Im Großen und Ganzen gut

Von der Frauenkirche bis zum Flughafen ­ die Architekten und Ingenieure der Dresdner Planungsgesellschaft Ipro laden sich gern richtig was auf. Denn sie wissen, was sie können. Und Erfolg zahlt sich direkt für sie aus.




Wenn man sich einen Tag lang bei der Ipro aufgehalten hat und anschließend die Gespräche Revue passieren lässt, muss man schmunzeln. Hatte da nicht ein leitender Architekt beim Thema Komplexität einfließen lassen, seine Kollegen von der Gebäudeausrüstung seien auf ihrem Gebiet zwar ganz hervorragend, aber am Ende "eben nur Techniker"? Und kam nicht von deren Seite die Bemerkung, dass die technischen Belange in modernen Bauten derart kompliziert geworden seien, dass sie "ein Architekt oftmals kaum noch nachvollziehen" könne? Kleine Frotzeleien zwischen den Abteilungen, die der Chef natürlich kennt ­ und sie ebenfalls mit Humor kommentiert, nur noch eine Spur subtiler. "Alles Individualisten", seine Führungskräfte. Die gelte es so zusammenzuführen, dass sie "eine gewisse" Kompromiss- und Teamfähigkeit an den Tag legten.

Jetzt könnte man meinen, eine solche Firma müsse ein wackeliges Gebäude sein. Falsch gedacht: Die Dresdner "Planungs- und Ingenieuraktiengesellschaft" steht auf einem Fundament aus sechs Jahrzehnten Erfahrung; und gerade das Zusammenspiel der unterschiedlichsten Charaktere und Kompetenzen macht anscheinend die besondere Statik des Unternehmens aus. Man fordert sich gegenseitig. Und gleichzeitig muss jeder Mitarbeiter eine Haltung verinnerlicht haben, die Ipro als Firmenmotto ausgibt: "Das Ganze sehen".

In welcher Vielfalt dieses Konzept trägt, zeigt ein Blick in die Referenz-Liste. Das Kundenzentrum eines Wasserwerkes in der Lausitz oder eine Fabrik für Silizium-Dünnschichtmodule gehören genauso zum Spektrum wie die Umwandlung von Bergbau-Löchern in Seenlandschaften oder die Straßenplanung für ein Wohngebiet in Abu Dhabi. Daneben haben zahllose Menschen die Leistung des Unternehmens bewundert, ohne vielleicht jemals den Namen Ipro gehört zu haben. Denn auch den spektakulären Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche haben die Lokalmatadoren aus der Südvorstadt als Planer gewuppt.

Um Wiederaufbau ging es schon bei der Gründung der Firma 1949. "Alles war ja kaputt, und die Aufgabe lautete, die Industrie wieder in Gang zu bringen ­ daher das Kürzel Ipro, für Industrieprojektierung", sagt der Vorstandsvorsitzende Claus Petraschk, 52. Der Dresdner kam bereits als 16-Jähriger zur Ipro, machte dort (wie in der DDR möglich) neben der Abiturvorbereitung eine Zimmermannslehre und ging später zum Studieren in die Ukraine. Im Wendejahr 1989 ­ die Ipro hatte damals mehr als 800 Mitarbeiter ­ war Petraschk längst zum Direktor für Ökonomie aufgestiegen und begriff seine Aufgabe darin, das Unternehmen heil in die Marktwirtschaft hinüberzuretten. "Ich habe sehr früh die Umwandlung in eine GmbH vorangetrieben, sodass wir schon zu Zeiten der Treuhand nicht mehr Teil des Kombinats waren und von Zerstü-ckelung verschont blieben."

Als Partner bei der Privatisierung wurde das hessische Beratungsunternehmen Lahmeyer International gewonnen. Fast zehn Jahre blieb die Ipro im Konzernverbund, bevor man sich Ende der Neunziger mit einem Management-Buy-out abnabelte und die Ipro in eine AG umwandelte. Wieder mit Petraschk als treibender Kraft. "Der damalige Vorsitzende der Geschäftsführung und ich hatten als Ziel eine starke Mitarbeiterbeteiligung. Die Führungskräfte sollten ganz direkt am Erfolg partizipieren ­ aber eben auch die Probleme mittragen, wenn es mal nicht so gut läuft."

