Vector Foiltec

Zu heiß, zu kalt, zu feucht oder zu schmutzig? Kein Problem. Vector Foiltec überspannt Bauten in aller Welt mit transparenten Riesendächern aus Folie.




Stefan Lehnert hat in jüngster Zeit ein großes Interesse für Gegenden entwickelt, in denen Menschen unter außergewöhnlichen Klimabedingungen leben. Für Kasachstan etwa, wo die Quecksilbersäule des Thermometers im Winter gebietsweise nicht selten auf 40 Grad minus fällt, dafür im Sommer aber auch mal auf 40 Grad plus klettert. Wohlvertraut sind ihm auch die klimatischen Gegebenheiten in Kanada, wo es über Monate klirrend kalt ist, oder der Industriesmog in manchen Gegenden von China, wo die Menschen im Schatten der rauchenden Fabrikschlote unter extremer Luftverschmutzung leiden. Für solche Fälle hat Lehnert – zumindest in der Theorie – eine Lösung parat: Er will ganze Stadtteile unter eine Klimahaube aus Folie setzen, unter der es sich schweiß- und fröstelfrei leben lässt. „Das können wir“, sagt Lehnert in leicht hanseatisch unterkühltem, von gesundem Selbstbewusstsein zeugendem Tonfall, „und dass so etwas kommen wird, ist keine Frage.“

Der Chef von Vector Foiltec, weltweit die Nummer eins bei Dächern und Fassaden aus Spezialfolie, sieht in der wetterfesten Überdachung einen Markt mit schier unbegrenztem Wachstumspotenzial. Die Menschen hätten den nachvollziehbaren Wunsch, Schutz vor den Launen des Klimas, vor Hitze, Kälte, Luftfeuchtigkeit und Industrieabgasen zu finden. Eine Haube aus Folie, lichtdurchlässig, reißfest, Schmutz abweisend, wärmeisolierend, resistent gegen Luftverschmutzung und extrem langlebig, sei dafür ideal geeignet.

Der Anfang ist schon gemacht. Erst kürzlich haben die Bremer Folienspezialisten den Neubau einer Shopping Mall in Kuwait komplett eingepackt, ein Areal von immerhin 35.000 Quadratmetern Fläche. Die hervorragenden Wärmedämm-Eigenschaften mehrerer, durch Luftschichten getrennter Folienlagen halten die Gluthitze draußen. Dabei verhindert die niedrige Oberflächenspannung des Materials, dass Schmutz und Staub haften bleiben. Es wird also nicht dunkel im Laufe der Zeit.

In kalten Regionen wiederum können Bauherren durch die Isolierfähigkeit der Folie einen Großteil der Heizkosten einsparen. „Und genauso gut wie ein solches Einkaufszentrum lässt sich auch eine zehnmal so große Fläche überspannen“, sagt Lehnert. Ein Stadtteil, eingewickelt wie mit Zellophan, mit Wohnungen, Büros, Geschäften und täglichem Verkehrsstau – eine (noch) etwas befremdliche Vorstellung.

Leicht, flexibel, langlebig

Es ging eigentlich immer nur bergauf für das 1982 im Stadtteil Lesum von dem Wirtschaftsingenieur Lehnert und dem gelernten Bootsbauer Reinhard Schmidt gegründete Unternehmen. Architekten hatten damals bei einem befreundeten Segelmacher angefragt, ob es nicht möglich sei, Gebäude mit einem transparenten Stoff zu überdachen. Der Segelmacher musste passen, erzählte den passionierten Skippern Lehnert und Schmidt aber von der Idee. Die beiden begannen, nach dem gesuchten Material zu fahnden. Und stießen bei ihrer Tüftelei schließlich auf Ethylentetrafluorethylen (ETFE)-Folie, ein Material aus der Raumfahrttechnologie.

