Allein ist gut, gemeinsam manchmal besser

Win-win

Einst wurden Beratungen als Alleskönner gefeiert, aber diese Zeiten scheinen vorbei. Eine komplexer gewordene Welt braucht Spezialisten. Die Lösung? Kooperationen – besonders bei kleinen Beratungen.





1+1=3

/ Die großen Allrounder unter den Consultingkonzernen werben gern damit, dass sie alles aus einer Hand bieten, aber manchmal gelingt selbst ihnen das nicht mehr. Ohne Kooperationen läuft im Consulting immer weniger, immer häufiger sind bei Projekten gleich mehrere Spezialkompetenzen gefragt. Besonders kleine und mittlere Beratungen sind zwar oft in der Nische erfolgreich, bleiben aber bei manchem Pitch außen vor, weil ihnen eine bestimmte Expertise fehlt, die sie nicht so schnell aufbauen oder einkaufen können. Die Lösung kann, auch wenn das anfangs mehr Zeit für Abstimmung bedeutet, die Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehreren Beratungen sein. Nicht nur der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) hat eine Plattform, auf der sich entsprechende Kooperationspartner finden lassen: www.bdu.de.

Christoph Belafi ist Geschäftsführer von d-fine.

„Hört sich bei ihm immer alles nach Gold an, oder spricht da jemand auch über Probleme? Letzteres bildet Vertrauen.“
Christoph Balafi

Thorsten Liebehenschel ist geschäftsführender Gesellschafter bei HPP

„Wir haben vorab das Wichtigste zwischen uns geregelt. Zum Beispiel, dass wir uns gegenseitig niemanden abwerben. Das gehört zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit dazu.“
Thorsten Liebehenschel

Vertrauen ist der Anfang

Ein zufälliges Treffen bei einem Thinktank war die Initialzündung für Thorsten Liebehenschel und Christoph Belafi, zusammen etwas zu wagen. Nach dem Kennenlernen schrieben die beiden gleich ein gemeinsames Paper über die künftige Rolle der deutschen Automobilindustrie – und haben ihr Miteinander mittlerweile in ein konkretes Kundenprojekt für einen Fahrzeughersteller münden lassen. Liebehenschels Beratung HPP kümmert sich um das Projektmanagement und bringt ihr spezielles Know-how in der Prozessoptimierung ein, Belafi und seine d-fine-Kollegen steuern mit Hintergründen in Mathematik und Informatik klassisches Data-Science-Wissen und innovative KI-Methoden bei.

Herr Liebehenschel, Herr Belafi, wer von Ihnen hat den ersten Schritt gemacht und die Zusammenarbeit vorgeschlagen?

Thorsten Liebehenschel: Das kam einfach auf, als wir uns zum Essen getroffen haben. Schon bei einem Thinktank des BDU haben wir gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind. In den vergangenen 20 Jahren sind wir immer wieder Beratungsunternehmen begegnet, die etwas mit uns machen wollten. Und dann vereinbart man etwas und merkt: Der andere ist die ganze Zeit in Lauerstellung und wartet nur darauf, bei einem unserer Kunden die Tür geöffnet zu bekommen. Aber so wird das nichts. Man muss Projektakquise von Anfang an gemeinsam angehen.

Christoph Belafi: Der Thinktank hat natürlich dabei geholfen, Vertrauen aufzubauen. Man möchte ja erst einmal einen Eindruck bekommen, wie der andere überhaupt arbeitet.

Warum war es für Sie sinnvoll, gemeinsam in den Markt zu gehen?

Liebehenschel: Das hatte strategische Gründe. Neue Felder aufzubauen ist schwierig. Die Kompetenzfelder, für die auch d-fine steht, werden wir uns nie allein erschließen – oder nur mit immensem Aufwand.

d-fine ist mit mehr als 1500 Mitarbeitern deutlich größer als HPP mit rund 40. Was hat Ihr Interesse an der Kooperation geweckt, Herr Belafi?

Belafi: Wir bedienen zwar alle Kundengruppen, aber nicht alle Themendimensionen, weil wir inhaltlich stark auf Data und Analytics spezialisiert sind. Zudem hatten wir in dem Bereich, in dem wir unterwegs sein wollten, nicht die Kontakte.

Woran haben Sie erkannt, dass Sie einander vertrauen können?

Liebehenschel: Ich weiß gar nicht, ob man das vorab festmachen kann. Man muss einfach bereit sein, dem anderen zu vertrauen.

Belafi: Das würde ich auch sagen. Es ist ein Vertrauensvorschuss. Bei einem Lunch bekommt man einen ersten Eindruck: Hört der andere mir überhaupt zu, oder versucht er nur, selbst etwas zu platzieren? Hört sich bei ihm immer alles nach Gold an, oder spricht da jemand auch über Probleme? Letzteres bildet Vertrauen.

Wie sind Sie gemeinsam auf Kunden zugegangen?

Liebehenschel: Wir haben uns Zeit gelassen und intensiv überlegt, was wir als unsere gemeinsame Leistung herausschälen. Damit sind wir dann los, aber noch nicht mit einem konkreten Angebot. Wir haben mögliche Kunden erst mal gefragt, was sie von unserem gemeinsamen Vorhaben halten würden. In dieser Anlaufzeit haben sich auch unsere Mitarbeiter vernetzt. Die ersten Termine waren besonders intensiv, aber lieber anfangs mehr diskutieren, als später Zeit und Nerven verlieren. Irgendwann fühlten wir uns dann bereit.

