Tebis Consulting

Die deutschen Werkzeug-, Formen- und Modellbauer durchleben gerade harte Zeiten. Deshalb arbeitet Tebis Consulting, die nahezu einzige auf die Branche spezialisierte Beratung, zum Teil sogar ehrenamtlich für ihren Erhalt.





/ Bloß keine Berater! Ein häufig gehörter Ausspruch, erst recht in der Branche, um die es hier geht. Denn Werkzeug-, Formen- und Modellbauunternehmen sind oft noch geprägt von „traditionell autoritärer Unternehmensführung“, wie es in einem Branchenmagazin heißt – sie sehen keinen Sinn in Input von außen. Zudem haben die meisten Firmen weniger als fünfzig Mitarbeiter und weder Zeit noch Geld, um es in Beratung zu investieren.

Bloß keine Berater, hieß es auch beim schwäbischen Formenbauer Pfletschinger & Gauch in Plochingen bei Stuttgart. Zumal das Familienunternehmen schon mal Berater im Haus hatte, die in der 50-köpfigen Belegschaft verbrannte Erde hinterließen, wie Co-Geschäftsführer Roland Pfletschinger erzählt: „Die walzten über die Leute drüber, und als es um die Umsetzung ging, waren sie weg.“ Pfletschinger wagte es trotzdem noch einmal mit einem anderen Dienstleister – und hatte Erfolg: Inzwischen fragen Mitarbeiter erwartungsvoll, wann denn der Berater wiederkomme, um das gemeinsam Erarbeitete aufzufrischen.

Tebis Consulting
mit Sitz in Göppingen ist ein kleiner eigenständiger Geschäftsbereich der Tebis AG bei München, die Software für Werkzeug-, Formen- und Modellbauer herstellt, aber auch für die Automobil-, Flugzeug- und Maschinenbauindustrie. Die sechs Berater von Tebis Consulting, von denen einer in Portugal sitzt, erwirtschaften rund 800 000 Euro Umsatz im Jahr.

Damit es weitergehen kann, sitzt Pfletschinger an einem grauen Tag im vergangenen Dezember in einem Seminarraum von Tebis Consulting in Göppingen bei Stuttgart. Im Stuhlkreis Platz genommen haben außer ihm fünf weitere Geschäftsführer konkurrierender Werkzeug-, Formen- und Modellbauer, die wie Pfletschinger jeweils zwei, drei Führungskräfte mitgebracht haben. Ihr Thema für zwei Tage: Kooperation. Gemeinsam wollen sie ausloten, ob und auf welchen Feldern man zusammenarbeiten könnte, um aus der schwachen Position als kleiner Einzelkämpfer gegenüber den großen Auftraggebern herauszukommen. Noch ist nichts spruchreif, aber so viel ist klar: „Ein solches Treffen wäre vor zwanzig Jahren unvorstellbar gewesen“, sagt Pfletschinger.

Der Mann, der die unwahrscheinliche Zusammenkunft initiiert hat, heißt Jens Lüdtke. Er war derjenige, der bei Pfletschinger & Gauch die Berateraversion in Beraterakzeptanz verwandelte. Der Chef von Tebis Consulting, ein mittelgroßer, schlanker Endvierziger, eröffnet den Kooperations-Workshop der Konkurrenten weich schwäbelnd mit einem Vortrag über den Zustand der Branche. Der geht es alles andere als gut, und weil sich Tebis Consulting ganz auf sie fokussiert hat, hat das nicht nur für das Geschäft der Berater Folgen, sondern auch für ihre Rolle, die sie sehr breit interpretieren.

Die Branche mit ihren etwa 3500 fast ausschließlich kleinen Firmen liege auf der Intensivstation, referiert Lüdtke: Nach seinen Erhebungen betrug die durchschnittliche Umsatzrendite der Unternehmen im Jahr 2021 -0,7 Prozent, im Vorjahr -8,3 Prozent. Prognosen verschiedener Experten aus der Branche sagen einen Schwund von 20 bis 30 Prozent der Unternehmen in den nächsten Jahren voraus. Als einen der wichtigsten Gründe nennt Lüdtke die Globalisierung und präsentiert den Zuhörern ein Beispiel aus seiner Beraterpraxis, das sie ähnlich aus eigener Erfahrung kennen dürften: Für ein Werkzeug, mit dem Teile für die Luftfahrtindustrie hergestellt werden, kalkulierte ein Werkzeugbauer in Deutschland als Preis 65 000 Euro, bot es aber unter Verzicht auf eine Marge für 58 000 Euro an. Den Auftrag bekam ein chinesischer Konkurrent, der nur 27 000 Euro verlangte. „Für das Geld kann sich ein Anbieter hierzulande nicht mal das Material kaufen“, weiß Lüdtke.


