Ganz heiße Ware

Der Grundstein für industrielle Kaffeeveredelung wurde nicht in Hamburg oder Bremen gelegt, sondern in Emmerich am Rhein. Seit 140 Jahren versorgt Probat die Welt mit Röstmaschinen.




Auch bei Probat bekommen Besucher erst mal die übliche Tasse Kaffee angeboten ­ allerdings ein bisschen anders als bei den meisten anderen Firmen. Nicht in einen Besprechungsraum bitten die beiden Geschäftsführer Wim Abbing und Stephan Lange ihren Gast, sondern auf eine Empore im Foyer, wo man an einer kleinen Bar Platz nimmt. "Espresso? Cappuccino?", fragt Lange und schwingt sich hinter den Tresen, um an einer edlen "La Marzocco", handgefertigt in Florenz, den Barista zu geben. Während der Besucher dann genüsslich am heißen Arabica nippt, bietet eine Glasfront freien Blick ins hauseigene Museum für Kaffeetechnik, eine stilvolle Sammlung historischer Apparaturen zum Rösten und Mahlen. So soll er sein, der Erstkontakt mit dem Weltmarktführer für Kaffeeröstanlagen. "Wir sind zwar Maschinenbauer", sagt Abbing, "aber wir definieren uns über die sinnliche Faszination, die das Produkt Kaffee ausübt."

Dabei sind es Maschinen, die Kaffee erst zum Genussmittel machen ­ Röstmaschinen. Sie verwandeln ungenießbare grün-graue Bohnen in aromatisch braune. Von zehn Tassen Kaffee, die auf diesem Planeten getrunken werden, sind die Bohnen von sieben zuvor auf Anlagen der Emmericher Probat-Werke von Gimborn Maschinenfabrik GmbH geröstet worden. Jacobs, Tchibo, Aldi, Nestlé, Starbucks, Lavazza ­ sie und viele mehr vertrauen dem Traditionsunternehmen vom Niederrhein.

Der Grundstein für industrielle Kaffeeveredelung in Deutschland wurde nämlich nicht in traditionellen Kaffeehandelsstädten wie Hamburg oder Bremen gelegt, sondern in Emmerich.

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte der Kaffeetrinker seine Bohnen roh und röstete sie selbst, zum Beispiel in langstieligen Pfannen, die man ins offene Feuer hielt, oder in topfförmigen Eisenbehältern für den Herd. Deutschlands führender Importeur für Rohkaffee war damals der Emmericher Kaufmann Alexius van Gülpen. Nachdem Emmerich Anschluss an die Bahnlinie Amsterdam-Basel bekommen hatte, sah van Gülpen die Chance, seinen Einzelhändlern statt Rohware frisch geröstete Bohnen zu liefern ­ was ihm fehlte, waren Röstgeräte, die größere Mengen verarbeiten konnten.

Der Geschäftsmann suchte sich zwei Partner: zum einen den Kaufmann Johann Heinrich Lensing, mit dem van Gülpens Vater in Emmerich ein "Drogen- und Colonialwaren-Detailgeschäft" betrieb. Lensing hatte Geld, der zweite Partner Ahnung von Technik ­ der Ingenieur Theodor von Gimborn. Gemeinsam gründeten die drei 1868 die "Emmericher Maschinenfabrik und Eisengießerei van Gülpen, Lensing & von Gimborn", die späteren Probat-Werke.

Bereits zwei Jahre nach der Gründung gelang dem Trio der große Coup: ein Röster für Füllgrößen von bis zu 120 Kilogramm. Kernstück war eine rotierende Eisenkugel, die nicht wie frühere Röstbehälter in kleinen Schlossereien von Hand gefertigt, sondern gepresst wurde ­ Grundlage für hohe Stückzahlen. Die war auch dringend nötig, denn der "Emmericher Kugelröster" verkaufte sich bis zur Jahrhundertwende 50000-mal. Heute steht das legendäre Produkt im Firmenmuseum gleich neben dem 1884 entwickelten Trommelschnellröster, der zweiten großen Innovation. "Der arbeitete mit einem Zylinder", erklärt Stephan Lange, "er brachte in kürzerer Zeit deutlich mehr Energie an die Bohne und hatte vom Grundprinzip schon alles, was moderne Röstanlagen heute bieten."

