Jester

Jennifer Rosenberg hat mehr als zehn Jahre lang Unternehmen geholfen, den Sinn und Zweck ihres Handelns zu definieren. Vor zwei Jahren kam die 34-Jährige zu dem Schluss, die Zeit der Selbstfindung sei vorbei. Unterstützt von McKinsey und zwei Mitstreitern, gründete sie in Berlin die Strategieberatung „Jester“, die sich getreu ihrem Namensgeber die Narrenfreiheit nimmt, Kunden unbequeme Wahrheiten unkonventionell beizubringen.





Warum

Frau Rosenberg, Ihr Consulting-Unternehmen heißt Jester, nach den Hofnarren, die Königinnen und anderen Würdenträgern vergangener Epochen auch unangenehme Wahrheiten sagen durften. „Fuck purpose“ ist eine, die Sie heute in die Vorstandsetagen tragen. Warum so drastisch?

Jennifer Rosenberg: Ich werde so deutlich, weil ich finde, dass man mit diesem typischen diplomatischen Kreisen um Probleme, das klassische Beratungen vollführen, nicht mehr weiterkommt. Ich wollte klare Worte, besonders bei diesem fast esoterischen Sinnsucher-Thema. Meine beiden Mitgründer und ich haben jahrelang in oder mit großen Unternehmensberatungen gearbeitet, und in der vergangenen Dekade mit dem Hype um Purpose viele Projekte verkauft.
Aus dieser Erfahrung heraus sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass der Ansatz seine Berechtigung verloren hat. Es geht jetzt um Wichtigeres – nämlich darum, wie wir die Welt retten. Die Erforschung der Seele eines Betriebs, diese ewige Frage nach dem Warum, ist durch.

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Warum?

Am Ende kreisen die Überlegungen dabei nur um einzelne Unternehmungen, Teams oder Führungskräfte: Was treibt mich an? Was will ich wirklich, wirklich tun? Dabei kommen diffuse Wohlfühlsprüche heraus, mit denen man dann meint, für jüngere Mitarbeitende oder Kundinnen und Kunden attraktiver zu werden. Zu viel hat sich allein um Selbstoptimierung gedreht, nicht nur auf der Managementebene.

Was ist so falsch daran?

Solche Fragen kann man sich nur in einer Gesellschaft auf dem Höhepunkt ihres Wohlstands stellen. Jetzt aber lenkt diese Nabelschau davon ab, sich den harten Wahrheiten zu stellen: Die Welt brennt! Wir wissen auch ohne Purpose-Workshop, was zu tun sinnvoll wäre, nämlich die Klimakrise abzumildern und die Spaltung unserer Gesellschaft zu überwinden. Unternehmen müssen daher nicht nach dem Warum ihres Handelns fragen, sondern nach dem Wie: Was kann ich einbringen, was ist die Rolle meines Unternehmens, um etwa das CO2-Ziel zu erreichen? Was ist meine Aufgabe, die ich bei der gemeinsamen Anstrengung übernehme?

Unternehmen sollen sich also in den Dienst des großen Ganzen stellen? Ein provokanter Ansatz.

Wir sind vielleicht in mancher Hinsicht radikal, aber wir wollen nicht sinnlos provozieren. Zum Respekt vor unserem Gegenüber gehört jedoch auch, Wahrheiten ungeschönt zu sagen und nicht darum herumzureden, dass Manager viele ihrer Verhaltensmuster ablegen müssen, um grundlegende Veränderungen angehen zu können. Ob Klima, Kriege, Energie- oder Finanzkrisen – viele Entscheider wissen, dass die Zeit der Schönwetterthemen vorbei ist. Auf dieser Basis können wir gemeinsam Wege finden. „Consulting the new“ nennen wir das.

Ist dieses Neue nicht auch bloß eine Suche nach Sinn und Zweck? Gerade vor dem Hintergrund weltumspannender Krisen kann es für Konzerne wie Gründer doch wichtig sein, ihre Unternehmenswerte und -ziele neu zu definieren, um fortan anders zu agieren.

Ja, nur ist unsere Herangehensweise eine andere. Wir sagen: Die Werte und Ziele sind schon da – und sie sind klar. Die Politik und ihre Institutionen können es jedoch nicht allein schaffen, sie umzusetzen. Es gibt aber zwei andere große Kräfte, die den Wandel voranbringen können. Einerseits ist das jede und jeder Einzelne, der sich engagiert und so die brennenden Fragen auf die Tagesordnung setzt, über Proteste und Bürgerbewegungen zum Beispiel. Die andere große Kraft aber sind die Unternehmen und ihre Marken.

Wie meinen Sie das?

Kaum etwas hat eine so große Reichweite wie eine etablierte oder erfolgreich aufstrebende Marke. Hinter fast nichts kann man so effektiv große Communitys versammeln wie hinter einer starken Brand, das haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt. Unternehmen können über ihre Produkte und Dienstleistungen die Sichtweisen auf die Welt und das Konsumverhalten ihrer Kunden beeinflussen, und das im großen Stil. Da kann man ansetzen.

© Patrycia Lukas

Jennifer Rosenberg
Die gebürtige Österreicherin probiert in der von ihr in Berlin mitgegründeten Beratung gern neue Tools und Strategien aus, um den Anforderungen an ihre Branche gerecht zu werden.

Von wem werden Sie gebucht?

Ohne Namen nennen zu wollen: Wir haben in den zwei Jahren seit Gründung knapp 30 Konzerne beraten, über die Hälfte davon international börsennotiert. Wir arbeiten aber oft auch für Start-ups. In diesen Projekten mit Jungunternehmen feilen wir an unseren Beratungs-Tools und Strategien.
Wir testen und optimieren neue Ansätze und bekommen dafür zum Beispiel im Gegenzug Unternehmensanteile. Denn wenn Beratung verändern soll, muss auch sie sich verändern. Wir brauchen neue Werkzeuge und müssen zugeben, wenn uns die alten nicht mehr weiterbringen.

Wie kann das aussehen?

Wir sollten zum Beispiel für einen Energiekonzern eine Strategie auf der Basis eines zu formulierenden Purpose entwickeln. Nach vier Wochen haben wir gesagt: Sorry, ihr bezahlt uns dafür, einen Purpose zu finden, aber ihr braucht keinen – ihr wisst doch längst, dass es eure Aufgabe ist, die Energiewende zu stemmen. Was ihr euch fragen müsst, ist: Wie können wir unsere Rolle bestmöglich erfüllen? Und wie können wir unsere Mitarbeiter dazu befähigen?
Dann versuchen wir, Führungsteams zu schlagkräftigen Einheiten zusammenzuschweißen, die eine gemeinsame Vision in den nächsten Jahren konsequent verfolgen. Dafür gehen wir drei bis sechs Monate in die Unternehmen, ziehen aber auch externe Experten und Coaches hinzu. //

Wie

 

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Wer hilft beim anstehenden Wandel? Wer begleitet durch die Krisen in die neue Zeit? Und wer baut Organisationen und Strukturen mit uns um? 310 Unternehmen und elf Beraternetzwerke haben es diesmal auf unsere Bestenlisten geschafft – eine bunte Mischung aus kleinen Expertenhäusern und großen Allroundern, unter ihnen auch einige Newcomer.

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