Jens Lüdtke ist Consultant – und so etwas wie ein Pate für die Branche, die er berät.

Der Maschinenbauingenieur macht sich ernsthaft Sorgen, nicht nur um einzelne wettbewerbsschwache Unternehmen, sondern um die Branche insgesamt, mit deren hochkomplexen Werkzeugen und Formteilen unzählige Kunststoff- und Metallprodukte hergestellt werden, von Kotflügel und Autozierleisten bis zu Zahnbürsten, Kugelschreibern, Computertastaturen und Covid-Tests. „Deutschland ist weltweit die Nummer eins im Werkzeug- und Formenbau. Die Branche ist eine Schlüsselbranche für die deutsche Wirtschaft, auf ihre Kompetenzen sind sehr viele Unternehmen angewiesen“, sagt Jens Lüdtke. Doch Deutschland sei „drauf und dran, diese Schlüsselbranche an andere Länder zu verlieren“, ähnlich wie zuvor schon die Textil- und Solarindustrie.


Braucht zum Beispiel jeder jede Maschine? Oder kriegen wir das anders gelöst?
Jens Lüdtke

Lüdtke versteht Tebis Consulting deshalb nicht nur als Dienstleister seiner Kunden. Er ist auch so etwas wie ein Branchenpate: Mit Gleichgesinnten aus dem Fachverband, wo er einen Arbeitskreis leitet, tritt Lüdtke vor die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft in Berlin. Bundestagsabgeordneten erklärt er den „brutalen Käufermarkt“, in dem Automobilhersteller, deren Zulieferer und viele andere Auftraggeber die Preise diktieren und zugleich die letzten Raten für die bestellten Werkzeuge oft erst 12 bis 18 Monate nach Auslieferung bezahlen. Und bei Vorträgen in einschlägigen Foren wird der Berater nicht müde, warnend die Industriepolitik Chinas zum Aufbau der eigenen Werkzeug- und Formenbauerbranche zu beschreiben, deren Firmen Material oft kostenlos erhielten und auch sonst stark subventioniert würden.

Wenn Lüdtke vor Kunden oder über Kunden spricht, sagt er oft wir, so als steuerte er selbst einen Werkzeug- oder Formenbauer durch harte Zeiten: „Wir müssen uns öffnen und ständig verändern, sonst werden wir am Markt nicht überleben. Die Zeiten werden nicht ruhiger für uns werden.“

Als Branchenpate führt Tebis Consulting auch Marktstudien und Umfragen durch und stellt sie Interessenten kostenlos zur Verfügung. Vor einigen Jahren startete Jens Lüdtke zudem den „Marktspiegel Werkzeugbau“, eine genossenschaftliche Benchmark-Initiative mit heute 70 Mitgliedsfirmen. Ihr Motto: „Besser werden mit Branchenwissen. Gemeinsam den deutschsprachigen Fertigungsstandort stärken.“ Die Mitgliedsfirmen bekommen in einem anonymisierten Report anhand vieler Kennzahlen gespiegelt, wo sie im Markt stehen, außerdem eine gutachterliche Empfehlung, wie sie ihre Situation verbessern können. „Der Marktspiegel ist ein Unternehmenssteuerungswerkzeug, das die Stellschrauben kenntlich macht“, sagt Lüdtke.

Das ehrenamtliche Engagement soll auch Vertrauen in einem traditionell beratungsskeptischen Gewerbe aufbauen und darüber Aufträge generieren. Genau wie Berater mit einschlägiger Ausbildung und viel praktischer Erfahrung in der Branche. „Nichts gegen Hochschulabsolventen“, sagt Lüdtke, „aber wir brauchen Leute, die als Seniors wahrgenommen werden.“ Menschen wie Markus Rausch, gelernter Werkzeugmechaniker und Maschinenbautechniker, der rund 15 Jahre im elterlichen Unternehmen in führenden Positionen arbeitete, bevor er 2013 in die Beratung wechselte und seitdem rund 400 Firmen begleitet hat. „Ich wollte nicht länger im Hamsterrad im Unternehmen arbeiten, sondern mit dem Blick von außen am Unternehmen“, sagt der 46-Jährige.


Markus Rausch wechselte vom elterlichen Unternehmen in die Unternehmensberatung.