Die sieht man bei Probat dort, wo es nicht mehr nach Kaffee duftet, sondern nach Metall riecht. Wo die Funken der Schweißgeräte fliegen und der staunende Besucher zu Ungetümen aus Stahl emporschaut. "Das zum Beispiel ist unser Zentrifugalröster Saturn", sagt Wim Abbing, "der schafft vier Tonnen die Stunde. Davon gehen jetzt drei nach Finnland, wo der Kaffeekonsum pro Kopf weltweit am höchsten ist." Ein paar Schritte weiter wird eine ganze Batterie kleinerer Röster montiert. "Die sind aus unserer Probatone-Reihe, fassen fünf bis 50 Kilogramm und werden vornehmlich von kleinen Ladenröstereien gekauft."

Probat beschäftigt 650 Mitarbeiter, davon 400 am Standort Emmerich. Die Firma unterhält Vertretungen in mehr als 60 Ländern, liefert 80 Prozent seiner Maschinen ins Ausland. Umsatzzahlen nennt das Familienunternehmen nicht, aber man wachse, sagt Lange. "Im laufenden Jahr verzeichnen wir bis jetzt den höchsten Auftragseingang der vergangenen 15 Jahre." Auf die Frage nach der Konkurrenz antwortet der 47-Jährige hingegen gern. Und angesichts der Probat-Marktposition kann er sich den leicht arroganten Unterton leisten: "Es gibt weltweit etwa ein Dutzend Firmen, die uns bekannt sind, aber keiner der Wettbewerber verfügt über unsere Bandbreite."

Kundenservice aus dem Labor

Probat deckt nicht nur das gesamte Spektrum an Röstergrößen ab, die Firma fertigt auch Industrie-Kaffeemühlen und stellt Komplettanlagen zusammen, in denen von der Rohkaffeeannahme bis zur Verpackung alles automatisiert ist. Auch die dazugehörige Steuerungselektronik samt Software wird im eigenen Haus entwickelt. Vor allem aber versteht sich das Unternehmen zunehmend als Dienstleister. In der Abteilung Forschung und Entwicklung können Kaffeeröster Labor-Proben ihrer bevorzugten Bohnen in Auftrag geben. Und Neukunden haben in der Vorführrösterei Gelegenheit, verschiedene Röst- und Mahlsysteme unter industriellen Bedingungen zu testen. "Acht von zehn, die bei uns zum Proberösten waren, bestellen anschließend eine Maschine", sagt Inga Schäper.

Die 39-Jährige leitet neben dem Bereich Kommunikation auch das Schulungsprogramm. Hier kann das Unternehmen seine 140-jährige Erfahrung besonders gut ausspielen. Denn beim Kaffeerösten geht es um mehr als einfach nur darum, ein Rohprodukt zu erhitzen. In jeder Kaffeebohne stecken etwa eine Million Zellen; jede einzelne setzt beim Rösten mehr als tausend flüchtige Aromen frei. Nur wer das komplizierte Zusammenspiel von Kaffeesorte, Röstdauer und Temperaturverlauf beherrscht, rettet diesen Schatz an Geschmack auch in die Tasse ­ Probat vermittelt das Know-how. Während erfahrene Röst-meister in die Bedienung neuer Maschinen eingewiesen werden, gibt es für Anfänger Basiskurse in Kaffeewissen. "Es kommen zum Beispiel Existenzgründer, die vorher im Coffee-Shop oder im Supermarkt gearbeitet haben und sich mit einer Ladenrösterei selbstständig machen wollen", sagt Inga Schäper.

Neukunden sind wichtig, denn Probat-Maschinen haben eine Eigenschaft, die für das Geschäft nicht gerade förder-lich ist: Sie halten zu lange. Ähnlich wie die Mitarbeiter, deren Ehrgeiz es ist, "irgendwann auf der Holztafel zu landen" (sie hängt im Eingangsbereich und verzeichnet jeden, der mehr als 25 Jahre im Unternehmen ist oder war), haben auch die Röstmaschinen einen langen Atem. Was andererseits auch wieder gut ist fürs Image. Die betagten Geräte tun meist dort ihren Dienst, wo es um die hohe Kunst handwerklicher Kaffeeveredelung geht: bei Spezialitäten-Anbietern, die ­ anders als Großkonzerne ­ mit langen Röstzeiten arbeiten.

Die älteste und höchst angesehene Manufaktur dieser Art darf in einem Bericht über Probat nicht fehlen: Lensing & van Gülpen in Emmerich, hervorgegangen aus dem schon erwähnten Kolonialwarengeschäft. Alex Reinhart-van Gülpen, Urenkel des Probat-Mitbegründers Alexius, röstet hier in fünfter Generation, auf Probat natürlich, zurzeit mit einem Trommelröster anno 1939. Nur einmal musste er das Gerät modernisieren: "Statt mit einer Papierlunte starte ich den Röster heute mit einer Piezo-Zündung."