Bundesagentur für Arbeit

Was wurde aus dem Virtuellen Arbeitsmarkt?

Teure Planwirtschaft. Korruption, Druck und handwerklicher Pfusch erster Güte kennzeichnen die gescheiterte Internet-Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit.



In der brand eins Ausgabe 07/2003 kommentierten wir die seltsamen Vorgänge beim Aufbau des Virtuellen Arbeitsmarktes der Bundesagentur für Arbeit, ein weiteres Prestigeprojekt aus dem Stall des Superministers Wolfgang Clement. Der hatte sich, gegen die heftige Proteste erfolgreicher privater Jobvermittler im Internet wie Job24 und monster.de, für den Aufbau einer zentralen, von der staatlichen Bundesagentur betreuten Website ausgesprochen.

Seit der letzten Februarwoche ist der Skandal, der sich damals abzeichnete, amtlich. Die Staatsanwaltschaft in Nürnberg ermittelt nach einer Anzeige der Innenrevision der Bundesagentur wegen Korruptionsverdacht. Gut 15 Millionen Euro, ein Viertel der Gesamtsumme, die der bisherige Ausbau der Website verschlang, sollen freihändig, ohne Ausschreibung, vergeben worden sein. Der Projektleiter Jürgen Koch wurde von seinen Aufgaben entbunden.

Als im Frühsommer 2003 bekannt wurde, dass die Kosten des Virtuellen Arbeitsmarktes, laut Clement das „zentrale Projekt der Bundesagentur für Arbeit“, mindestens 65 Millionen Euro betragen würden, waren Fachleute und Experten schockiert.

Denn was die Nürnberger ins Netz stellen, stammt vielfach nicht aus Computern der Behörde, sondern von privaten Jobvermittlern. Die protestierten zwar heftig gegen den Dienst der Behörde, wurden aber vom Ministerium vor eine einfache Wahl gestellt: Entweder ihr liefert eure Angebote schnurstracks an uns, oder wir ruinieren euch – so ein Manager eines der privaten Jobdienste damals.

Doch es reichte nicht, sich einfach an fremden Daten zu bedienen. Die ohnehin weit überhöhten Kosten für die Site wurden im Februar neu nachgerechnet: Bis 2008 hätte sich ein Betrag von 165 Millionen Euro angehäuft –  ein Kosten-Weltrekord im Webseitenbau. Zum Vergleich: Der Auf- und Ausbau einer vergleichbaren Seite eines privaten Internet-Jobvermittlers würde, so hat die Firma Jobpilot ausgerechnet, zwischen zehn und maximal 20 Millionen Euro liegen.

Davon kann beim Virtuellen Arbeitsmarkt nicht die Rede sein: 125 Millionen Mindestkosten für das System, plus 40 Millionen reine Verwaltungskosten. Dazu kommen noch Werbekosten in ungenannter Höhe, die den Gesamtbetrag aller Voraussicht nach nahe der 200 Millionen Grenze abgerundet hätten.Und selbst das reicht nicht aus, um das Beamten-Netz ins Laufen zu bringen. Das System, das aus unzähligen hausgemachten Datenbanken besteht, fügt sich nicht zum Ganzen. Und Datenreform ist, wie im wirklichen Leben, teurer als ein Neuanfang.

Und den traut sich Nürnberg nicht zu. Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit legt den Virtuellen Arbeitsmarkt nun zu den Akten. Jetzt dürfen wieder die ran, die die staatlichen Webmaster im Vorjahr ausbremsen wollten: Private Agenturen.

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