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Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit

Die Lobby der anderen

Von Zukunftsfähigkeit fabulieren viele. Im „Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft“ (BNW) haben sich Hunderte Unternehmen zusammengeschlossen, die es ernst mit ihr meinen. Das bedeutet auch: Längst nicht jeder darf dabei sein.




/ Antje von Dewitz ist müde. Am Abend zuvor hat die Geschäftsführerin der Outdoor-Marke VAUDE in Düsseldorf den Deutschen Nachhaltigkeitspreis entgegengenommen und die Ehrung ausgiebig gefeiert. „Es war eine lange Nacht, nur vier Stunden Schlaf“, sagt sie zu Beginn des Zoom-Interviews aus einem Hotelzimmer, „aber natürlich bin ich total glücklich“.

Die Trophäe, eine Art Boulekugel mit Deutschlandlogo, war für von Dewitz’ Familienunternehmen die Belohnung für eine jahrelange Ochsentour. Seit sie 2009 den väterlichen Betrieb in Tettnang am Bodensee übernahm, hatte die Managerin das Unternehmen konsequent auf regeneratives Wirtschaften zu trimmen versucht. Die Arbeitsbedingungen bei den asiatischen Zulieferern wurden genauso streng überprüft wie die Chemikalien, mit denen VAUDE-Jacken imprägniert werden, und Materialien, aus denen in Tettnang die Messestände gezimmert werden. Alles kompliziert, konfliktträchtig und kostspielig. „Wir waren in den ersten Jahren überwältigt von der Komplexität, die wir uns selbst aufbürdeten. Und das führte zu Streit und Frust und zu dem Gefühl, nicht weiterzukommen“, erinnert von Dewitz. Heute gilt die Firma mit 650 Beschäftigten als Vorzeigeunternehmen in puncto Nachhaltigkeit. Damals aber, seufzt sie, „fürchteten wir, an all den Aufgaben und Problemen schier zu ersticken. Mit anderen Worten: Wir standen ganz genau da, wo die deutsche Wirtschaft heute steht.“

Die deutsche Wirtschaft? Nicht ganz. Während Industrielle über „Bürokratiemonster“ stöhnen und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger einen Abschied von den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung fordert („Wir haben keinen wettbewerbsfähigen Standort mehr“) kämpft ein Unternehmenszusammenschluss für das genaue Gegenteil: Im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, BNW, zu dessen Vorstand von Dewitz gehört, haben sich rund 660 zukunftsfähig orientierte Firmen zusammengeschlossen, darunter Branchengrößen wie Vaillant, Hipp, Weleda, Baufritz und die GLS-Bank, aber auch Versicherungen, Rechtsanwaltssozietäten und Bauerngenossenschaften. Jüngster Neuzugang ist die Drogeriekette dm mit 66.000 Beschäftigten.


Antje von Dewitz ist Geschäftsführerin von VAUDE und im Vorstand des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft.

Der Traum: ein grüner BDI

Ihre gemeinsamen Ziele klingen, als hätte ein BDI-Vorstand sie im Rausch formuliert. Der BNW fordert unter anderem eine konsequente Besteuerung fossiler Energien, die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen und Beseitigung der Wettbewerbsnachteile für ökologisch-sozial arbeitende Firmen, den Umbau der Wirtschaft zu einer ökologisch-regenerativen, gleiche soziale und ökologische Standards für alle Marktteilnehmer und dergleichen mehr. „Wir wollen der grüne BDI werden“, sagt die BNW-Geschäftsführerin Katharina Reuter kämpferisch. „Aber einer, der nach vorne denkt, nicht bremst.“

Reuter war mal Mitgründerin der „Grünen Jugend“, Berlins jüngste Bezirksabgeordnete und Projektleiterin bei der GLS Treuhand. Heute steuert sie ihren Verband von einer – selbstverständlich durch und durch nachhaltig ausgelegten – Geschäftsstelle im Berliner Regierungsviertel aus. Dabei verhält sich die große Reichweite ihrer Forderungen umgekehrt proportional zur Größe des Verbandes. Zusammen repräsentieren die BNW-Mitglieder etwa 200.000 Mitarbeitende. Die Konkurrenz vom mächtigen Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der nur 40 Fußminuten entfernt vom BNW in Berlin-Mitte residiert, steht für mehr als 100.000 Firmen in seinen Mitgliedsverbänden und damit für rund acht Millionen Beschäftigte.

