Quantencomputer – Fluch oder Segen?

Die schöne Maschine

Quantencomputer werden die Datenverarbeitung revolutionär verändern. Lange schienen sie eine unrealistische Vision, doch ihre Entwicklung hat sich so beschleunigt, dass ihr praktischer Einsatz heute nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint. Was das für die Welt bedeutet, ist noch nicht absehbar.




Die Welt ist komplizierter, als wir denken, genauer gesagt: komplexer. Wir haben zwar gelernt, dass auf Ursache Wirkung folgt, aber so einfach ist es nur in der Mechanik. Beginnen wir, die Welt im Zusammenhang zu sehen, stellen wir fest, dass fast alles in Beziehung zu fast allem anderen steht und zwischen Ursache und Wirkung viel passiert. Deshalb nutzen wir Computer, die mehr von dem, was ist – nennen wir es mal Daten – in kürzerer Zeit in Beziehung setzen können als unser Verstand. Doch auch sie kommen über eine gewisse Stufe der Komplexität nicht hinaus, weil sie am Ende wie wir denken, nur schneller: von einer Ursache und Wirkung zur nächsten. Aber es geht anders – mit Quantencomputern.

1. Eine Superposition

Die Maschine glänzt in Gold, Silber, Kupfer. Elegant geschwungene Kabel, Steckerleisten in symmetrischen Reihen, einander überkreuzende Elektronik, als sei sie zart verwachsen: Quantencomputer sind schön. Sie erinnern an Bäume fremder Planeten, an außerirdische Bionik. Und das ist nicht Design – es folgt technischen Anforderungen. In Betrieb, gründlich geschützt vor äußeren Einflüssen, wirkt die Maschine in ihrem schwarzen Panzer wie Darth Vaders Übergepäck. Doch darunter folgt die Technik den Naturgesetzen, wie ein Gerät aus „Avatar“.

Die Maschine steht in Ehningen bei Stuttgart auf dem, was heute noch der IBM-Campus ist, aber schon bald Quantum Gardens sein könnte: ein Wohn-Tech-Campus mit einem Cluster von Unternehmen, die sich mit Quantentechnologie und künstlicher Intelligenz als Entwickler, Hersteller oder Nutzer beschäftigen, und vielen Menschen, die dort forschen, arbeiten und auch leben.

Demnächst soll sogar ein weiterer Quantencomputer hinzukommen, geradezu eine Ballung von Geräten, von denen es bisher weltweit nur rund zwei Dutzend gibt. Doch diese Vision kann schnell Realität werden: Den Plan, in der schwäbischen Provinz an dieser Technologie zu arbeiten, fassten Angela Merkel und IBM-Chefin Virginia Rometty 2019 in Davos beim Weltwirtschaftsforum, und schon Ende 2020 wurde die Maschine aufgebaut. Seitdem arbeitet IBM mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hier an echten Aufgaben für echte Kooperationspartner.

Das ist wichtig, denn lange führten Quantencomputer vorwiegend Modellrechnungen durch, die vor allem beweisen sollten, dass die Rechner überhaupt funktionieren. Die in den frühen Achtzigern entstandene Idee, Datenverarbeitung auf den Prinzipien der Quantenphysik aufzubauen, ist zwar spektakulär, doch begegnen ihr viele bis heute mit großer Skepsis.

„Niemand versteht Quantenmechanik“, sagte schon der Physiker Richard Feynman vor Jahrzehnten, und er sollte es wissen – immerhin erhielt er für seine Arbeit in diesem Bereich den Nobelpreis. Die Quantenphysik widerspricht unserem üblichen Denken, was übrigens auch ein Problem für ihre praktischen Anwendungen ist, aber dazu später.

Beginnen wir bei den Grundlagen. Quanten sind subatomare Objekte, die messbare, sich ausschließende Eigenschaften besitzen, sodass sie als Basis eines digitalen, auf 0 und 1 basierenden Systems genutzt werden können. Sie können aber auch eine sogenannte Superposition einnehmen, die weder das eine noch das andere ist, jedoch beides werden kann. Das ist wie bei einer Münze, die hochgeworfen wird und gerade fällt: Sie wird auf einer Seite landen – aber noch sind beide möglich. Die Superposition erhöht die Rechenleistung exponentiell und öffnet zudem über sogenannte Verschränkungen neue Formen der Datenverarbeitung. Dafür braucht es aber viele sogenannte Qubits – Quanten auf Chips. Für eine Rechnerkapazität, die existierende Supercomputer hinter sich lässt, sind etwa zwei Millionen Qubits nötig. Das klingt gigantisch, ist aber bereits ein Fortschritt: Vor einigen Jahren lag die veranschlagte Zahl im Milliardenbereich.


„Ich will nicht leugnen, wie viel noch zu tun ist, aber wir überraschen uns immer wieder damit, wie viel wir schon geschafft haben.“
Jeannette Garcia, Senior Research Manager Quantum Applications and Software, IBM, San José

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