Im Westen nichts Neues

Die Ziegel der amerikanischen Firma Ludowici Roof Tile gelten als die besten der Branche. Was kaum einer weiß: Die Wurzeln des Unternehmens führen bis ins rund 6800 Kilometer entfernte Jockgrim. Gründer und Namensgeber des Qualitätsführers, der heute die ganze Welt beliefert, war ein Unternehmer aus der Südpfalz. Das Geschäft in den USA floriert, in der alten Heimat wurde der letzte Ziegelofen 1972 abgeschaltet.




Um sie zu finden, ist eine gehörige Portion Pfadfindertalent vonnöten. In der Mitte Ohios, rund 160 Meilen von Pittsburgh entfernt, im Distrikt Perry County, geht es im 5000-Einwohnerstädchen New Lexington eine Weile an Holzhäusern die Hauptstraße entlang, dann führt ein kurviger Weg den Hügel hinauf und durch den Wald in ein kleines Tal. Dort landet der Besucher irgendwann vor den alten Backsteingebäuden mit dem verrußten Schornstein, Baujahr 1906. Die Fenster sind beinahe blind, der Boden ist matschig und wird von verrosteten Gleisen zerschnitten. Das soll das Werksgelände sein? Die Geburtsstätte jener Dachziegel, die Weltruf genießen? Der Anblick des museumsreifen Gebäude-Ensembles lässt ernste Zweifel an der Adresse aufkommen. Lediglich der Parkplatz deutet die Wahrheit an: Kreuz und quer ist ein gutes Dutzend der modernsten Pick-up-Trucks abgestellt. Hier wird offensichtlich anständig verdient.

Mike Burns ist einer der Arbeiter, die jeden Morgen mit dem Jeep vorfahren. Er trägt die Haare vorn kurz und hinten lang, und wenn er sich morgens anzieht, hat er die Wahl zwischen schwarzen TShirts, die entweder einen Adler oder eine Harley-Davidson zeigen. Burns sieht aus wie die meisten Männer hier.

Der 45-Jährige steht seit 29 Jahren an der Werkbank bei Ludowici, und das gern: "Ich nehme mir einen großen Klumpen feuchten Ton, und dann forme ich das spezielle Teil für ein Dach, das der Kunde bestellt hat." Mike ist kein großer Redner. Aber die Zufriedenheit, mit der er den Satz brummelt, lässt Stolz erkennen. Diese Art Handarbeit wird nur noch hier gepflegt, die Ziegel aus New Lexington gelten als unübertroffen in ihrer Qualität. Weltweit.

Wenn man Mike oder seine Kollegen nach dem Ursprung dieser glorreichen Tradition befragt, erhält man viele Antworten, und alle sind falsch. Einige vermuten, dass die Firma von einem Polen in Ohio gegründet wurde. Andere spekulieren, es könne sich um Italiener handeln, weil der Name so südländisch klingt. Dass ein gleichnamiges Ziegelunternehmen aus der Südpfalz ab Mitte des 19. Jahrhunderts Pionierarbeit leistete, von der die Herstellung in Ohio noch heute profitiert, hat hier noch niemand gehört. Selbst die offizielle Darstellung auf der Website von Ludowici Roof Tile verschweigt die deutschen Wurzeln.

Dabei fing dort vor rund 150 Jahren alles an. Die Geschichte der Familie Ludowici und ihrer Fabriken ist die Geschichte von der plötzlichen Evolution eines Produktes, das die Menschen erstmals vor 7000 Jahren im mittleren Osten und in China herstellten. Sie erzählt von einem pfiffigen Unternehmer, den zu viele gute Ideen vom Kurs abbrachten, und von einem französischen Manager in Ohio, der die Herzen seiner amerikanischen Mitarbeiter gewann. Vor allem aber erzählt die Geschichte davon, wie ein Unternehmen mit deutschen Produktionsmethoden aus der Urzeit der Industrialisierung im Jahr 2007 in Amerika profitabel arbeiten kann.

