Made in Germany

Welchen Ruf haben deutsche Produkte im Ausland? Hat das Label „Made in Germany“ noch Strahlkraft? Momentaufnahmen aus fünf Ländern.





Frankreich
Die Nachbarn machen die Arbeit

Céline schwört auf ihre Espresso-Maschine von Krups. Auch wenn meine französische Bekannte bei ihren Lobeshymnen klingt, als habe sie Schluckauf. „Krüps“, sagt sie gemäß der Orthofonie der Nachbarn. Davon lässt sie sich auch nicht mit dem Hinweis abbringen, dass Krups eine deutsche Marke sei. „Deutsche Wertarbeit made in France“, gibt sie grinsend zurück.

Seit Jahren gehört Krups nämlich, genau wie Rowenta und WMF, zu dem französischen Haushaltswarenkonzern SEB, der aus einem Provinzstädtchen bei Lyon kommt. Und der legt Wert darauf, in der Heimat zu produzieren, will aber nicht auf die Anziehungskraft von Traditionsnamen verzichten. „Wir halten es nicht für nützlich, die Zugehörigkeit der Marke zu einem französischen Konzern hervorzuheben“, formuliert SEB-Chef Thierry de La Tour d’Artaise das Erfolgsmodell.

Die Franzosen lassen sich, genau wie Abermillionen Menschen weltweit, vom Mythos deutscher Marken beeindrucken. Seit einigen Jahren heben sie allerdings gern hervor, dass der Glanz nur halb so strahlend wäre, würden sie nicht selber mit Hand anlegen. Was zunächst wie eine Trotzreaktion in der Krisenzeit erschien, als der eigene Stern sank und der deutsche Nachbar bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Vorbild präsentiert wurde, darf man mittlerweile als Frankreichs neu gewonnenes Selbstbewusstsein werten.

Denn würde es ein „Be-Em“ (französisch für BMW) oder ein anderes deutsches Premiumfahrzeug auch nur aus der Garage schaffen, wäre nicht jede Menge französischer Technologie von Valeo, Plastic Omnium oder Faurecia darin verbaut? Und wie steht es mit ARaymond? Kennen Sie nicht? Dann hängen Sie sich mal an den Handgriff am Dachhimmel Ihres Autos. Wenn der nicht abfällt, liegt es an den Klammern, Clips, Muttern, Hülsen und Nieten des Zulieferers mit Sitz in Grenoble. Auch Türverkleidungen, Radiogeräte, Klimaanlagen, Kraftstoff- und Bremsleitungen werden damit fixiert.

Zulieferer bleiben oft unerkannt, obwohl sie einen Wertschöpfungsanteil an der Produktion neuer Modelle von weit über die Hälfte haben. Das wurmt die Franzosen, die mit ihren Renaults und Peugeots international nicht annähernd so viel hermachen wie die Deutschen. Das war übrigens einer der Gründe für den Kauf von Opel durch die Groupe PSA.

In einer Sache allerdings halten sich die Nachbarn derzeit gern im Hintergrund: Dieselmotoren mit womöglich manipulierter Abgasnachbehandlung in Mercedes-Modellen sollen in Allianz mit Renault gebaut worden sein? Mais non! Die französische Aussprache macht aus einem Diesel übrigens seit jeher „Die Esel“. Aber das ist eine andere Geschichte.

Russland
Staatslimousine auf deutschem Qualitätsniveau

Für die Russen ist Deutschland wie Angela Merkel. Die besitzt nach Ansicht des Moskauer Publikums zwar durchaus Verstand und sei zuverlässig, habe aber keinen Funken Sexappeal. Die Russen haben die Deutschen schon immer „Nemzy“ genannt, die „Stummen“ oder auch die „Tumben“.

Dabei waren Deutsche spätestens seit Peter dem Großen als Handwerker, Offiziere und Beamte im Zarenreich durchaus gefragt. Sie galten als praktisch, pedantisch, diszipliniert und bestens geeignet, um Routineaufgaben sorgfältig zu erledigen. Als Dichter und Denker sah man sie aber nicht: Sie galten als zu engstirnig, um genial zu sein. Ohnehin ist man in Russland bis heute überzeugt, dass die wirklich großen technischen Errungenschaften in der Regel den Russen zuzuschreiben seien, selbst wenn es um Atom- oder Weltraumraketen geht.

