Herrenhaus Edenkoben

Am Anfang stand der Traum von einem Ort der Kultur. Ihm folgte eine Odyssee aus Machen, Hoffen, Bangen, Verbünden, Schaffen, Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen, Arrangieren, Kooperieren. Am Ende steht ein Ort der Kultur. Eine Geschichte über ein Ehepaar, Verbündete, Künstler, Förderer, Bürger, Beamte, ein Herrenhaus, ein Künstlerhaus und die kleine Stadt Edenkoben, die allen Beteiligten eine Menge zu verdanken hat.




Manchmal kann ein Satz ein halbes Leben erzählen. "Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten" ist so einer. In Gips gemeißelt hängt er an der Innenhofmauer des Herrenhauses Edenkoben, einer Institution im gleichnamigen Weinstädtchen, die sich seit 20 Jahren der Kunstförderung verschrieben hat. Je nachdem, wer die sechs Wörter liest und wann, bekommen sie eine andere Bedeutung: Mal klingen sie wie eine Erinnerung, mal mahnend, dann wieder wirken sie aufmunternd, eine Durchhalteparole.

Für einen Moment: Triumph

Heute liest sich der Satz wie eine Jubelhymne. Es ist ein sonniger Julitag, das Herrenhaus feiert Sommerfest. Im Innenhof des Anwesens hocken zahlreiche Gäste auf langen Holzbänken, plaudern und essen selbst gebackenen Pflaumenkuchen. Andere sitzen auf Klappstühlen im Weinkeller oder im Garten unter großen Bäumen und lauschen den Lesungen junger Nachwuchsautoren. Im großen Saal des Haupthauses stehen auf knarrenden Dielen kleine Grüppchen vor Gemälden und Skulpturen einer gerade eröffneten Ausstellung ­ die Werke ehemaliger Stipendiaten.

Am Abend werden Musiker des weithin bekannten Freiburger Ensembles Aventure aufspielen. "Das sind die Momente, in denen ich meinen Triumph voll auskosten kann", sagt Konrad Stahl. Stahl ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Und er ist gemeinsam mit seiner Frau Bar-bara Initiator und Motor des Herrenhauses Edenkoben.

Die Stahls haben geschafft, was viele für unmöglich halten. Sie haben bewiesen, dass Hochkultur auch ohne staatliche Förderung möglich ist, selbst auf dem Land. Und sie haben gezeigt, dass die Initiative einiger weniger und eine gute Idee manchmal genügen, um viele zu motivieren und Großes zu erreichen.

Als das Ehepaar das Herrenhaus vor mehr als 20 Jahren das erste Mal besichtigt, gleicht das Gebäude einer Ruine. Inzwischen hat sich das liebevoll renovierte und verwunschene Anwesen zu einer Institution entwickelt, die den Vergleich mit anderen nicht scheuen muss. Und das seit rund zehn Jahren ohne jede staatliche Unterstützung: Das Projekt lebt durch eine seltene Symbiose aus aktiven Mitgliedern, stillen Förderern, renommierten Künstlern, die dem Haus zugetan sind, und Stipendiaten, deren Arbeit großzügige Stifter unterstützen. Eine Ausnahmeerscheinung in Deutschland, die außerdem, ganz nebenbei, den Boden bereitet hat, um das einst fast kulturfreie Edenkoben in ein Mekka der Region zu verwandeln, in dem sich heute eine ganze Reihe von Kulturveranstaltern tummeln.

Inzwischen redet Konrad Stahl gern über die vergangenen 20 Jahre. Jetzt, wo das Gröbste geschafft ist, auch wenn in Edenkoben wohl niemals wirklich Ruhe einkehren wird. Es ist wieder ein warmer Sommertag. Das Ehepaar sitzt im Garten, der Blick wandert weit über die Rheinebene bis zu den Bergen und Schlössern des Haardtgebirges. Es ist schön hier. Der wilde Wein hat sich bis an die Wände des barocken Haupthauses und seiner vielen Nebengebäude vorgearbeitet.