Kulturschock in Ohio

Heute führt Tab Colbert durch den Betrieb; sein Chef, General Manager Guillaume Latil, urlaubt derzeit in der Provence. "Damit müssen wir leben", sagt Colbert, ein Zwei-Meter-Mann im Freizeit-Outfit, der mehr lacht, als er redet. "Seit die Franzosen uns gekauft haben, verschwindet der Boss im August in den Urlaub. Auch in der Zentrale in Paris kann einen Monat lang keine wichtige Entscheidung getroffen werden." Für einen Amerikaner, der nur selten seinen Jahresurlaub von zehn Werktagen ausschöpft, sind die französischen Gewohnheiten obszön.

Doch eine Alternative gab es nicht: Die amerikanischen Manager des Vorbesitzers Certainteed, ein US-Baustoff-Multi, hatten die Firma 16 Jahre lang heruntergewirtschaftet, weil sie aus Ludowici einen Massenhersteller machen wollten. Die Strategie, weniger Qualität - mehr Profit, ging nicht auf. Es hat nicht viel gefehlt, und die Fabrik - wichtigster Arbeitgeber der Region - hätte nach fast hundert Jahren schließen müssen.

Dann, im Herbst 2005, kamen die neuen Besitzer, und der Kulturschock war, mon dieu. Tab Colbert lacht. Zwei ausgedehnte Sommerferien später haben die Gesandten von Terreal den Laden gedreht, und Colbert schwärmt von den Methoden der Franzosen: "Sie haben ein Gespür bewiesen für unsere Stärken. Diese Leute verstehen, wie man Produkte für eine gehobene Zielgruppe verkauft. Wir müssen unsere Tradition vermarkten, das heißt mit höchster Qualität werben."

Statt die altmodische Produktion zu rationalisieren, investierte Terreal, die Nummer eins der Branche in Fankreich, in die arbeitsaufwendige Handfertigung und ins Design. Kein einziger Mitarbeiter verlor seinen Job - und Ludowici erzielte nach nur einem Jahr Gewinne. Zur strahlenden ersten Bilanz hat auch der Bau-Boom am Golf von Mexiko beigetragen, ausgelöst durch Hurrikan Katrina, der Tausende von Dächern abgedeckt hatte. Inzwischen läuft das Geschäft wieder normal - und die gut 200 Mitarbeiter von Ludowici Roof Tile müssen dennoch bis zu 20 Überstunden pro Woche machen, um die Aufträge abzuarbeiten. Dabei sind die Maßanfertigungen aus New Lexington - inklusive 75-Jahre-Geld-zurück-Garantie - bis zu 20-mal teurer als Produkte der Konkurrenz.

Der Unterschied liegt im Detail. Der Arbeiter Bill zum Beispiel hat seit gut einem Jahr die Aufgabe, auf die Unterseite jedes maßgefertigten Ziegels per Hand das Ludowici-Logo zu stempeln. Macht das Sinn? "Wenn jemand in hundert Jahren sein Dach abdeckt, weiß er, von wem die Ziegel sind, und kann bei uns Ersatz bestellen", sagt Bill. Oder Andrew in seinem kleinen Labor: Er taucht Ziegel in Eimer, um zu prüfen, wie viel Wasser der Ton absorbiert - ein wichtiges Kriterium für die Qualität eines Ziegels. Das durchschnittliche Produkt zieht etwa sechs Prozent Wasser. Ludowici-Ziegel liegen bei einem Prozent - die Franzosen wollen diesen Wert halbieren.

Die neuen Chefs aus Paris haben auch seltsame Dinge gefordert. Als sie beispielsweise erfuhren, dass unter dem Gras rund ums Fabrikgelände meterweise alte Ziegeltrümmer lagern, ließen sie die Gegend aufbuddeln. Die besten Fundstücke kommen jetzt ins Archiv, und ihre Formen und Farben dienen den Designern als Inspirationsquelle. Die Abteilung ist von so entscheidender Bedeutung fürs Unternehmen, dass hier ausschließlich die besten Keramik-Ingenieure der Spezial-Universität in Alfred, New York, beschäftigt werden.

Gründung in der Südpfalz

Auf der Website beginnt die offizielle Firmengeschichte von Ludowici Roof Tile im Jahr 1906, als das Unternehmen nach einer Reihe von Firmenkäufen eine Ziegelsteinfabrik in New Lexington erwarb und dort anfing, Dachziegel zu brennen. Das stimmt zwar, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Die eigentliche Gründungsgeschichte reicht noch ein paar Jahre weiter zurück, nach Deutschland, genauer: in die Südpfalz.

