Klimaschutz durch digitale Transformation?

So kann es gehen

Beispiele für „grüne“ Informatik



Green Coding 1 – msg Group

Ein „mächtiger Hebel“ beim Verkleinern des CO2-Fußabdrucks könne die IT sein, meint Hans-Peter Keilhofer, Executive IT Consultant bei der msg GillardonBSM AG, die zur Ismaninger msg Group gehört. Das fängt für ihn bei simplen organisatorischen Änderungen an: Ein Rechenzentrum müsse „Batch-Läufe“, also die planmäßige Verarbeitung oder Aktualisierung nicht zeitkritischer Massendaten, nicht gerade in die Abend- oder Nachtstunden legen. „Sie können um die Mittagszeit ausgeführt werden, wenn eine Nutzung von Solarenergie möglich ist.“ Keilhofer wirbt aber auch für ein Umdenken bei der Programmierung, also bei der Erstellung des Codes – und plädiert für eine Rückbesinnung auf alte Tugenden: In den Frühtagen der IT war Rechenleistung knapp und teuer, also bemühten sich die Software-Leute, schlanke Codes zu schreiben. Später eskalierte nicht nur die Leistung der Hardware, sondern auch das Volumen der Programme. Mit jeder Codezeile wächst die Stromrechnung. In der Praxis sei häufig der performanteste Code auch der, der am wenigsten Energie verbraucht, so der Experte.

Es geht aber nicht nur um Effizienzdenken bei der Formulierung der Rechenbefehle, sondern auch darum, welche Befehle die Software der Hardware überhaupt gibt. Alles, was vermeidbares Hin- und Herschieben von Daten und die Zugriffe auf die energiehungrigsten Bauteile des Rechners minimiert, spart Strom. Und: Kleinvieh macht mitunter sehr viel Mist. Wer eine App entwickelt, die von Millionen Usern intensiv genutzt wird, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, wenn er auf Wattminuten oder -sekunden achtet. In Summe vermeidet er Megawattstunden, zugleich halten die Akkus der Nutzer länger durch.

Bisher haben die Code-Autoren bestenfalls grobe Vorstellungen davon, wie viel Energie die Prozesse fressen. Keilhofers Kollege Jakob Deiner plädiert deshalb dafür, den Stromverbrauch schon während der Softwareentwicklung zu messen. Technisch ist das kein Hexenwerk. Bei Programmen, die in Java geschrieben werden, setzt msg Erweiterungen und „Agenten“ ein. Sie greifen über das Betriebssystem auf ohnehin vorhandene Teile der Hardware zu.

Green Coding 2 – GFT

Die GFT Technologies SE in Stuttgart, 1987 im Schwarzwald als Gesellschaft für Technologietransfer gegründet, gehört fast schon zum Urgestein der deutschen Softwarebranche, hat also im Laufe der Jahrzehnte kräftig zum Stromverbrauch ihrer Kundschaft beigetragen.

Dann betrat sie „Neuland in der Softwareentwicklung“ und positionierte sich als Promoter von Green Coding. Anfang 2021 stellte GFT ein Whitepaper ins Netz, das Fakten, Tipps und Denkanstöße enthält. Die Autoren plädieren für „grünere Logik, grünere Methodik, grünere Plattform“ – also dafür, beim Erstellen von Software die Ökologie in allen Phasen und auf allen Ebenen mitzudenken.

Drei konkrete Vorschläge stellen sie heraus: Software soll automatisch herunterfahren, wenn sie nicht gebraucht wird. Echtzeitverarbeitung und dynamische Inhalte (also solche, die sich selbsttätig aktualisieren) sollen nur eingesetzt werden, wenn das wirklich nötig ist. Und die Entwickler sollten ihren Fokus grundsätzlich auf die Elemente richten, die den höchsten Aufwand an Zeit und Energie verursachen.

Eine Tabelle belegt eindrucksvoll, was bereits der Einsatz der richtigen Programmiersprache ausmacht. Beim verwendeten Benchmark-Test verbrauchte die energieineffizienteste Sprache 80-mal so viel Strom wie die beste, die langsamste brauchte 83-mal so lange wie die schnellste. Und beim Speicherbedarf unterschieden sich die Extreme um den Faktor 20.

Nachhaltiges Systemhaus – Green IT

Schon 2013 haben sich die Gründer eines Systemhauses in Dortmund der „grünen“ Informationstechnik verschrieben und gleich die Firma so getauft: Green IT. Was damals eine Marktlücke war, liegt heute im Trend. „Umweltfreundliche IT-Lösungen sind gefragter denn je“, sagt Prokurist Philipp Gellhaus. Das Unternehmen versteht sich als herstellerunabhängiger Dienstleister für Informationstechnik und Bürokommunikation; dazu gehört auch digitales Dokumentenmanagement und der Einsatz von Druckern.

Das Geschäftsmodell beruht darauf, Nachhaltigkeit messbar zu machen, damit die für dieses Thema Verantwortlichen in den Kundenbetrieben etwas in der Hand haben. In der Praxis läuft die Beratung dann darauf hinaus, nicht die teuersten Drucker und möglichst viele Patronen zu verkaufen, sondern den Verbrauch von Strom, Tinte, Toner und Papier auf ein Mindestmaß zu begrenzen.

Bei Kommunikations-Hardware ist es ähnlich: Zu Green IT kommen Kunden, die ihren Mitarbeitern nicht alle zwei Jahre ein neues Diensthandy geben wollen, das technisch keinen Mehrwert bietet. Sie können „Hardware as a Service“ buchen, ein Mietkonzept, bei dem defekte Geräte repariert und ältere, die noch gut sind, „refurbished“, also runderneuert werden.

Grünes Rechenzentrum – Windcloud 4.0

Auf dem GreenTec Campus im nordfriesischen Enge-Sande hat das 2018 gegründete Start-up Windcloud 4.0 ein Rechenzentrum gebaut, mit dem es das Ziel verfolgt, mehr CO2 zu absorbieren als auszustoßen. Wie schon der Name sagt, bezieht das Cloud- und Co-Location-Rechenzentrum seinen Grünstrom größtenteils von den in der dünn besiedelten Region reichlich vorhandenen Windrädern. In einem Treibhaus auf dem Dach der Serverfarm befindet sich außerdem eine Algenfarm. Die Abwärme der Computer fördert so das Wachstum an Biomasse, die der Luft Kohlendioxid entzieht.

Auf einem ehemaligen Militärgelände in Bramstedtlund will Windcloud 4.0 einen grünen Gewerbepark errichten. Geplant sind mehrere Rechenzentren mit unterschiedlichen Konzepten zur Nachnutzung der Abwärme, unter anderem Indoor-Farming und Fischzucht. Im Laufe der nächsten Jahre, so die ehrgeizigen Pläne, soll entlang der Nordseeküste sogar ein ganzes „digital-industrielles Ökosystem“ entstehen.