Abgelebte Zeit und neue Pläne

Die Stahls hängen an diesem Haus, das Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut wurde, und an seiner Geschichte. Im 19. Jahrhundert beispielsweise war hier eine erfolgreiche Weberei untergebracht. "Über Generationen entstanden in diesen Mauern feine Leinendamaste", erzählt Barbara Stahl, "auch für das bayerische Königshaus." Ludwig I., Erbauer der nahe gelegenen Villa Ludwigshöhe, soll die Weberei mehrfach besucht haben.

Diese Atmosphäre "der abgelebten Zeit" atmeten sie ein, als sie das von einer Tante geerbte Anwesen 1983 zum ersten Mal besuchten. "Da war sofort klar, hier wollen wir sein", erinnert sich die 60-jährige Schriftstellerin. Schon nach dem ersten Kennenlernen plant das Ehepaar, an dem geschichtsträchtigen Ort Ausstellungen, Lesungen und Konzerte zu organisieren und Künstlern über ein Stipendium "einen Ort zum Aufatmen zu schaffen, einen Ort für die kleine Ruhe auf Zeit".

Drei Jahre dauern die Renovierungsarbeiten, mittendrin realisieren die Stahls, dass die Schäden größer sind als erwartet. Sie machen weiter, aber es wird eng. Am Ende sind sie "dicke und im siebenstelligen Bereich" verschuldet, sagt Konrad Stahl, der in diesem Jahr 65 geworden ist.

Damals gründen sie einen Freundeskreis, der bei der Einrichtung der Wohnungen, der Ateliers und des Saals finanziell aushilft. Konrad Stahl stammt aus Speyer, er hat Freunde in der Region. Zur Gründungsveranstaltung im Frühjahr 1986 kommen 20 Personen, ein Landarzt, mit dem Stahl seit seiner Jugend befreundet ist, ein Lehrer, ein Metzgermeister, ein Rechtsanwalt und ein Lokalpolitiker, aber auch Freunde aus Dortmund, mit denen das Ehepaar einst auf Ostermärschen unterwegs war. Sie alle verbindet ihr Interesse an der Kunst. Bei Kerzenlicht tagen sie erstmals auf kargen Bänken, die Rohbauphase im Saal ist gerade abgeschlossen, die Decke hängt noch durch, der Putz an den Wänden ist feucht. Gemeinsam beschließen sie, den Traum von Edenkoben wahr zu machen.

Aber allein werden sie das nicht schaffen. Also bittet Konrad Stahl ­ als Volkswirt von Public-Privat-Partnership-Konzepten überzeugt ­ Politik und Wirtschaft um Hilfe. Die Finanzspritze, die das renovierte Haus schließlich mit Leben füllt, kommt vom rheinland-pfälzischen Kultusministerium, das Stahl mit an Bord holt. 1987 eröffnen sie gemeinsam das Stipendiaten-Haus und Kulturzentrum, damals noch unter dem Namen "Künstlerhaus Edenkoben".

Die Adresse wird unter Kulturschaffenden zu einem begehrten Aufenthaltsort: Zweimal im Jahr kommen vier Stipendiaten für je fünf Monate. Dazwischen, in den Monaten Januar und Juli, stehen die Wohnungen leer, und das Anwesen wird ein belebter Veranstaltungsort, an den es auch etablierte Künstler wie die Lyrikerin Hilde Domin oder den Schriftsteller und Büchner-Preisträger Wolfgang Hilbig zieht. Das Projekt ist ein Erfolg. Doch unter der Oberfläche brodelt es.

Verkaufen? Das künstlerische Konzept ändern? Niemals

Konrad Stahl hat diesen, nicht ganz so schönen Part der Geschichte, für sich abgehakt und will am liebsten nicht mehr darüber reden. Schon gar nicht öffentlich. Aber zwischen den Zeilen liest sich das, was damals passiert sein muss, ungefähr so: Nach einigen Jahren erfreulicher Kooperation versucht das Ministerium, das bauliche Veränderungen am Künstlerhaus plant, die Stahls zum Verkauf ihres Anwesens an die öffentliche Hand zu überreden. Für das Ehepaar undenkbar. Hinzu gesellen sich Meinungsverschiedenheiten über die künstlerische Ausrichtung. Konrad und Barbara Stahl fühlen sich aus dem Projekt hinausgedrängt, wo sie doch mit der Idee angetreten waren, gemeinsam etwas zu tun.