Andererseits gesteht man den praktisch-pedantischen Deutschen gern zu, dass sie gerade wegen ihrer kleinlicher Detailversessenheit erstaunlich exakt und zuverlässig arbeitende Alltagsmaschinen herstellen können. Zwar kaufen auch russische Autofahrer zum Großteil billigere ostasiatische Pkw-Modelle. Aber wenn Russlands Männer anfangen, laut von Autos zu träumen, reden sie fast immer über „Mers“, also über Mercedes-Benz.

Wohl nirgendwo glänzt der Ruf der deutschen Automobilindustrie so wie in Russland. Manche Moskauer Medien erklären den Dieselskandal bis heute mit einer Verschwörung missgünstiger US-Behörden gegen Volkswagen. Selbst die russischen Jubelmeldungen über die brandneue und „durch und durch vaterländische“ Aurus-Limousine, in der Präsident Wladimir Putin inzwischen vorfährt statt wie früher im Mercedes-Pullman, garniert man mit Nebensätzen: Porsche-Ingenieure hätten den 600 PS-Motor des Aurus gebastelt und seine Elektronik deren Kollegen von Bosch. Mit anderen Worten: eine russische Staatslimousine auf deutschem Qualitätsniveau.

Im Alltag sieht man in Russland außer Kraftwagen und Vollwaschautomaten allerdings nur wenige deutsche Produkte. Man kleidet sich chinesisch, kommuniziert amerikanisch oder koreanisch und isst russisch.

Der Nimbus deutscher Wertarbeit lebt dennoch weiter, was man auch daran sieht, dass viele russische Firmen ihren Labels gern deutsche Namen geben. Ein russisches Unternehmen produziert unter dem Markennamen Westfalika Schuhe der Reihe „Düsseldorf“ und wirbt mit einem Chefdesigner aus Pirmasens. Eine andere russische Marke nennt sich Thomas Münz, ihre Firmenschilder versichern: „deutsche Schuhsalons“. Die Russen halten die Deutschen nicht für erotisch – deutsche Qualität aber verehren sie als Mythos, der sogar der Imitation würdig ist.

China
Begehrenswert, aber unerreichbar

Baoma, Dazhong, Aodi, Benshi – diese vier Namen rattern Pekinger Taxifahrer herunter, wenn sie erfahren, dass ihr Gast aus Deutschland kommt: Es sind die chinesischen Namen deutscher Automarken: BMW, VW, Audi, Benz. Deutsche Autos genießen in China nach wie vor ein hohes Ansehen, gelten aber auch als hochpreisig: Spitzenqualität, verlässlich – aber leider sehr teuer. Da hilft es auch nichts, dass viele deutsche Hersteller ihre Produkte, von der Waschmaschine bis zum Auto, inzwischen in China produzieren lassen. Preislich liegen sie trotzdem weit über den lokalen Wettbewerbern – und sind damit vor Ort für viele Menschen unerschwinglich.

Zielgruppe im Land ist die aufstrebende urbane Mittelschicht. Ihre Autos haben einen großen Anteil daran, dass deutsche Produkte in China einen so guten Ruf haben, sagt Wu Zheng, Herausgeber der chinesischen Version des deutschen Magazins Auto Motor und Sport. „Daran hat auch die Dieselaffäre nichts geändert.“

Kein Wunder: Chinas Regierung lehnte Dieselmotoren für Pkw stets ab – heute ein Glücksfall für die Hersteller. „Die Chinesen mögen es, dass deutsche Autos immer die neueste Technologie für Motoren und Getriebe enthalten“, sagt Wu Zheng. „Zudem profitiert VW von seiner langen Geschichte in China.“