Schon während der 1880er Jahre hatte dort ein gewisser Wilhelm Ludowici, Ziegelunternehmer aus Jockgrim, erkannt, dass sich sein Betrieb auf eine neue Epoche vorbereiten musste. Die Dachziegelindustrie war dabei, global zu werden, und Wilhelm Ludowici wollte die Entwicklung auf keinen Fall verschlafen. Sein Bruder Karl sollte deshalb eine Fabrik auf einem fernen Kontinent aufbauen, im boomenden Billiglohnland Amerika. So könnten die nach dem Vater benannten "Carl Ludowici Falzziegelwerke" einen lukrativen Markt erschließen und vielleicht sogar günstig für Europa produzieren.

Am 10. Februar 1893 gründete der damals 29-jährige Karl die "Ludowici Roof Tile Company" in Chicago. Mit repräsentativer Büro-Adresse an der Michigan Avenue und der ersten Fabrik im Vorort Chicago Heights. Die Firma expandierte mit Werken in Illinois, Kansas, New York und Georgia so schnell, dass die Wettbewerbsbehörde Ludowici 1926 verbot, neue Fabriken zu bauen oder zu kaufen - die Verfügung sollte sich bis 2004 halten.

Nachdem die Werke in New York und Illinois abbrannten, konsolidierte die Firma ihre Produktion in Ohio. Die erfolgreichste Phase genoss die Roof Tile Company während des Booms kurz vor dem Zweiten Weltkrieg: Damals waren 500 Menschen in New Lexington beschäftigt. Dann kam der Krieg, die Baukonjunktur brach ein, die Arbeiter mussten an die Front. Ihre Frauen töpferten in den Werkhallen bis 1945 Teller und Vasen.

Die politischen Entwicklungen jener Zeit sorgten auch dafür, dass die Verbindung zwischen Ohio und Jockgrim in Vergessenheit geriet. Noch während der dreißiger Jahre pflegte Johann Wilhelm Ludowici, der Enkel des Firmengründers, enge Kontakte mit den Amerikanern. Kurz vor Ausbruch des Kriegs taucht der Name Ludowici nicht einmal mehr in den Mitarbeiterlisten der Roof Tile Company auf. Eine deutsche Herkunft war seinerzeit in den USA noch unpopulärer als 2005 ein französischer Chef in Ohio.

Die hohe Kunst des Ziegelbaus jedoch lebte weiter - auf beiden Kontinenten. Aber während sich die Philosophie, mit erlesenen Rohstoffen und höchster Sorgfalt beste Produkte herzustellen, für die Amerikaner heute auszahlt, führte sie das Werk in der Südpfalz schon vor Jahrzehnten in den Ruin.

Im deutschen Wiederaufbau waren billigste Werkstoffe gefragt. Die Menschen wollten sparen - und modern sein: Wer ein Haus baute, nutzte Fertigbauteile aus Beton oder orderte Flachdächer. Der Abstieg begann. Als Ende der sechziger Jahre die Tonvorkommen in der Region ausgeschöpft waren und 1972 ein Brandstifter große Teile des Werks zerstörte, waren die Anlagen bereits veraltet, die Kunden längst abgesprungen. In jenem Jahr wurde der letzte Ziegelofen in Jockgrim abgeschaltet.

Vom einstigen Stammwerk stehen nur noch wenige Gebäude: eine Lagerhalle mit zerborstenen Scheiben; eine weitere, die zu einem Apartmenthaus umgewandelt wurde; in die ehemalige Brennerei ist die Gemeindeverwaltung eingezogen. In einem kleinen Büro im Keller eines Wohnhauses am Rande von Jockgrim hat heute die Carl Ludowici GmbH ihren Sitz. Ein Schreibtisch, ein Telefon, ein Computer, eine Kaffeemaschine.

Abwicklung in Jockgrim

Rieke Ludowici-Wissing, 38, fünfte Ludowici-Generation, wickelt ab. "Ich bin damit beschäftigt, für einen geordneten Rückzug der Familie aus Jockgrim zu sorgen", sagt sie. "Niemand von uns wohnt mehr hier, auch ich werde nicht zurückkommen." Fünf Hektar mitten im Ortskern, das ehemalige Werksgelände, stehen zum Verkauf. Dieses Geschäft ist die einzige Aufgabe der Carl Ludowici GmbH.