Es ist ein ungleicher Kampf, den die Grün-Lobby gegen etablierte Meinungsmacher kämpft (der BDI mochte auf Nachfrage übrigens kein Statement zum BNW abgeben, Begründung: „knappe Kapazitäten“). Doch Katharina Reuter weiß durchaus gewichtige Argumente auf ihrer Seite. Das wohl schlagendste: eine nachhaltigere Ausrichtung von Wirtschaft und Unternehmen ist nicht nur ökologisch-sozial sinnvoll, sondern kann auch ökonomisch vorteilhaft sein. Die Outdoor-Marke VAUDE von BNW-Vorständin Antje von Dewitz beispielsweise wächst seit Jahren stärker als die der Wettbewerber – und zwar nach ihrer Überzeugung nicht trotz, sondern wegen ihrer nachhaltigen Ausrichtung.


„Uns wird von Bundespolitikern zugehört, auch von jenen, von denen man es nicht unbedingt erwartet.“
Katharina Reuter, BNW-Geschäftsführerin

Die Chance: Nachhaltigkeit

Ein anderes BNW-Mitglied, der Mainzer Reinigungs- und Pflegemittelhersteller Werner & Mertz, hat seinen Betrieb nachhaltig umgestellt und seinen Umsatz laut eigenen Angaben gleichzeitig auf 600 Millionen Euro verdreifacht. Verkaufsschlager des Mittelständlers ist die Haushaltsreinigermarke Frosch, nach eigenen Angaben die Weltrekordhalterin beim Einsatz von Altplastik für die Verpackungen. Leider, bemängelt Unternehmenschef Reinhard Schneider, würden ökonomisch-ökologische Erfolgsstorys viel zu wenig wahrgenommen.

Anders als die FDP glaube, zeige der BNW, „dass es im Mittelstand sehr viel mehr Unternehmen gibt, die in echter Nachhaltigkeit auch eine ökonomische Chance sehen“. Schneider ist ein streitlustiger Verfechter alternativen Wirtschaftens, der auch nicht vor Klagen gegen Konkurrenten zurückschreckt, die die Kunden seiner Meinung nach mit grünen Versprechen in die Irre führen. Als der Konsumgüterkonzern Henkel zu Schneiders Ärger Verpackungen als „recycelt“ auszeichnete, ließ er Propellermaschinen mit Bannern über der Düsseldorfer Henkel-Zentrale kreisen. Aufschrift: „Wir müssen reden!“ Das hat der weitaus größere Wettbewerber zwar bis heute nicht getan, doch Schneider bleibt überzeugt: „Wir würden sehr gute Arbeitsplätze in Deutschland schaffen, wenn wir Kreislaufwirtschaft endlich ernst nähmen.“

Auch deshalb will der grüne Firmenverbund vor allem der Scheinwerfer sein, der die andere Wirtschaft erst ins Rampenlicht rückt. Viele Parlamentarier und Ministeriale seien bass erstaunt, wenn sie hörten, dass Unternehmen sich freiwillig höhere Umwelt- und Sozialstandards auferlegten und damit sogar erfolgreicher seien als die Konkurrenz, sagt Geschäftsführerin Reuter. „Bisher saßen in den Ministerien und Parlamentarierzirkeln ja nur Wirtschaftsvertreter, die über zu hohe CO2-Preise und angeblich unzumutbare Umweltauflagen klagten. Dass es auch eine andere und teils sehr erfolgreiche Wirtschaft gibt, die all das längst umsetzt, muss man denen erst einmal zeigen.“

Das tut der Verband seit seiner Gründung stetig und mit wachsender Überzeugungskraft. 1992 hatten sich in Stuttgart die ersten Unternehmerinnen und Unternehmer unter dem Namen „Unternehmensgrün – Bundesverband der grünen Wirtschaft e.V.“ zusammengefunden. Ihr Kampfruf: „So lange gegen den Strom schwimmen, bis der die Richtung ändert.“ Seitdem sind Unternehmensgrün-Anliegen wie Mülltrennung, Flaschenpfand und Öffnung des Energiemarkts für Kleinerzeuger so in den Mainstream eingesickert, dass sie gar nicht mehr mit den Grünunternehmern in Verbindung gebracht werden. Auch beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, dem juristischen Bulldozer der deutschen Energiewende und damit einer echten Erfolgsgeschichte, soll der BNW-Vorläufer die Finger im Spiel gehabt haben.