Auf dem neuen Shopping-Kanal von Amazon China findet sich inzwischen sogar ein eigener Kanal für deutsche Produkte wie Bosch-Küchenmaschinen, Krups-Kaffeekocher, Hipp- und Aptamil-Säuglingsmilch oder Schaebens-Gesichtsmasken. „Ich habe da neulich mehrere Gesichtscremes gekauft, weil es Super-Sonderangebote gab“, sagt etwa Li Hairu, eine Autorin aus Schanghai. „Das werde ich wieder machen. Sonst sind mir deutsche Marken aber zu teuer.“

Wenn man deutsche Produkte mit anderen europäischen Waren vergleiche, sagt Wang Laibo, ein 32-jähriger Geschäftsmann, der für ein internationales Unternehmen arbeitet, sei das Preisniveau sogar durchaus angemessen. Wang reist viel, auch nach Deutschland. Die meisten deutschen Produkte kauft er auf diesen Reisen. Beliebt seien als Mitbringsel etwa Boss-Anzüge, Messer von WMF oder Rimowa-Koffer. „Rimowa-Koffer sind auch ein Mode-Statement, weil viele chinesische Stars sie besitzen“, erzählt Wang. Er selbst hat sich schon vor Jahren einen gekauft, wegen der Qualität: „Und er hält immer noch!“

Neuerdings kauft Wang bei seinen Besuchen in Deutschland auch in Drogeriemärkten. Alltägliche Produkte wie Cremes oder Shampoo. Die Waren seien beliebt – acuh, aber längst nicht nur wegen der für chinesische Augen fremdartig aussehenden Etiketten.

Reputation 2019, thema,

USA
Wertarbeit, aber kein Marketing-Zugpferd mehr

Egal ob Donald Trump über die Handelsbilanz schimpft oder Volkswagen wegen seiner Diesel-Software-Manipulationen am Pranger steht – für Henry Jackson, Künstler aus San Francisco, ist das Etikett Made in Germany eigentlich kein Thema: „Ich schätze viele Dinge aus Deutschland: Technologien, Kunstrichtungen und Lebensmittel, von Autos über Bauhaus bis zu Bier und Apfelstrudel. Aber große Gedanken, wofür der Begriff steht, mache ich mir nicht.“

Bei einem Gegenstand in seinem Haushalt lässt Jackson allerdings nicht mit sich handeln: seiner Krups-Kaffeemühle. „Die gehört praktisch zur Familie. Der Tag kann für mich nur mit frisch gemahlenem Kaffee aus dieser Mühle losgehen.“ Als der Maler das Gerät für den Besucher inspiziert, muss er allerdings lächeln: „Da steht ,Made in China‘ drauf – bäh! Aber das ist auch okay, solange die Idee und das Design aus Deutschland kommen.“

Deutsche Marken von Krups über Miele und Bosch bis zu BMW und VW werben seit Langem nicht mehr mit Deutschland-Bezug. Auf ihren lokalen Websites sucht man den Verweis auf ihre Herkunft oder deutsche Wörter wie „Fahrvergnügen“ oder „Das Auto“ vergebens. Der Marketing-Chef einer deutschen Firma mit US-Präsenz, der sich nicht namentlich zitieren lassen möchte, sagt: „Dass wir aus Deutschland kommen, erwähnen wir in Verkaufsgesprächen und in unserer Literatur mit keinem Wort mehr. Das kommt momentan nicht gut an. Wir sprechen lieber von unserer internationalen Präsenz.“

Doch eingefleischte Fans deutscher Spitzentechnologie lassen sich von aktuellen Debatten, Strafzöllen und Skandalen nicht beeindrucken. Marc Wendorf, Personal-Manager bei einer der großen Technologie-Firmen im Silicon Valley, fährt gerade seinen dritten BMW. „Das ist aber nicht irgendeiner, sondern ein 435i mit Inline 6-Zylinder Twin-Turbo“, präzisiert Wendorf. „Einer der berühmtesten Motoren aller Zeiten!“

Made in Germany ist für ihn die „weltweite Messlatte für Top-Mechanik“. Daran habe sich über die Zeit nichts geändert: „Für einen leidenschaftlichen Autoliebhaber wie mich sind deutsche Produkte begehrt wie eh und je, das Land setzt den weltweiten Standard.“ Das mag erklären, warum die großen Drei der deutschen Autowelt — BMW, Mercedes-Benz und VW — allein im Juni 2018 zusammen rund 85 000 Fahrzeuge in den USA verkauften.