Bei WISA Werkzeug- und Formenbau im bayerischen Denkendorf ist ihm das laut Co-Geschäftsführer Torsten Decker gelungen: „Nach zwei, drei Tagen Analyse vor Ort und einigen Online-Besprechungen hat Markus Rausch eine überzeugende Analyse vorgelegt, wo wir stehen und wo es Verbesserungspotenzial gibt.“ Deshalb steht jetzt eine personelle Umstrukturierung an – weg von Führungskräften, hin zu Teamleitern – und damit verknüpft die konsequente Anwendung eines Shopfloor-Konzeptes, bei dem die Teamleiter morgens kurz und knapp die Aufgaben des Tages definieren und digital hinterlegen. „Etwas Ähnliches hatten wir schon vorher, nutzten es aber nicht in dem Maß, weshalb viel über Zuruf passierte und es zu viele Rückfragen gab“, sagt Decker. Obwohl gerade erst implementiert, sieht er schon Vorteile: Die Arbeit sei strukturierter, die Mitarbeiter informierter, es passierten weniger Fehler. „Ein riesiger Schritt für uns.“

Und ein Argument mehr für den externen Berater. Decker hatte zunächst schon zu kämpfen, aber „als der Markus rumging und jeder merkte, dass er Ahnung hat und weiß, wovon er redet, hat sich das innerhalb weniger Tage komplett gedreht.“ Jetzt haben Kunde und Berater festgelegt, dass Rausch die Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen weiter sporadisch begleitet: „Damit der Druck da ist, die Neuerungen im Alltagsstress nicht wieder hinten runterkippen zu lassen“, wie Torsten Decker sagt.


Wir beraten nicht um der Beratung willen – wir beraten, damit sich etwas ändert.
Markus Rausch

Wie immer wird Berater Rausch versuchen, ein Optimierungsteam im Unternehmen zu motivieren, auf Dauer ohne ihn am Ball zu bleiben. „Denn ohne Umsetzung ist alles nichts“, sagt Rausch. „Wir beraten ja nicht um der Beratung willen – wir beraten, damit sich etwas ändert.“ Und bei WISA Werkzeug- und Formenbau, das tonnenschwere und mehrere Hunderttausend Euro teure Mehrkomponentenwerkzeuge vor allem für Automobilzulieferer herstellt, muss sich einiges ändern. In den vergangenen zwei Jahren sei man „hart an der Grenze zum Minus“ entlangmarschiert, sagt Geschäftsführer Decker. Es gehe jetzt wieder aufwärts, aber es bleibe die Aufgabe, aus der Abhängigkeit von „Automotive“ herauszufinden.

Praktisch, einfach, günstig

Bei Fütterer Werkzeugbau im badischen Elchesheim-Illingen scheint das gelungen zu sein. Das 20-Mitarbeiter-Unternehmen, Umsatz circa zwei Millionen Euro, lebt heute zu einem guten Teil von Werkzeugen, mit denen aus Beton Entwässerungsrinnen für Parkplätze und Garageneinfahrten gegossen werden. „Gott sei Dank haben wir uns seit etwa zehn Jahren stark gewandelt“, sagt Co-Geschäftsführer Christian Fütterer.

Tebis Consulting fand er durch einen Arbeitskreis des Branchenverbands zum Thema „alternatives Geschäftsmodell“. Über den Berater sagt der Maschinenbauingenieur: „Der brachte sehr praktische, teilweise ganz einfache Ideen mit, die nicht viel kosteten und deren Nutzen sich sehr schnell zeigte.“ Unter anderem waren das auch hier Shop-floor-Management („Ich hätte nie gedacht, dass das in einem kleinen Laden wie unserem funktioniert“) sowie die Standardisierung von Aufträgen. „Gibt es nur vier Gewindearten und nur vier Größen von Stiften, werden die Prozesse schlanker und die Mitarbeiter sicherer. Und viele Kunden ziehen gerne mit, weil Standardisierung die Kosten und Durchlaufzeiten reduziert.“

Tebis Consulting setzt aber nicht nur auf die Kraft der vielen kleinen Schritte zur Prozessoptimierung, sondern greift auch zu größerem Besteck. Bei Krieger Modellbau in Aalen erarbeiteten die Berater mit der ersten und zweiten Führungsebene auf Grundlage einer Mitarbeiterbefragung Leitbild und Strategie für die Entwicklung eines vernetzten, digitalen Werkzeugbauunternehmens. Den Plochinger Formenbauer Pfletschinger & Gauch (Umsatz: 7,5 Millionen Euro) begleitet Tebis Consulting seit acht Jahren mit vielerlei Projekten auf allen Ebenen, von der Arbeit an der Strategie über die Einführung von Mitarbeitergesprächen bis zu Justierungsarbeiten am Organigramm und Schulungen zum Fehlermanagement. „Ich kenne keinen unserer fünfzig Mitarbeiter, der nicht sagt: ,Die Berater machen das einfach gut‘“, berichtet Roland Pfletschinger.