Als dann 2021 in Berlin die Ampelkoalition die Regierungsgeschäfte übernahm, wähnten manche den zwischenzeitlich umgetauften Verband bereits am Ziel. Die Zeitung Freitag orakelte bereits Monate zuvor, die Grünlobby sei jetzt „der Macht näher als zuvor“. Tatsächlich öffneten sich für den BNW in den grün-roten Ministerien Ohren und Türen, die unter den Vorgängerregierungen noch verschlossen gewesen waren. Eine Zeitlang schien es so, als ließe sich die Richtung des Stromes tatsächlich umkehren.


Katharina Reuter, BNW-Geschäftsführerin

Nachhaltigkeit wird heute von manchen als Luxus in besseren Zeiten, sogar  als lästige Wachstumsbremse gehandelt, die es schnell zu lösen gilt.

Die Haltung: Jetzt erst recht!

Doch drei Jahre, zwei Kriege, eine Rezession und ein milliardentiefes Haushaltsloch später sieht es deutlich düsterer aus. Nachhaltigkeit wird heute von manchen als Luxus in besseren Zeiten, schlimmstenfalls als lästige Wachstumsbremse gehandelt, die es schnellstmöglich zu lösen gilt. Bereits sicher geglaubte Standards für Lieferketten, Energieversorgung und Artenschutz drohen im Berliner und im Brüsseler Parlament weichgekocht zu werden. Katharina Reuter und ihre Verbündeten befinden sich unvermittelt in Verteidigungsstellung.

„Das aktuelle Wehklagen verengt den Blick auf rein wirtschaftliche Phänomene, das spüren wir auch“, sagt die BNW-Chefin. „Und die Handelskammern lassen ihre Mitglieder glauben, man könne Nachhaltigkeit aussitzen wie einen vorüberziehenden Trend. Das ist natürlich Unsinn.“

Vom alternativen Unternehmensclub ist daher aktuell noch mehr Einsatz gefragt. Kontakte knüpfen, Präsenz zeigen, Entscheidungsträger mit Positionspapieren eindecken, Parlamentariern Argumente zuliefern und Ministerialbeamten Arbeit abnehmen: All die klassischen Instrumente des Lobbyismus setzt auch der BNW ein. Regelmäßig lädt der Verband Bundestagesabgeordnete und ihre Mitarbeitenden zu Parlamentarischen Frühstücken und Abenden. In Anhörungen vertreten sie die Positionen der nachhaltigen Industrie und impfen damit die Entscheidungsträger in Hintergrundgesprächen. Der letzte Jahresbericht verzeichnet Gespräche etwa mit Robert Habeck, Steffi Lemke, Dieter Janecek und anderen Grünen-Politikern, aber auch mit dem CDU-Wirtschaftsexperten Jens Spahn, dem stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden Lukas Köhler und Verena Hubertz, Vize der SPD-Fraktion. Nur an CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sei man bislang nicht herangekommen, bedauert Reuter, „aber der steht für 2024 auf unserer Liste“.

Hartnäckigkeit zählt zu den Lobbyisten-Eigenschaften genau wie Frustrationstoleranz und Fleiß. Mitglieder des BNW arbeiten im Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums mit, sie nehmen Platz an runden Tischen zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, am „Roundtable Taxonomie“ des Ernährungs- und Landwirtschaftsministeriums oder am „Round-table Perspektive Transformation“ des Bundeswirtschaftsministeriums und versuchen sich im Beirat für Soziale Innovationen des Bundesforschungsministeriums Gehör zu verschaffen – überall, wo Meinungen gemacht, Mehrheiten formiert und Gesetze vorbereitet werden, sind BNW-Leute am Tisch.

