Alles, außer Lügen
Japanische Unternehmen galten lange als Vorbild für straffe Hierarchien, Null-Fehler-Toleranz und optimierte Produktionsketten. Beim Tokioter Softwareentwickler Cybozu sucht man all das vergeblich – und findet stattdessen eine Organisation, die auf Selbstverantwortung und alte japanische Prinzipien setzt.
/ An Ausdrucksformen mangelt es Japanern nicht. Neben den beiden Silbenschriften Hiragana und Katakana gibt es auch noch Kanji, eine Sammlung zig Tausender aus dem Chinesischen übernommener Schriftzeichen, von denen jedes einzelne ein Wort darstellt, das jedoch erst in der Kombination mit anderen und durch die richtige Auslegung seinen Sinn erhält: Kanji eignen sich hervorragend, um komplexe Philosophien in einem einzigen Begriff zusammenzufassen. Zum Beispiel „Koumeiseidai“. Das Wort beschreibt die japanischen Prinzipien guter Teamarbeit und setzt sich aus vier Zeichen zusammen: öffentlich , klar , ehrlich und laut .
Yoshihisa Aono hat die vier Kanji zu seiner Unternehmensphilosophie gemacht. Aono, 51, ist CEO des Softwareherstellers Cybozu. 1997 von ihm und zwei Freunden in einer Mietwohnung gegründet, wurde das Unternehmen nur vier Jahre und sieben Monate später in die zweite Sektion der Tokioter Börse aufgenommen. Doch nach dem rasanten Erfolg der ersten Jahre schlidderte die Firma in eine Krise. Die Mitarbeiter kündigten in Scharen, Aono suchte nach neuen Wegen für seine Organisation – und landete bei dem alten japanischen Prinzip des Koumeiseidai. Er baute die Firma konsequent um, heute gilt Cybozu als eine der wenigen „teal“-Unternehmungen in Japan.