So führen die Flure am Hauptsitz zu kleinen Unternehmen im Unternehmen. "Büro Böhme + Schönfeld" steht etwa auf einer großen Glastür, hinter der die Zentrale für Architektur und Hochbau sitzt. Auch die beiden anderen Büros ­ für Technische Gebäudeausrüstung sowie Verkehrs-, Tief- und Ingenieurbau ­ werden als eigenständige Profitcenter geführt. Darüber hinaus sind auch die meisten Leiter der insgesamt sieben Niederlassungen am Unternehmen beteiligt. Olaf Knoll, Chef der Gebäudetechniker, betont die große Gestaltungsfreiheit, die dieses System biete. "Jedes Büro wird gemessen am Erfolg. Wie man diesen Erfolg erreicht, ist weitgehend Sache des Büroleiters."

Hilfreiche DDR-Tugenden

Objekte schlüsselfertig aus einer Hand zu planen ­ damit hat sich die 350 Mitarbeiter starke Gesellschaft einen Namen gemacht, vor allem im Osten. Wenn er im Westen sehe, wie viele Planer auf mancher Bautafel aufgeführt seien, könne er nur den Kopf schütteln, sagt Harald Mohring, Büroleiter Tiefbau. "Dieser wahnsinnige Koordinierungsaufwand entfällt bei uns." Das selbstbewusste Auftreten als Generalplaner wurzele in der DDR-Vergangenheit, sagt der 60-Jährige. Die komplette Produktionsvorbereitung für große Bau-Kombinate mit Tausenden Beschäftigten sei Ipro-Alltag gewesen, während im Westen wegen des Wettbewerbs auf viele kleinere Betriebe gesetzt wurde. Die im ganzen Haus spürbare Lust, sich richtig was aufzuladen und große Räder zu drehen, äußert sich bei Mohring in der Begeisterung für das, was wohl niemals auf die Titelseite des schicken Ipro-Kundenmagazins kommt: Abwasserkanäle zum Beispiel.

Dabei geht es genau darum beim bisher größten Ipro-Projekt nach der Frauenkirche: die Planung der Ver- und Entsorgung des neuen Großflughafens Berlin-Brandenburg. Ein 130-Millionen-Auftrag, der weit mehr umfasst als die Bereitstellung von Wärme und Wasser. "Sämtlicher Strom muss auf dem Gelände erzeugt werden, mit zwei bis drei Backup-Systemen für Notfälle. Selbst die Flugzeugenteisung und die Tankanlagen für die Bodenfahrzeuge gehören zu unseren Planungsaufgaben."

Für Furore sorgt Ipro aber vor allem mit der Sanierung und Rekonstruktion historischer Gebäude. Begonnen hat es mit der Kunstakademie an der Brühlschen Terrasse, die sie bei laufendem Hochschulbetrieb wieder zum Glänzen brachten. Dann kam die Frauenkirche, bei der man nicht nur den Kostenrahmen einhielt, sondern auch noch ein Jahr früher fertig wurde als geplant. Und diesen Juli folgte der Abschluss des jüngsten Großprojektes: Sanierung und Umbau von Schloss Hubertusburg bei Leipzig, im 18. Jahrhundert beliebtes Domizil des sächsischen Hofstaats.

Bei solchen Mammutvorhaben die Fäden in der Hand zu haben kann heißen, einen Teil seines Lebens in ein Bauwerk zu stecken. Das spürt, wer sich von Karl-Heinz Schützhold, Projektleiter beim Wiederaufbau der Frauenkirche, durch das 2005 fertiggestellte Gotteshaus führen lässt. Der für sein "beispielhaftes Projektmanagement" mit dem renommierten Roland-Gutsch-Preis geehrte bescheidene 62-Jährige scheint noch immer ein wenig mitzustaunen, wenn er erzählt, dass die 12000 Tonnen Stein, die allein in der Kuppel verbaut sind, für eine ganze Wohnsiedlung gereicht hätten. Und er verhehlt nicht, dass während der 13-jährigen Bauzeit Abschalten kaum möglich war. "Ich wusste schon früh, wir schaffen es. Trotzdem habe ich mit zunehmender Dauer immer schlechter geschlafen."

Aber auch das gehört eben zum ganzheitlichen Ipro-Konzept: ein Projekt allumfassend zu betreuen, selbst wenn die eigene Nachtruhe leidet. Hauptsache, der Kunde schläft gut.