschritt und nachhaltige Innovationen. „Das ist großartig“, ruft Rickert, „aber wir werden die Welt nicht mit Philanthropie und CSR retten.“ Dafür brauche es viel mehr Geld – das Geld von Entwicklungs- und Ethikbanken, von Versicherungen und Pensionskassen. „Und dafür brauchen wir einen starken Staat und multinationale Organisationen, die den Kapitalmarkt so grundlegend verändern, dass schädliche Investitionen bestraft und Investitionen in eine bessere Zukunft belohnt werden.“

Gemeint ist „Impact Investing“, eine noch junge Abteilung bei Phineo, die mit Andreas Rickert daran arbeitet, die Verbindung von wirtschaftlicher und sozialer Rendite zum Mainstream zu machen. //


Die Art und Weise, Gutes zu tun, kann immer noch besser werden.

Die Einnahmen der Phineo AG stammen aus mehreren Quellen.
Rund 1 Mio. Euro des Jahresumsatzes von insgesamt etwa 7,5 Mio. Euro sind Fördergelder der acht Gesellschafter.
Eine weitere Million resultiert aus Beratungsleistungen. Der Großteil besteht jedoch aus Projektförderungen etwa durch Ministerien oder Stiftungen.