Differenzierter geht Allison Quaid an das Thema heran. Die in Detroit geborene Unternehmensberaterin arbeitete lange im Silicon Valley und lebt jetzt in München, wo sie für ein großes Unternehmen arbeitet. „Für mich stand Deutschland immer für außergewöhnliche Qualität – aber es steht für mich nicht mehr für Innovation. Vor allem seit ich hier wohne.“

Sie erlebe in Deutschland eine enorm hohe Messlatte für Prozessoptimierung, der Fokus liege auf der Präzision der kleinen Schritte. Die moderne Welt verlange jedoch anderes: Innovation in großen Sprüngen.

„Keine einzige der wenigen europäischen Erfolgsgeschichten des digitalen Zeitalters kommt aus Deutschland“, meint Quaid. Wohl auch deshalb, meint die Beraterin, weil man hierzulande nur an den Rändern innovativ sein dürfe – und auch nur, solange man nicht den großen Prozess infrage stelle. Den Mut zu entwickeln, alles zu wagen und zu scheitern, wie ihn ihre alte Heimat Kalifornien zelebriere, sieht sie deswegen als größte Herausforderung für das Label Made in Germany.

Polen
Die Marke ist wichtiger als die Herkunft

Am Anfang einer besonderen deutsch-polnischen Romanze stand, wie so häufig bei Liebesbeziehungen, ein Kompliment. Die polnischen Frauen seien ausgesprochen hübsch, stellte man in der Zentrale der deutschen Drogeriemarkt-Kette Rossmann fest – darauf lasse sich doch womöglich bauen. 26 Jahre ist das inzwischen her, und Rossmann ist für seine Schmeichelei großzügig belohnt worden: Polen ist der mit Abstand stärkste von fünf Auslandsmärkten. Von den 2,6 Milliarden Euro Umsatz, die das Unternehmen 2017 jenseits der deutschen Grenzen machte, gingen mehr als zwei Milliarden Euro auf das Konto der gut 1150 Filialen in Polen. Und die Erfolgsgeschichte geht weiter: Dieses Jahr sollen 80 neue Filialen hinzukommen.

Was die Kundinnen – 80 Prozent sind Frauen – an den Läden mit den großen roten Lettern so schätzen, weiß Länderchef Marcin Grabara genau. Er hat es erst vor Kurzem wieder untersuchen lassen. „Kosmetik ist für sie mit positiven Gefühlen besetzt. Ein Besuch bei uns ist wie ein kurzer Ferienaufenthalt, ein Hauch von Luxus im Alltag.“ Die jungen Kundinnen genössen das Gefühl, mithilfe der Pflegeprodukte auf dem Weg zum Frausein begleitet zu werden. „Und die älteren haben die Gewissheit, dass sie mit uns schöne Frauen bleiben.“

Der Privatkonsum machte in den vergangenen Jahren einen Gutteil des fulminanten polnischen Wirtschaftswachstums aus. Während Deutsche besonders auf den Preis achten, sind Polen – und Polinnen – in der Regel sehr markenbewusst und bereit, für Waren mit international bekannten Namen einen Aufschlag zu zahlen, egal ob es sich um Mode, Technik, Nahrungsmittel oder Kosmetik handelt. Auch deshalb hatte etwa der deutsche Discounter Aldi zu Beginn enorme Schwierigkeiten im Nachbarland: Er bot lediglich hauseigene Marken an.

Rossmann Polska hat das erkannt. Der Anteil der Eigenmarken der Drogeriekette ist in Polen bedeutend kleiner als hierzulande. Und die Regale mit Food-Artikeln, Tiernahrung, Spielwaren oder Putz- und Waschmitteln nehmen einen geringeren Raum ein. Körperpflege steht im Mittelpunkt der langjährigen deutsch-polnischen Beziehung. Damit keiner fürchten muss, alt auszusehen. //

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