Das wichtigste Fazit: „Uns wird von Bundespolitikern zugehört, auch von jenen, von denen man es nicht unbedingt erwartet“, sagt Geschäftsführerin Reuter. Die wichtigste Erkenntnis: „Im direkten Gespräch erzielen wir immer wieder echte Augenöffner-Effekte.“ Dass beispielsweise Nachhaltigkeitspioniere wie Antje von Dewitz ihre Grundsätze und Learnings keineswegs als Alleinstellungsmerkmal bewahren, sondern liebend gern zum neuen Industriestandard machen würden, habe speziell bei Wirtschaftsfachleuten der Union für großes Erstaunen gesorgt.

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„Ein Flughafen beispielsweise, der zwar auf seinen Flächen Blühwiesen pflanzt, sich im Flughafenverband aber gleichzeitig für die weitere Steuerfreiheit für Kerosin einsetzt, kann kein Mitglied werden.“
Katharina Reuter

Die Superkraft: Konsequenz

Das größte Manko der alternativen Lobby bleibt allerdings: „Uns fehlt das Geld für Kampagnen“, sagt Katharina Reuter. Teure Aktionen, wie sie sich etwa die wirtschaftsliberale Arbeitgeberlobby „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ leistet, die vor einigen Jahren Voodoo-Püppchen samt Nadeln an Politiker versandte – als Symbol für Wähler, denen „verfluchte Wahlversprechen“ wie Mindestlohn und Vermögenssteuer Schmerzen bereiteten – wären für den nachhaltigen Wirtschaftsverband genauso unbezahlbar wie landesweite Außenwerbekampagnen.

Dafür verfügt der Verband mit Glaubwürdigkeit und Konsequenz über zwei echte Superkräfte. Was etwa die Aufnahme neuer Mitglieder betrifft, gibt sich der BNW verschlossen wie ein elitärer Club. Wer Mitglied werden will, wird auf der BNW-Website durch eine Ausschluss-Kriterienliste aufgehalten, die No-go-Branchen wie Agrogentechnik, Atomkraft, Waffen und Glücksspiel umfasst. „Shell, Bayer oder Rheinmetall bräuchten nicht anzuklopfen“, sagt Katharina Reuter. Ausgeschlossen sind auch Unternehmen, die „ihrer Steuerpflicht nicht verantwortlich nachkommen“ oder sich nicht von Kinder- und Zwangsarbeit distanzieren. Jüngster Neuzugang bei den Ausschlusskriterien sind „Demokratiefeindlichkeit“ und „rechtsextreme Gesinnung“. In der Satzung findet sich zudem ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD, wonach der BNW keine Anfrage der Partei beantwortet und keine Einladung der Ultrarechten annimmt.

Eintrittswillige, die diese erste Hürde genommen haben, erhalten von der Berliner Geschäftsstelle einen detaillierten Fragebogen. In dem müssen sie das Geschäftsmodell ihrer Firma unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten erläutern und erklären, welchen Beitrag das Unternehmen zur „sozial-ökologischen Transformation“ leistet. Alle Mitgliedsanträge werden dann noch einmal gründlich vom Nachhaltigkeitsausschuss des BNW geprüft und dem Vorstand zur Entscheidung vorgelegt.

Die Kernfrage an jedes Neumitglied lautet, ob Zukunftsfähigkeit ein Teil des unternehmerischen Betriebssystems oder bloß ein Randthema ist, das von irgendeiner Stabsstelle abgefrühstückt wird. Auf diese Weise sollen all jene abschreckt werden, die Nachhaltigkeit als Modethema oder Marketingbotschaft missverstehen.

Man wolle schließlich ambitionierte Forderungen an die Politik herausgeben und brauche daher Unternehmen, die die Forderungen auch glaubhaft unterstützten, erklärt Reuter. „Ein Flughafen beispielsweise, der zwar auf seinen Flächen Blühwiesen pflanzt, sich im Flughafenverband aber gleichzeitig für die weitere Steuerfreiheit für Kerosin einsetzt, kann kein Mitglied werden.“

Nicht alle Mitglieder sind glücklich über die strikte Aufnahmepolitik. „Durch die hohen Einstiegshürden macht der BNW sich und seinen Einfluss unnötig klein“, moniert der Vertreter eines großen Familienunternehmens, „wir bräuchten als nachhaltige Wirtschaft aber dringend einen stärkeren politischen Hebel.“

Frosch-König Schneider hingegen begrüßt das wählerische Aufnahmeverfahren. „Gott sei Dank gibt es das! Sonst könnte man es machen wie manche NGOs, die für Geld jeden nehmen. Aber dann wären wir mit dem BNW beim Prinzip Ablasshandel.“

Anlass für Ablasszahlungen gäbe es genug: Nach einer Studie des Rats für Nachhaltige Entwicklung ist der Anteil ganzheitlich nachhaltig wirtschaftender Unternehmen in Deutschland überschaubar. Aktuell liegt er bei unter einem Prozent.


Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer

Vernetzter

Baufritz-Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer sucht Mitstreiter

Glaubt man der Bundesregierung, dann entsteht die Zukunft des Bauens unter anderem in der 3.200-Seelen-Gemeinde Erkheim im Allgäu. Dort fertigt die ehemalige Landzimmerei Baufritz seit 1896 Häuser aus Fichten, die an den Berghängen und -tälern der Nachbarschaft heranwachsen. Von Gründersohn Johann Fritz stammt die Idee, die hölzernen Bauteile in externen Hallen vorzufertigen, statt sie – wie bis dahin üblich – einzeln auf der Baustelle zusammenzufügen.

Sein Sohn Hubert Fritz mischte Soda, Molke und Holzspäne zu einem natürlichen und mittlerweile patentierten Dämmmaterial. Dagmar Fritz-Kramer, die das Unternehmen heute in vierter Generation führt, darf sich auch deshalb als Pionierin fühlen. Denn den traditionellen Baufritz-Baustoff Holz hat die Bundesregierung jüngst mit ihrer „Holzbauinitiative“ zum Baustoff der Zukunft geadelt. Als klimaneutrales, nachwachsendes und im Idealfall lokales Baumaterial soll er künftig verstärkt verbaut werden. Bei Baufritz tun sie dies schon seit über 125 Jahren.

Warum wir im BNW Mitglied geworden sind:

„Klar bekommen wir als mittelgroßes Unternehmen auch Gesprächstermine bei Entscheidungsträgern. Doch es besteht immer die Gefahr, dass eine Einzelterminmeinung als Einzelmeinung verbucht wird. Wir müssen es aber als Politik und Wirtschaft endlich hinbringen, nicht mehr in der Presse über-, sondern miteinander zu reden: Wie gelingt Transformation? Welche Rahmenbedingungen braucht eine nachhaltigere Wirtschaft? Hier und heute? Darüber haben wir beispielsweise bei der ,Grüne Wirtschaft trifft grüne Politik‘-Veranstaltung zusammen mit fast 100 Politikerinnen und Wirtschaftsleuten diskutiert. Zusammengebracht hatte uns der BNW.“

Was wir uns von unserer Mitgliedschaft erhoffen:

„Austausch und Vernetzung mit Leuten, die wirklich etwas bewegen wollen und können. Das dürfte beispielsweise mit Großkonzernen schwierig sein. Die haben zwar alle Nachhaltigkeitsreferate, die sicher gute Arbeit leisten, sie sind aber letztlich Teil des Systems. Die wichtigen Entscheidungen treffen andere. Also, wenn der Nachhaltigkeitsbeauftragte von Coca-Cola im Verband mit am Tisch säße, fänd’ ich das schwierig. Der BNW ist weder Marketingplattform noch Alibiverein.“

Welche konkreten Vorteile uns die Mitgliedschaft bringt:

„Gerade in unserer Old-Economy-Baubranche entstehen derzeit spannende Start-ups, etwa Concular, das gebrauchte Bauelemente mit neuen Nutzern zusammenbringt. Concular haben wir durch den BNW kennengelernt und über die Plattform für unser neues Kommissionslager eine Brandschutz-Fluchttreppe übernommen. Und mit einem anderen BNW-Mitglied und der Fachhochschule Rosenheim setzen wir ein Forschungsvorhaben um. Es geht um die Wiederverwendung von Altmaterialien als Dämmstoff. Mehr darf ich aber nicht verraten, weil, wie gesagt: Forschungsprojekt!“



Baufritz
Branche: Fertighausbau
Mitarbeiter: ca. 500
Umsatz: ca. 107 Mio. Euro
Im BNW seit: 2017