Die Wirkung der Beratung im Detail nachzuweisen sei schwierig, meint er, aber durch Tebis den Spiegel vorgehalten zu bekommen sei fraglos von Vorteil: „Bei den Rüstzeiten sind wir schlanker geworden. Wir konnten die Kommunikation auf allen Ebenen massiv verbessern. Wir haben den Umsatz deutlich erhöht und das Kundenportfolio strategisch erweitert“ – mehr als zwei Drittel des Geschäfts werden heute mit Formen für Kunststoffprodukte in der Medizintechnik erwirtschaftet. Entwarnung will Pfletschinger damit nicht geben: „Das Feld bleibt hart umkämpft, der Veränderungsdruck hoch.“ Deshalb hat sich das kleine Familienunternehmen sogar auf den Kooperations-Workshop mit Wettbewerbern eingelassen, der vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar gewesen war.

Dort hält Jens Lüdtke zum Einstieg ein flammendes Plädoyer für den Aufbruch in schwierigen Zeiten. Man werde auch künftig Effizienz steigern, Qualität und Tempo erhöhen und Kosten senken müssen. Die Frage sei, ob es daneben nicht noch andere Stellschrauben gebe, an denen man drehen müsse. Lüdtke spricht über Strategien und Geschäftsmodelle, über neue Dienstleistungen und professionelleren Vertrieb, über die Bedeutung von Nachhaltigkeits-Zertifikaten in den Lieferketten und die Zusammenarbeit mit Konkurrenten: „Als Einzelne sind wir oft zu klein, aber in Kooperationen und Netzwerken können wir Schwächen ausgleichen. Braucht zum Beispiel jeder jede Maschine? Oder kriegen wir das anders gelöst?“

Interesse für diese Art von Beratung ist da, doch das Geld ist knapp in der angeschlagenen Branche. „Wer krank ist und sich keinen Arzt leisten kann, geht meist auch nicht hin“, sagt Tebis-Mann Markus Rausch trocken. Obwohl die Berater beste Referenzen vorweisen können, ihr Tagessatz mit 1500 Euro am unteren Rand liegen dürfte und sie ohnehin meist Pauschalhonorare mit ihren Kunden vereinbaren, sind sie nicht ausgelastet – die Projekte dauern in der Regel nicht länger als sechs bis acht Tage. Wie schwierig das Terrain ist, zeigt sich auch darin, dass Tebis Consulting kaum Konkurrenz kennt.

So folgen die Berater ihrem eigenen Rat – und schauen sich nach Aufträgen jenseits der Werkzeug- und Formenbauer-Nische um, vor allem dort, wo keine teuren Einzelstücke produziert, sondern mit ihnen massenweise Serienteile aus Kunststoff oder Blech hergestellt werden: bei Zulieferern, OEMs, Lohnfertigern. „Wir sind dabei, den Hundert-Prozent-Fokus zu entschärfen“, sagt Jens Lüdtke.

Eines der jüngsten Projekte im erweiterten Kundenfeld ist der Auftrag einer privaten Business School mit Standorten in Berlin und anderen europäischen Städten. „Die Uni ist stark gewachsen und kämpft jetzt mit ihren Verwaltungsstrukturen“, sagt Burak Beklenoglu, der Produktionstechnik studiert hat, in acht Jahren bei Tebis Consulting aber vor allem Strategie- und Leitbildprojekte betreute. „Verschiedene Datenbanken; Dokumente, die an vielen Orten abgelegt sind; die Verwaltung ist nicht zentralisiert und nicht ausreichend digitalisiert. Kein Wunder, dass die Kommunikation nicht so funktioniert, dass immer alle alles wissen.“


Das Problem ist universell. Und die Methodik zur Lösung auch.
Burak Beklenoglu

Mit seinem Berater-Kollegen Tomek Kawala machte Beklenoglu für die Privatuni, was sie immer machen: Prozesse analysieren, Schnittstellen erkennen, Verbesserungsvorschläge erarbeiten und mit den Mitarbeitern umsetzen. „Statt mit Ingenieuren, Technikern und Meistern hatten wir es hier mit Professoren, Doktoranden und Programm-Managern zu tun. Aber das Problem ist universell. Und die Methodik zur Lösung auch. Von der Logik her passte das zu uns.“ //