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Wie sieht die Medizin von morgen aus?

Am Puls der Zeit

In Sachsen-Anhalt wird die Zukunft der digital unterstützten Patientenversorgung erforscht. In dem Bundesland mit den meisten älteren Menschen werden neue Lösungen für die Medizin im ländlichen Raum getestet: Praxen ohne Ärzte, Pillen aus der Luft und Herz-Kreislauf-Überwachung per Tablet sind nur der Anfang.





Vom Pfleger zum Pflegeforscher: Patrick Jahn leitet das Großprojekt von Halle aus.


In ihrer Pause bieten die Pflegeroboter „Pepper“ einander die Schulter zum Anlehnen.


„Die Versorgung wird ambulanter, integrierter und digitaler.“
Patrick Jahn

/ Zwei Namen stehen auf dem Türschild: „FutureCareLab“ und „SkillsLab“. Drinnen liegt ein irritierend echt aussehender Silikonmann auf einem Krankenbett, daneben hängen Kameras, Monitore, Kopfhörer sowie VR-Brillen an Wänden und Decken. Hier, am Universitätsklinikum Halle, lernen Medizin- und Pflegestudenten für ihr Berufsleben mit allen erdenklichen analogen und digitalen Hilfsmitteln: mal mit dem Mann aus Silikon, mal mit Schauspielstudenten, die widerspenstige Patienten mimen; mal tragen die angehenden Pfleger und Ärzte VR-Brillen, um eine Leichenschau oder einen Massenunfall zu erleben, mal hantieren sie mit Emotionsrobotern, Exoskeletten, sprechenden Fotoalben oder smarten Tischen. Der Raum dient aber nicht nur Studenten. Er ist auch ein Forschungslabor, in dem Mediziner, Pfleger, Wissenschaftler, Informatiker, Ingenieure und Probanden gemeinsam medizinische Innovationen begutachten.

Der Mann, der alle Aspekte in sich verkörpert – Lehre, Forschung und praktische Versorgung – ist Patrick Jahn, 47, gelernter Krankenpfleger, Pflegewissenschaftler und Professor für Versorgungsforschung an der Universität Halle. Im FutureCareLab erklärt er seine Arbeit: „Unsere zentrale Frage lautet: Wodurch können wir auf Patienten wirken? Selbstverständlich spielen in der Pflege emotionale Nähe und Körperkontakt eine wichtige Rolle, aber das meiste passiert über Sprache: Wir erklären, beraten, ermutigen. Auch deshalb sehen wir in der Digitalisierung große Möglichkeiten für die medizinische und pflegerische Versorgung von Menschen, weil viele neue Anwendungen auch darüber funktionieren.“ Im internationalen Vergleich stehe Deutschland in dieser Hinsicht allerdings nicht gut da, die Lücke etwa zu skandinavischen Ländern sei groß.

Es gibt kaum einen besseren Ort als Halle in Sachsen-Anhalt, um daran zu arbeiten, diese Lücke zu verkleinern. Denn der demografische Wandel ist hier besonders offenkundig: In keinem Bundesland sind die Menschen im Schnitt älter, der Anteil der über 65-Jährigen liegt mit fast 28 Prozent weit über dem Durchschnitt und steigt, auch die Zahl der Pflegebedürftigen wächst überdurchschnittlich. Gleichzeitig praktizieren in dem Bundesland mit der drittkleinsten Bevölkerungsdichte immer weniger Haus- und Fachärzte – 15 von 32 Regionen gelten als „drohend unterversorgt“. Für alte, oft chronisch kranke Menschen führt das schon heute manchmal zu prekären Situationen, ob zu Hause oder im Altersheim. Und für die Jüngeren in den 40ern, 50ern oder 60ern sind das wenig verlockende Aussichten.

Doch genau darin sieht Pflegewissenschaftler Patrick Jahn die Chance, Sachsen-Anhalt als „Modellraum“ zu nutzen und zur „Blaupause“ für andere zu machen. „Was sich durch die Abwanderung junger Menschen nach der Wende noch verschärft hat“, sagt er (Sachsen-Anhalt verlor seitdem ein Viertel seiner Einwohner), „werden andere Regionen in Deutschland und in anderen Ländern ähnlich erleben.“ Denn künftig werden immer mehr alte Menschen mit hohem medizinisch-pflegerischem Bedarf in unterversorgten ländlichen Räumen leben. Nach einer Studie der Robert Bosch Stiftung von 2021 werden 2035 rund 11 000 Hausarztstellen unbesetzt und fast 40 Prozent der Landkreise unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht sein. „In Sachsen-Anhalt sind die Probleme der Zukunft schon da“, sagt Patrick Jahn. „Aber wir entwickeln hier auch Lösungen für diese Zukunft. Die Versorgung wird ambulanter, integrierter und vor allem digitaler.“

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