Wie kam es zum ersten Auftrag?

Liebehenschel: Um ehrlich zu sein: durch ein glückliches Timing. Eine langjährige Kundin sprach mich auf ein Advanced-Analytics-Model an, also Datenverarbeitung, die nicht nur rückwärtsgerichtet fokussiert, sondern Vorhersagen über die Zukunft treffen kann. Genau unser gemeinsames Thema. Sie meinte: Das ist aber nicht euer Feld, oder? Da konnte ich sagen: doch. Treffer versenkt. Das wird unser Feld!

Belafi: Für mich war das Besondere an unserer Herangehensweise auch, dass wir das Thema nicht nur gemeinsam erarbeitet, sondern auch gemeinsam am Markt angeboten haben. Sonst ist bei Kooperationen eher üblich, dass beide Seiten sagen: Super Idee, aber ihr habt doch bestimmt Kunden, die das gut gebrauchen können.

Wie haben Sie festgelegt, wer was macht?

Liebehenschel: Wo unsere Kompetenzen liegen, war eigentlich relativ klar. Wir sind Fachleute für die Integration neuer Lösungen rund um die strategischen Prozesse unserer Kunden. Aber nicht für Datenanalyse und technische Konzeption. So hat sich die Aufgabenverteilung fast von selbst ergeben: HPP besetzte Fachthemen wie Pricing, übernahm mit einer in der Automobilindustrie erfahrenen Kollegin das Projektmanagement und stellte sicher, dass die neue Lösung auch wirklich im Arbeitsalltag des Kunden ankommt.

D-fine tauchte tief in die Datenwelt des Kunden ein und entwickelte darauf basierend ein neues Prognosemodell. Basis waren gemeinsam formulierte Thesen. Wichtig war uns, dass die jeweiligen Kompetenzen nicht in Silos dargestellt und dann irgendwie zusammengeschoben werden, sondern dass alles nahtlos ineinander übergeht.

Belafi: Sonst werben wir immer damit, dass alles aus einer Hand kommt, von der Idee bis zur Umsetzung. Bei diesem Projekt mussten wir klarmachen: Wir sind zwei Firmen, aber es kommt dennoch quasi aus einer Hand.

Liebehenschel: Wir hatten zusätzlichen Abstimmungsaufwand, ganz klar. Für den Kunden aber war das nicht wahrnehmbar. Und wir haben vorab das Wichtigste zwischen uns geregelt. Zum Beispiel, dass wir uns gegenseitig niemanden abwerben. Das gehört zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit dazu.

Wie haben Sie dann das gemeinsame Angebot aufgesetzt?

Liebehenschel: Aus den Gesprächen mit potenziellen Kunden haben wir gelernt, dass es besser ist, als ein Vertragspartner aufzutreten. Das haben wir dann auch gemacht.

Wenn nur eine Beratung verhandelt, gibt die andere die Kontrolle ab.

Liebehenschel: In diesem Fall habe ich verhandelt, aber wir haben uns vorher natürlich gut abgestimmt. Ich bin eigentlich nur Ausführungsgehilfe gewesen.

Belafi: Wir hatten dabei kein hartes Ziel. Selbstverständlich kann man als Subunternehmer sagen: Das ist meine Schmerzgrenze. Aber aus meiner Sicht ist es wichtig, das möglichst offen zu handhaben, weil der Kunde ja noch sortiert, welche Leistung er überhaupt einkaufen möchte. Da braucht man eine gewisse Flexibilität – und natürlich wieder Vertrauen zueinander.

Wie haben Sie danach festgelegt, wer wann den Hut aufhat?

Liebehenschel: Unser gemeinsames Ziel war ein neues Prognosemodell für Serviceverträge, das entstehende Kosten präziser, regelmäßig und mit einem hohen Automatisierungsgrad vorhersagen kann. Wir haben die operative Projektleiterin von HPP, für fachliche und methodische Fragen jeweils feste Ansprechpartner auf beiden Seiten. Der Kunde wusste also genau, wen er für welches Thema ansprechen muss. Und es gab, zumindest auf unserer Seite, keine Ängste, wenn der Kunde dreimal hintereinander mit d-fine konferiert hat.

Belafi: Auf unserer auch nicht. Da hilft es natürlich, dass wir sehr komplementär unterwegs sind. Unsere Themenfelder sind so unterschiedlich, dass keiner von uns die Arbeit des anderen übernehmen könnte.

Gab es auch Momente, in denen es nicht ganz so reibungslos lief?

Belafi: Klar. Schließlich hat jeder seine Brille auf. Und wir sind auch nicht immer mit dem gesamten Team in allen Gesprächen. Es kam zum Beispiel vor, dass HPP mit dem Produktmanagement des Kunden über dieselbe Sache gesprochen hat wie wir mit dem Kosten-und-Risiko-Management – und der Kunde kurzzeitig den Eindruck hatte, als wüsste die eine Beratung nicht, was die jeweils andere gerade macht.

Das konnten wir dem Kunden aber im nächsten Gespräch erklären. Gewisse Reibungsverluste sind normal. Aber am Ende ist das auch wieder ein Vorteil, weil man alles ausdiskutieren muss – und, das würde ich zumindest für mich sagen, schlauer aus jeder Diskussion herausgeht. Das Ergebnis muss nicht immer ein Konsens sein, man kann sich auch mal überzeugen lassen.

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