Mitte der neunziger Jahre droht das Ende: Zehn Jahre nach Gründung des Künstlerhauses steigt das Kultusministerium aus der Kooperation aus und bezieht nur ein paar Häuser weiter ein frisch erworbenes Anwesen, um dort unter eigener Regie nach eigenem Gusto neu zu starten. Die ehemaligen Partner nehmen den Titel der Institu-tion "Künstlerhaus Edenkoben" mit. Der Name ist etabliert. Der Lebenstraum der Stahls scheint zu scheitern. Aber vielleicht rechnet damals auch keiner damit, dass die privaten Kulturiers ohne Gelder des Ministeriums weitermachen. Doch das Ehepaar entscheidet sich für den Kampf. Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten. Der private Rückhalt ist riesig: 99 Prozent des Freundeskreises stimmen dafür, die Stahls auch künftig zu unterstützen, statt mit dem Ministerium zu ziehen. Der Traum wird umbenannt und heißt jetzt "Herrenhaus Edenkoben".

Ein eilig gegründeter "Trägerverein Herrenhaus Edenkoben e.V." führt die Kulturstätte unter privater Trägerschaft weiter. Er ist für die Bereitstellung des Anwesens als Künstlerhaus sowie die Vergabe von Stipendien verantwortlich. Viele Freunde helfen mit großzügigen Spenden. Bekannte Musiker wie der Cellist Martin Ostertag geben Benefizkonzerte, Literaten wie Arnold Stadler und Peter Kurzeck lesen ohne Gage. Ein langjähriger Unterstützer der Stahls schafft einen Kontakt zur Kulturstiftung der Deutschen Bank, die daraufhin einige Jahre lang die Kompositionsstipendien finanziert. "Das war zwar nur ein Drittel dessen, was wir zum Überleben brauchten", resümiert Konrad Stahl, "doch es war ein wichtiges Signal in Richtung Wirtschaft, dass wir keine unseriösen Leute sind."

Andere Sponsoren ziehen nach. Das Gros der Stiftungsgelder wird jedoch noch immer von Privatleuten und Mitgliedern des Freundeskreises aufgebracht, 30 Prozent fließen aus wirtschaftsnahen Stiftungen auf das Konto, rund 15 Prozent werden direkt von Unternehmen beigesteuert.

Verantwortung übernehmen ist schöner als Segeln

Ohne die finanziellen Förderer gäbe es das Herrenhaus heute nicht mehr, doch genauso wichtig für den Fortbestand der Initiative sind Menschen wie Dieter Sauer. Der 65-Jährige ist Geschäftsführer des Kulturbetriebs. Er organisiert, bereitet Veranstaltungen vor, macht die Buchhaltung und hält die Unterlagen für das Finanzamt in Ordnung. Seit 1995 ist er dabei, zwei Jahre zuvor war er, damals 51 Jahre alt, in Frührente gegangen, nach 31 Jahren als Berufssoldat. Zuerst füllte Sauer die berufliche Lücke mit Segeln. Doch "zu viel Alkohol und das immer gleiche Geschwätz in jedem Mittelmeer-Hafen, das war es dann doch nicht."

Dieter Sauer stößt zufällig auf das Herrenhaus und macht sein Kunstinteresse zur "Lieblingsbeschäftigung". Zwei- bis dreimal in der Woche kommt er seither vormittags in die Künstleroase. Ehrenamtlich. "Es fühlt sich gut an, kulturelle und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen."