Start-up-Gründer Pablo Metz

Sichtbarer

Unternehmensgründer Pablo Metz erhofft sich eine Stimme

Pablo Metz hat aufregende Monate hinter sich. Anfang 2022 hat sein Berliner Start-up „Meine Erde“ den ersten Menschen nach einem neu entwickelten Verfahren unter die Erde gebracht. Bei der „Reerdigung“ werden Leichname in einen sargähnlichen „Kokon“ auf Stroh und Grünschnitt gebettet und unter Luftzufuhr sanft hin- und herbewegt. Binnen 40 Tagen sollen sich Tote bis auf größere Knochen ganz natürlich zu Humus zersetzen, der dann beigesetzt werden kann. Verstorbene leben sozusagen als Blumenerde weiter. Metz’ Versprechen: „Wir machen Bestattungen ökologischer und regenerativer.“

Mit diesem Versprechen hat der ehemalige Tech-Unternehmer Investoren aus dem Zalando-Umfeld sowie den Fußballer Mario Götze gewonnen. Im November 2023 lief in Schleswig-Holstein, wo die Bestattungsinnovation im Rahmen einer Pilotphase zugelassen war, bereits die 14. Reerdigung.

Medial musste Metz derweil einiges durchstehen. Der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel bezweifelte in der Zeitschrift Bestattungskultur, dass im Reerdigungs-Kokon nach 40 Tagen tatsächlich nur Humus übrigbliebe. Die Greenwashing-Rechercheure von flip monierten, Metz’ Firma habe bislang keine eigene CO2-Bilanz vorgelegt, ihr Verfahren lasse sich klimatechnisch also gar nicht mit Erd- oder Feuerbestattung vergleichen.

„Tatsache ist, dass beim Kremieren Gas verbrannt wird, es entweichen Schwermetalle, Feinstaub und CO2“, sagt Metz. „Und aktuell entscheiden sich rund 80 Prozent der Deutschen für eine Feuerbestattung. Wir haben es mit einer enormen Belastung für die Umwelt zu tun.“ Der Gründer ist zuversichtlich, dass die Pilotphase in eine Dauergenehmigung umgewandelt wird und andere Bundesländer folgen werden.

Warum wir Mitglied geworden sind:

„Mit der Reerdigung wollen wir das erste Mal seit 1874 in Deutschland eine neue Bestattungsform einführen. Das sorgt naturgemäß für Diskussionen – wegen des sensiblen Themas Tod, wegen Traditionen, aber auch wegen der großen Neuerung in der Branche. Zudem ist Bestattungsrecht Ländersache, das heißt: Wir müssen mit unserem Modell 16-mal vorstellig werden und überzeugen. Für diese und andere Diskussionen rund um nachhaltige Innovationen bildet der BNW eine wertvolle Plattform. Und auch wenn ,Lobby‘ in anderem Kontext ein böses Wort ist, gibt der BNW der Nachhaltigkeit eine Stimme, auch in Vertretung seiner Mitglieder. Und die brauchen wir, wenn wir neue regenerative Ökosysteme aufbauen wollen.“

Was wir uns vom BNW erhoffen:

„Dass er die Sichtbarkeit der nachhaltigen Wirtschaft auf politischer Ebene erhöht. Und nach unseren ersten Erfahrungen macht der BNW das ziemlich gut. Wir waren wirklich überrascht, welch große Rolle auch kleine Unternehmen wie wir, die zudem gerade erst Mitglied geworden sind, im Verband spielen dürfen.“

Welche konkreten Vorteile uns

die Mitgliedschaft bringt:

„Beim BNW-Jahrestreffen haben wir das Start-up ,traceless‘ kennengelernt, das natürliche Kunststoffe aus landwirtschaftlichen Abfällen herstellt. Mit diesen Folien könnten wir die Särge für die Überführung in unser Alvarium auskleiden und so viel Kunststoffabfall vermeiden. Für mich ist das ein Beispiel, was wir in einer nachhaltig orientierten Wirtschaft erreichen können: mit ähnlich orientierten Unternehmen ganz neue Lösungen etablieren.“



Meine Erde
Branche: Bestattungen
Mitarbeiter: 18
Umsatz: < 1 Mio. Euro
Im BNW seit: 2023

