Was will dieses Heft?

Macht’s gut!

/ Macht künstliche Intelligenz (KI) Unternehmensberatung überflüssig? Klar, die Frage war zugespitzt, aber nur ein wenig. Tatsächlich hat sie sich die Boston Consulting Group (BCG) sogar fast genauso gestellt: Was passiert, wenn eine Maschine zum Sparringspartner wird, die scheinbar sämtliches Expertentum in sich vereint?, fragten sich die Berater im vergangenen Jahr. Passt der Mensch die Maschine für seine Zwecke an – oder folgt er irgendwann der Logik ihrer Algorithmen?

Susanne Risch, Chefredakteurin


Auf der Suche nach Antworten ließ BCG weltweit mehr als 750 Consultants von Wissenschaftlern befragen. Das Ergebnis: Richtig eingesetzt, erhöht GenAI sowohl die Produktivität als auch die Qualität der Arbeit. Das gilt für die Prozesse wie fürs Brainstorming. Außerdem interessant: Am meisten profitieren „Low-Performer“, sie können durch KI den Abstand zu den Top-Leistungsträgern deutlich verringern.

Willkommen in der schönen neuen Wirtschaftswelt, die natürlich auch – vielleicht sogar gerade – vor Unternehmensberatern nicht haltmacht. Tatsächlich gibt es wohl kaum eine große Firma, die nicht längst mit den neuen Technologien experimentiert: für die Entwicklung neuer Angebote, aber auch für die Steigerung der Leistung im eigenen Haus. Meine Kollegen Lea-Marie Kenzler und Dirk Böttcher sind bei ihrem Rundruf auf viele kluge Ideen und Geschäftsmodelle gestoßen. Sie trafen auf Neugier und Begeisterung, hörten aber auch Warnungen vor Technikgläubigkeit und zu viel Euphorie und die Forderung realistischer Ziele und notwendiger Kodizes (Seite 8).

KI sei inzwischen für jeden Consultant Pflicht, heißt es bei BCG. Die Technologie werde fester Bestandteil der Wertschöpfung. Eine klare Antwort auf die Frage, ob künstliche Intelligenzen Berater überflüssig machen werden, hat auch Kai Bender, Deutschlandchef von Oliver Wyman gegeben: „Durch KI müssen wir noch genauer wissen, was eigentlich unser Produkt ist.“

Die Spezialisten, die wir in diesem Heft vorstellen, wissen das sehr genau. Sie heben sich mit ihrem Angebot vom Consulting-Mainstream ab, weil sie sich klar positionieren – entweder auf eine besondere Klientel oder auf spezielle Wissensgebiete.

Die Münchner Unternehmensberatung Metrum zum Beispiel hat sich in der Kulturszene breitgemacht. Heute ist ihre Kundenliste ein kleines Who’s who des öffentlich getragenen Kulturbetriebs in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Seite 62). Das Schweizer Beraterkollektiv Futun konzentriert sich ganz auf die Staffelstab-Übergabe in Familienunternehmen und berät dabei vor allem angehende Firmenlenker der GenZ (Seite 42). Phineo wiederum, ein Analyse- und Beratungshaus aus Berlin, bringt höchst erfolgreich Vermögende auf Sinnsuche mit klugen Menschen, Ideen und sozial engagierten Start-ups zusammen (Seite 94).

Wieder ganz anders die Berater des BFE Instituts für Energie, die auch schon mal in Gummistiefeln beim Kunden auftauchen. An ihnen kommt so leicht keiner vorbei, der den Begriff Energiewende ernst nimmt und sich hierzulande auf den Weg in die Dekarbonisierung gemacht hat (Seite 22).

Das sind – allen öffentlichen Bekundungen zum Trotz – übrigens weniger Firmen, als man meinen könnte. Der BNW, der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, dem nur beitreten darf, wem es in der Sache wirklich ernst ist, hat gerade einmal 660 Mitglieder (Seite 32). Es gibt noch viel zu tun, zu dem Ergebnis kommt auch Andreas Molitor in seiner Analyse zur Biodiversität (Seite 76). Die wirtschaftlichen Folgen durch den Verlust von Arten und Ökosystemen sind riesig und den meisten Entscheidern noch gar nicht bewusst. Die drohende Berichtspflicht der Umweltrisiken sorgt in den Unternehmen jetzt für Druck – und beschert Beratungen ein neues Wachstumsfeld.

Gute Zeiten für Spezialisten. Und bessere Zeiten für die Umwelt. //