Passive Mitglieder gibt es nicht

So wie Sauer denken auch andere, das Herrenhaus hat nur eine bezahlte Arbeitskraft, die offiziell halbtags angestellt ist und auch so bezahlt wird, die aber freiwillig den ganzen Tag arbeitet, wie Konrad Stahl erzählt. Um alle anderen Aufgaben, und das sind viele, kümmern sich ehrenamtliche Helfer.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Freundeskreis-Mitglieder nahezu verdoppelt ­ unter den 350 Personen ist kaum eine, auf die der Begriff passives Mitglied zutreffen würde. Die Liste liest sich wie ein Querschnitt durch die deutsche Bevölkerung: Winzermeister sind darunter, eine Gymnasiallehrerin, Psychologen, ein Elektrohändler, eine Arzthelferin, ein Tonmeister, eine Studentin. Rund 70 Prozent von ihnen kommen aus der Südpfalz, der Rest aus nahen Städten, ein paar haben eine Adresse in München, Berlin oder auch im Ausland angegeben. Jeder zahlt mindestens einen Jahresbeitrag von 20 Euro, die meisten überweisen jedoch 100, einige mehr als 10000 Euro. Eine Spenderin schießt regelmäßig 20000 Euro zu.

Das Geld fließt in die Stipendien. Zweimal jährlich berufen renommierte Kunstschaffende vier Stipendiaten aus den Bereichen Bildhauerei, Literatur, Malerei und Musik und begleiten sie als Mentoren. Die angehenden Künstler erhalten 900 Euro Unterstützung im Monat, wohnen kostenfrei, können ein Atelier benutzen und am Ende ihres Aufenthalts vor großem Publikum ihre Arbeiten präsentieren.

Zuschauer und Gäste gibt es oft im Herrenhaus Edenkoben. Der Freundeskreis organisiert im Laufe des Jahres rund 15 Lesungen und Konzerte ­ und auch die Künstler arbeiten quasi ehrenamtlich. Bis heute treten berühmte Sänger wie der Bariton Andreas Schmidt oder die Sopranistin Christiane Oelze, die anderswo leicht auf fünfstellige Beträge pro Konzert kommen, in der Südpfalz ohne Gage auf. "Es gehört zum guten Ton, honorarfrei nach Edenkoben zu kommen", glaubt Barbara Stahl. Und es gehört zum Stil des Hauses, daran vor allem jene teilhaben zu lassen, für die ein Klasse-Konzert sonst unerschwinglich wäre. Mit ein wenig Glück kann der Gast im Herrenhaus auch bei Star-Besetzung eine Karte für weniger als 20 Euro ergattern.

Die Avantgarde kommt durch die Hintertür

Noch reisen die meisten Besucher der Region aus Landau, Neustadt, Karlsruhe oder Mannheim an. Nur etwa zehn Edenkobener kommen regelmäßig zu den häufig experimentellen Veranstaltungen. Und doch versucht man im Herrenhaus alles, um die rund 7000 Einwohner der Gemeinde für Kunst zu begeistern.

Zweimal im Jahr stehen Konzertabende mit "massenwirksamen Stücken" auf dem Programm. Im Herbst wird es ein Streichquartett geben, Schubert und Mozart, dann werden alle 120 Plätze im Saal belegt sein, da ist Konrad Stahl sicher. Er hofft: "Wenn die Leute erst einmal hier waren, bekommen sie vielleicht auch Lust auf etwas Sperriges. An zeitgenössische Musik muss man herangeführt werden."

Um das zu schaffen, bedienen sich die Veranstalter einer kleinen List und lassen die Komponisten ihre experimentellsten Stücke im Konzert stets kurz vor der Pause spielen. Das bietet genügend Raum für ausführliche Diskussionen mit dem Publikum. Nicht selten geht es nach der Pause dann mit einer Wiederholung weiter ­ und statt ratloser Blicke gibt es Applaus.

In Momenten wie diesen weiß Stahl, dass es sich lohnt. Das Ringen um ein wachsendes Kunstverständnis und das Ringen um Geld. Denn sicher fühlen können sich Familie und Freunde noch lange nicht. Auch wenn die Stahls bewiesen haben, dass ihr Projekt grundsätzlich ohne öffentliche Gelder überleben kann ­ ob die Mittel auch für das jeweils kommende Jahr reichen werden, wissen sie nie. Planungssicherheit ist im Herrenhaus ein schwieriges Wort.

