Editorial

Von Susanne Risch, Chefredaktion



Die Stammleser von brand eins werden es wissen, allen anderen sei es vielleicht noch einmal gesagt: Wir zeigen in unseren Geschichten, was möglich ist. Das gilt für jedes Thema und jede Publikation, ganz besonders aber für dieses Heft. Schließlich assoziieren wir hierzulande mit Bildung vor allem Schule – und da fallen uns in der Regel erst einmal die Klischees ein: volle Klassen, fehlende Mittel, schlechte Ausstattung, faule Schüler, überforderte Lehrer. Das alles gibt es, keine Frage. Aber das alles hat uns hier nur am Rande interessiert. Wir wollten stattdessen lieber Lust machen – auf Lernen, Fragen, Entdecken und Ausprobieren. 

Deshalb sind wir für diese Ausgabe auch zeitlich und räumlich weit gereist. Wir sind 1998 mit einer Gruppe von 45 Schülern und Lehrern Tausende von Kilometern durch Ecuador und Kolumbien geradelt, haben 2005 eine Dorfschule in Sibirien besucht, waren 2016 in einer Grund- und einer Oberschule in Bremen-Gröpelingen zu Gast und Anfang dieses Jahres im baden-württembergischen Wutöschingen – die dortige Gemeinschaftsschule wurde 2019 mit dem „Deutschen Schulpreis“ als eine der besten Lehranstalten des Landes ausgezeichnet.

Aber wir haben nicht nur an Schulen nach Antworten auf Bildungsfragen gesucht. Wir waren an einer Universität in Johannesburg, in einer Fahrschule in Berlin, an Hochschulen in Indien, China und den USA und an der Werkbank bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen. Wir haben mit Philosophen, Psychiatern, Hirnforschern und Bildungsexperten diskutiert, haben Rapper und Regisseure getroffen. Und wir haben gelernt: Das Gehirn denkt nicht. Bildung hat nichts mit Wohlstand zu tun. Ein mathematisches Grundverständnis ist jedem Menschen angeboren. Schlaue denken weniger nach. Formeln behält man leichter, wenn man sie singt. Fleiß und Ausdauer können Intelligenz ersetzen. Unterricht braucht keine Klassen. Die Kinder von heute sind schlauer als früher. Wir können mit verbundenen Augen Auto fahren. Lesen lernen kann man auch noch mit 50. Bildung braucht Bindung. Und wir brauchen einen neuen Bildungsbegriff. Bildung – das sind nicht Noten, Zeugnisse oder Abschlüsse. Bildung ist die Fähigkeit, sich in der Welt zurechtzufinden und sich selbst zu helfen. Das muss man wollen, gern machen. „Begeisterung beim Lernen schlägt alles“, sagt Professor Martin Leitner, Präsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften in einem Gespräch mit meinem Kollegen Wolf Lotter. „Wenn Menschen ihre eigenen Projekte und Ziele leben, dann werden sie ein gutes Leben haben. Dafür ist Bildung da. Die Bildungseinrichtungen sind dazu da, um das möglich zu machen. Wir sind Weiterentwicklungshelfer.“ Man könnte die klugen Pädagogen auch Möglichmacher nennen. Sie bilden vielleicht noch nicht die Mehrheit. Aber es gibt sie überall auf der Welt.

Kombi edition

Jetzt die neue Ausgabe zum Thema „Bildung“ bestellen.


Digitalausgabe kaufen
Print- und Digitalausgabe kaufen
Printausgabe bestellen