Es sind fünf Hektar Bauland. Nach der Einstellung der "Förderungsgesellschaft für Montagebau", ein Überbleibsel aus den goldenen Ziegel-Zeiten, die 1996 ihren Betrieb einstellte und 60 Mitarbeiter arbeitslos machte, widmete die Gemeinde das Gelände um. "Damals hieß es, wir setzten unsere Leute auf die Straße und machten einen Reibach mit dem Grundstück", sagt Rieke Ludowici-Wissing mit bitterem Unterton. "Aber was sollten wir denn machen? Das Land verkommen lassen?" Drei Jahre lang kümmerte sie sich um die Altlastensanierung, dann bot sie das Land parzellenweise an. Entlang der Bahngleise, wo einst mehr als tausend Menschen Ziegel brannten, entstand ein gesichtsloses Neubaugebiet mit Supermärkten und Arztpraxen. Fast scheint es, als wolle Jockgrim alle Erinnerungen an die Ludowicis tilgen. Aber nur fast.

Willi Kuhn, Baustoffunternehmer und Präsident der Industrie- und Handelskammer der Pfalz, der noch mit Johann Wilhelm Ludowici befreundet war, setzt sich persönlich für den Erhalt des Erbes ein. 1979 erwarb er das ehemalige Familien-Anwesen und sanierte die prunkvolle Villa originalgetreu. Besonders eindrucksvoll glänzt das Dach in der Sonne mit seinen grünen, roten und braunen Ziegeln. Auch Kuhns Loyalität gilt der alten Unternehmerfamilie: "Man hat die Ludowicis hier am Ende unfair behandelt. Weil sie immer mehr Leute entlassen mussten, wiegelten ein paar Männer die Dorfgemeinschaft auf. Darunter haben Johann Wilhelm und seine Kinder gelitten." Vorbei. Und vielleicht auch irgendwann vergessen.

Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen. Die Erfolgsgeschichte begann, als Carl Ludowici 1861 bei Ludwigshafen eine Ziegelbrennerei kaufte, um die schnell wachsenden Städte entlang des Rheins zu beliefern. Seine beiden Söhne halfen: Karl kümmerte sich um die kaufmännischen Angelegenheiten, Wilhelm, der kreativere der beiden, entwickelte neue Produkte. Am 7. Mai 1881 meldete er ein Patent an, das die Dachziegelindustrie für immer verändern sollte: Der Ludowici-Falzziegel Z1 ist der Prototyp aller Ziegel, die heute hergestellt werden. Der Z1 vereinfachte Produktion, Transport, Montage und steigerte außerdem die Haltbarkeit der Dächer.

Wachstum und Niedergang in Deutschland

Wilhelm war es auch, der früh die Wachstumschance im Ausland erkannte. Den Bruder ins ferne Amerika zu schicken, um eine neue Fabrik zu bauen, war eine kluge Idee - und doch der Anfang vom Ende. Ab 1881 wuchsen die Ziegelwerke rapide, und weil der Ton in Ludwigshafen knapp wurde, gründete die Familie ein Werk, wo der Rohstoff reichlich vorhanden war: Jockgrim erwies sich als günstiger Standort, das Unternehmen prosperierte, 1935 produzierten die Fabriken täglich 100 000 Ziegel und belieferten große Teile Europas. Das olympische Dorf in Berlin, die Frauenkirche in München, Bahnhöfe, Schulen und Behörden von Kopenhagen bis Mailand trugen Ludowici-Ziegel.

Inzwischen leitete Johann Wilhelm, Sohn des Z1-Erfinders Wilhelm Ludowici, die Geschäfte. Er geriet ganz nach dem Vater: Der Pfälzer war gesegnet mit einem unermüdlichen Erfindertalent, allein 163 Patente sind mit seinem Namen verknüpft, kaum eine andere deutsche Privatperson meldete im 20. Jahrhundert mehr Erfindungen an als er. Woran es ihm mangelte, war die Lust und wohl auch der Sinn fürs operative Geschäft, und das sollte ihm zum Verhängnis werden.