Für das gesamte Programm kalkuliert Konrad Stahl mit einem Jahresbudget von rund 90000 Euro. "Das ist relativ wenig", weiß der Volkswirt, "die da oben haben rund das Fünffache zur Verfügung." Die da oben, die sind das Künstlerhaus, die ehemaligen Partner, mit denen das Herrenhaus Edenkoben inzwischen eine erstaunlich friedliche Koexistenz pflegt.

Streit? Welcher Streit?

Der dortige Geschäftsführer Ingo Wilhelm nennt das Verhältnis ein "friedliches und schönes Nebeneinander", mitunter kooperierten beide Häuser inzwischen sogar. "Wenn wir keinen Platz für Künstler haben, schicken wir sie zu den Nachbarn. Und umgekehrt." Über die Trennung vor zehn Jahren mag auch Wilhelm heute nicht mehr reden. Alte Kamellen, Schwamm drüber.

Den Hinweis auf das Jahresbudget allerdings, den kann er durchaus bestätigen. Das Künstlerhaus, das inzwischen bei der Stiftung des Landes Rheinland-Pfalz für Kultur angesiedelt ist, kann jedes Jahr über einen Etat von 460000 Euro verfügen. Ingo Wilhelm, Diplom-Verwaltungswirt und seit mehreren Jahrzehnten Beamter, besetzt eine von drei bezahlten Planstellen. Und anders als das Herrenhaus, hat sich das Künstlerhaus nicht auf zeitgenössische Musik, sondern auf die Förderung von Schriftstellern konzentriert.

In allem anderen sind sich die beiden Kultureinrichtungen recht ähnlich. Auch das Künstlerhaus fördert Stipendiaten, mehr als die Nachbarn und mit 1050 Euro monatlich um 350 Euro üppiger als die Kollegen. Auch der 62-jährige Wilhelm lockt in sein Künstlerhaus kaum Zuhörer aus Edenkoben. Und auch bei ihm hält sich das Interesse außerhalb der Region ­ neben einer hohen Akzeptanz in der gut informierten Künstlerszene ­ in Grenzen.

Wilhelm geht mit seinen Stipendiaten deshalb regelmäßig auf Tournee. Wenn die Leute nicht zur Kunst kommen, muss die Kunst eben zu den Leuten: Wer im Künstlerhaus wachsen durfte, liest anschließend in Berlin oder München aus seinen Edenkobener Werken. Daneben versucht die Kulturstätte, über zahlreiche Publikationen überregional Aufmerksamkeit zu erregen.

Die Stadt merkt: Hier geht was

Manchmal werben Herrenhaus und Künstlerhaus am selben Tag um das spärliche Publikum aus der Region. Ob das Land nicht auch schon über einen anderen Standort nachgedacht habe? "Ach was", sagt Ingo Wilhelm, "ein wenig Wettbewerb belebt doch das Geschäft." Zwischen August und Dezember lädt er deshalb alle 14 Tage zu Sonntagsmatineen, sechsmal im Jahr stellen sich Stipendiaten in Lesungen und Gesprächen vor.

Es stimmt, Beamte und Bürgervertreter in Sachen Kunst und Kultur haben sich in Edenkoben arrangiert ­ und sie haben gemeinsam dafür gesorgt, dass sich eine bis dahin fremde Szene vor Ort etabliert. Vor 20 Jahren gab es im Städtchen eine einzige kleine Galerie. Heute hat sich um Herrenhaus und Künstlerhaus herum eine "wahre Kulturmeile" entwickelt.

Die Stadt holt seit einigen Jahren immer häufiger Kabarettisten, Jazzmusiker oder Schriftsteller nach Edenkoben. Weingüter werben inzwischen mit Konzerten um Kunden. Und ein vor sechs Jahren gegründeter Kulturverein koordiniert heute sämtliche Termine der unterschiedlichen Veranstalter ­ mit demselben Engagement, das auch die Vorreiter umtreibt. Allen Gewalten zum Trotz: "Edenkoben will nicht mehr nur als Weinort wahrgenommen werden", sagt Dieter Beiersdorf, der Vorsitzende des neuen Vereins. "Edenkoben will mehr sein, ein Ort der Kultur."