Bis dahin war Glas der einzige Stoff, mit dem sich Gebäude transparent überdachen ließen. Aber Glas ist schwer und damit für große Flächen ungeeignet, außerdem zu teuer, umständlich zu reinigen und unflexibel. Allesamt Argumente für die Folie aus Bremen. Was unter ihr heute möglich ist, zeigte im vergangenen Jahr der Neubau des Rugbystadions im neuseeländischen Dunedin. Erst nachdem Vector Foiltec das Stadion vollständig überdacht hatte, wurde der empfindliche Spielfeldrasen eingepflanzt. „Der überlebt da nicht nur“, sagt Stefan Lehnert stolz, „der wächst sogar wie unter Freiluftbedingungen.“

Noch im Gründungsjahr des Unternehmens realisierten Lehnert und Schmidt ihr erstes Projekt: ein Gewächshaus im Zoo von Arnheim. Weltweit bekannt wurden die Bremer durch ihre Beteiligung am Bau des Eden Project, einem 2001 eröffneten botanischen Garten in Cornwall. Mittlerweile kann das Unternehmen knapp 800 Referenzen vorweisen; allein 2012 wurden rund 120 Bauten fertiggestellt. Der größte, technisch anspruchsvollste und wohl auch prestigeträchtigste Auftrag war der Bau des olympischen Schwimmstadions in Peking, auch vier Jahre nach seiner Fertigstellung immer noch die größte Folienkissenkonstruktion der Welt. Für weltweites Aufsehen sorgte zuletzt Khan Shatyr, ein 150 Meter hohes transparentes Zelt mit künstlich angelegter Wasserlandschaft, Kinos, Einkaufszentrum und Palmenstrand mitten in der kasachischen Hauptstadt Astana.

Innerhalb von drei Jahrzehnten entwickelte sich die Garagenbastelei zu einem Unternehmen mit fast 300 Beschäftigten und weltweit rund 70 Millionen Euro Umsatz – davon weniger als zehn Prozent in Deutschland. „Unser Hauptwachstumsmarkt ist Asien“, sagt Lehnert. „Um das zu verstehen, muss man nur die Zahl der Baukräne in europäischen Ländern und in China vergleichen.“ Ein Grund, warum die zweite Vector-Foiltec-Fabrik in Peking errichtet wurde.

Doch selbst wenn die Nachfrage die Ausrichtung gen Fernost diktiert: Vector Foiltec definiert sich klar als Bremer Unternehmen. Lehnert und Schmidt sind Jungs aus Bremen-Nord. Die meisten Mitarbeiter stammen aus der Region, genau wie ein Großteil der Subunternehmer. Was den Standort so attraktiv macht? Stefan Lehnert nennt zwei gute Gründe. Zum einen die kurzen Wege zu den Entscheidungsträgern in der Verwaltung. „Bei Problemen wissen wir nach zehn Minuten, ob wir Hilfe bekommen oder nicht.“ In neun von zehn Fällen kenne man den zuständigen Beamten persönlich. Nicht minder wichtig sei die Qualität der Arbeit vor Ort: „Manche Kunden, auch solche aus Fernost, die eigentlich in Reichweite unserer Fabrik in Peking liegen, bestehen darauf, dass ihr Produkt in Deutschland hergestellt wird.“

Aber wie erklärt sich ein Weltmarktanteil von gut 80 Prozent? So ein Fast-Monopol muss doch Nachahmer auf den Plan rufen. „Wir sind die Einzigen, die alles aus einer Hand anbieten“, sagt Lehnert, „vom Bau der Maschinen für die Produktion der Folien über die Berechnungen und Genehmigungsverfahren bis zur Montage und Wartung.“ Mit weltweit 14 Niederlassungen bietet Vector Foiltec außerdem eine konkurrenzlose Vertriebskompetenz. Die Hanseaten sind stets dicht am Markt, mit Verkäufern und Projektspottern, denen so leicht kein interessantes Bauvorhaben entgeht.

Die nächsten Herausforderungen stehen schon an: Für die Fußball-WM in Brasilien baut Vector Foiltec die Fassade und Teile des Stadiondachs in Recife. Auch der Auftrag für das Stadion, in dem 2014 die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi eröffnet werden, ging an die Bremer. Ein wenig nervös sind sie deshalb schon. „Dass man mit Folien bauen kann, ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung“, erklärt Lehnert. Mindestens genauso wichtig seien Zollbestimmungen, Baugenehmigungen und steuerliche Besonderheiten in diesen Ländern. Denn ganz unabhängig vom Können: „Da entscheidet sich dann, ob ein solches Projekt für uns auch wirtschaftlich ein Erfolg wird.“---