Johann Wilhelm konzentrierte sich aufs Erfinden. Er erdachte die Hubscherenbühne, die Plattenbautechnik, die Hänge-Tragetasche, Klappmöbel - sie brachten anderen Firmen Jahrzehnte später Millionenumsätze ein. Auch eine Reihe von misslungenen Konzepten gehen auf den Tüftler zurück, allein mit seinem Kugelhaus aus Aluminium oder dem Karussell-Ofen versenkte er Unsummen. Und er vernachlässigte sein Unternehmen. Das war schon in den Wachstumsjahren schwierig, nach 1939 erwies es sich als fatal. Der schleichende Abstieg begann.

Am 14. Februar 1945 zerstörten US-Bomber die Fabriken in Jockgrim nahezu total. Von diesem Schlag hat sich das Unternehmen nie wieder richtig erholt - Johann Wilhelm Ludowicis Geschäftssinn war nach dem Krieg kaum besser als zuvor. Für Sohn Helmo, der das Unternehmen 1968 übernahm, war die Lage aussichtslos. Die Anlagen waren veraltet, die Konkurrenz erwies sich als übermächtig. Um Schulden zu bezahlen, verkaufte Helmo den Park mitsamt der beeindruckenden Villa. Nicht einmal die alten Fabrikgebäude blieben erhalten, sie fielen Anfang der siebziger Jahre einer Reihe von Brandstiftungen zum Opfer.

Turnaround in den USA

In ihrem Inneren muss es dort ausgesehen haben wie heute in Ohio. Der Gang durch die Fabrik der Ludowici Roof Tile Company fühlt sich an wie eine Zeitreise zur Jahrhundertwendezeit. Alte Fotos zeigen Menschen, die an Werkbänken stehen und liebevoll per Hand Dachkronen oder Fresken modellieren - genau so wird bis heute in New Lexington gearbeitet. "Architekten und Bauherren fragen uns oft, warum unsere Ziegel so teuer sind", sagt Tab Colbert. "Dann laden wir sie ein und führen sie durchs Werk, und hinterher stellen sie keine Fragen mehr. Sie bestellen."

Die wichtigste Zutat, der Ton, ist vor Ort ausreichend in bester Qualität vorhanden. Ein Jahr lang wird er unter freiem Himmel gelagert, bis er die richtige Feuchtigkeit angenommen hat. Chemiker mischen ihm eine geheime Zutaten-Kombination bei und vermengen ihn anschließend mit Wasser. Das Rohmaterial bringen Arbeiter mit einer Handpresse in Form. Später werden die Ziegel einen Tag lang bei mehr als 1000 Grad gebrannt, erst dann sind die Ludowici-Ziegel fertig. Mindestens 60 unterschiedliche Modelle kann die Fabrik liefern - und eine unbegrenzte Zahl an Sonderanfertigungen.

Die Kundschaft aus aller Welt weiß Qualität und Produktpalette inzwischen wieder zu schätzen. Aber Tab Colbert ist lange genug dabei, um sagen zu können, dass es auch Glück und der unerschütterliche Kampfgeist seiner Vorgänger gewesen seien, die den Betrieb vor dem Untergang bewahrten. Und dann natürlich die Franzosen. Sie bringen dem Unternehmen jetzt bei, sich auf seine Wurzeln zu besinnen. Und sie verstehen nicht nur ihr Handwerk, sondern auch eine Menge davon, wie man Tradition glamourös inszeniert.

Im September eröffneten sie in einem alten Pferdestall am Rande des Fabrikgeländes die Ideenfabrik, ihre "Factory Of Ideas". In dem luxuriösen Raum servieren Hostessen den Kunden die gewünschten Modelle zur Ansicht. Dazu reichen sie Häppchen, ein Glas Champagner. Demnächst soll ein kleines Gästehaus eingerichtet werden, damit Besucher in aller Ruhe die Landschaft, das Werk und das Werden ihrer Produkte bestaunen können. Als die Arbeiter das Dach des Stalls erneuern wollten, prüften sie, wie viel Wasser die hundert Jahre alten Ziegel absorbieren: 1,5 Prozent. Die Pfannen waren so gut wie neuwertig. "Unser einziger ernst zu nehmender Konkurrent sind unsere alten Dächer", sagt Colbert. "Das ist unser Dilemma: Kunden wollen etwas Neues kaufen, und dann müssen wir ihnen nicht selten erklären, dass ihre Ludowici-Ziegel von 1896 noch tadellos in Ordnung sind." Probleme wie diese wird der Franzose ganz sicher charmant lösen