Geschäftsführer Herwart Wilms

Stärker

Remondis-Geschäftsführer Herwart Wilms setzt auf die Kraft der Gruppe

35 Millionen Tonnen Abfall – so groß ist der Müllberg, den Herwart Wilms und Kollegen Jahr für Jahr entsorgen. Der Remondis-Chef möchte aber nicht von „Entsorgung“ oder gar „Müllabfuhr“, sondern viel lieber von „Recyclingwirtschaft“ sprechen. Denn was früher als Altmaterial verbrannt, deponiert oder exportiert wurde, stecke voller Wertstoffe, aus denen sich neue Produkte fertigen lassen – vorausgesetzt, die Materialien werden säuberlich erfasst, sortiert, gereinigt und aufbereitet. Das macht Remondis. Das zur Rethmann-Gruppe gehörende Familienunternehmen ist Deutschlands größter Abfallverwerter, betreibt mehr als 1.000 Anlagen in 30 Ländern, darunter das Lippewerk am Unternehmenssitz Lünen. In der 230 Hektar großen Anlage werden jährlich etwa 1,2 Millionen Tonnen Altholz, Metallschlacken und Kunststoffe aus dem Abfall geklaubt und zurück in den Produktionskreislauf geschickt.

„Wir verstehen uns als Rohstofflieferant der Wirtschaft“, sagt Wilms, „schließlich wird das Konzept Kreislaufwirtschaft angesichts knapper Rohstoffe und Lieferketten immer relevanter“. Damit aber aus einer Wegwerf- eine echte Kreislaufwirtschaft werden kann, braucht es entlang der Produktionskette unzählige Mitstreiter: Designer, die Produkte so gestalten, dass sie kreislauffähig sind. Firmen, die ihre Produktgestalter entsprechend briefen. Produktionsprozesse, in denen Kühlschränke, Handys, Shampooverpackungen und andere Waren nicht mehr verschäumt oder verklebt, sondern sortenrein trennbar produziert werden. Hersteller, die auf Alt- statt auf Neumaterial setzen. Und nicht zuletzt eine Gesetzgebung, die das alles ermöglicht und fördert. Wilms muss also ein gewaltiges Henne-Ei-Problem lösen helfen. Genau das erhofft er sich vom BNW.

Warum wir Mitglied geworden sind:

„Wussten Sie, dass in Deutschland Mineralöl, wenn es zu Kunststoff verarbeitet wird, von der Mineralölsteuer befreit ist? Dass auf diese Weise der Einsatz von Kunststoffrezyklat politisch unattraktiv gemacht wird? Wir waren auf der Suche nach jemandem, der über Missstände wie diese laut und mit den richtigen Leuten spricht. Außerdem: Die Kreislaufwirtschaft braucht regulatorische Begleitung, damit sie in Schwung kommen kann. Helfen würde etwa ein Label, an dem Verbraucher und die Einkäufer in den Unternehmen kreislauffähige Produkte leicht erkennen können.“

Was wir uns vom BNW erhoffen:

„Der BNW versucht Leute zusammenzubringen, die einander von Nutzen sein können, und das funktioniert ziemlich gut. In diesem Netzwerk liegt für uns ein großer Mehrwert. Auch deshalb, weil der Verband bei der Aufnahme neuer Mitglieder ziemlich kritisch ist. Bevor wir Mitglied werden durften, wurden erst einmal andere BNWler gefragt, ob sie uns einer Mitgliedschaft für würdig erachteten. Glücklicherweise haben sie ,Ja‘ gesagt.“

Welche konkreten Vorteile uns die Mitgliedschaft bringt:

„Durch den BNW habe ich beispielsweise Reinhard Schneider kennengelernt, den Inhaber der Firma Werner & Mertz. Wir haben uns gleich verstanden. Mittlerweile beliefern wir Werner & Mertz exklusiv mit Kunststoffen aus dem Gelben Sack. Aus dem Rezyklat lässt die Firma neue Verpackungen für ihre Marke ,Der grüne Frosch‘ herstellen.“ //



Remondis
Branche: Abfallwirtschaft
Mitarbeiter: ca. 42.000
Umsatz: ca. 12,5 Mrd. Euro
Im BNW seit: 2016