Elektrolyse mit Meerwasser

Ulrike Beyer, Mark Richter und Gregor Zwaschka beschäftigen sich am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Chemnitz mit der Frage: Wie können wir den Wasserstoff produzieren, den wir für die Energiewende brauchen? Ihre Erkenntnisse tragen sie auch zu dem Projekt H₂Mare des Bundesforschungsministeriums bei. Hier ihre Antworten auf unsere Fragen.





Warum braucht man für die Elektrolyse Süßwasser?

Aus erneuerbaren Energien lässt sich nicht konstant Strom erzeugen, sondern nur schwankend. Elektrolyseure müssen jedoch unter solchen Bedingungen funktionieren. Deshalb setzt man im Zusammenhang mit der Energiewende auf Elektrolyseure mit Protonen-Austausch-Membran (proton exchange membrane, PEM), die sich schnell hoch- und runterfahren lassen. Diese benötigen hochreines Wasser, da sie Komponenten verwenden, die empfindlich auf Verunreinigungen reagieren: Im Salzwasser gelöste Kationen und Anionen können die Membran der PEM-Elektrolyseure schädigen oder „verstopfen“ und damit den Wirkungsgrad des Geräts erheblich verschlechtern.

Das Projekt H₂Mare hat das Ziel, die Produktion von Wasserstoff auf See voranzutreiben. Soll dazu auch Meerwasser entsalzt werden?

Da PEM-Elektrolyseure hochreines Wasser benötigen, ist die Entsalzung von Meerwasser unentbehrlich für die Offshore-Produktion von Wasserstoff und deswegen Teil von H₂Mare.

Ein vielversprechender Ansatz zur Kopplung von PEM-Elektrolysen und Meerwasserentsalzung soll am künftigen Hydrogen Lab Görlitz entwickelt werden.

Bei der Elektrolyse entsteht unweigerlich Abwärme, beispielsweise durch den Widerstand bei der Protonenleitung durch die PEM. Je nach Bauart und Betriebsweise des Elektrolyseurs beträgt die Abwärme etwa 30 bis 40 Prozent der eingesetzten Gesamtenergie und hat ein Temperaturniveau von 60 bis 70 Grad Celsius.

In besagtem Ansatz wird die wegen der niedrigen Temperatur sonst nur schwer nutzbare Abwärme in einem Vakuumdestilla-tionsverfahren zur Aufreinigung von Meerwasser verwendet. Die Abwärme erhitzt das für die Elektrolyse verwendete Meerwasser, welches unter vermindertem Druck bereits bei niedrigeren Temperaturen siedet. Somit würde die Abwärme effizient genutzt, und es würde weniger Windenergie für die Vakuumpumpen aufgewendet als bei der Entsalzung üblich. Das erhöht zudem den Gesamtwirkungsgrad des Elektrolyseurs.

Unter welchen Voraussetzungen wäre die Elektrolyse mit Meerwasser möglich?

Man müsste Komponenten vermeiden, die durch im Meerwasser enthaltene Ionen in ihrer Funktion eingeschränkt werden. Beispielsweise wird in alkalischen Elektrolyseuren bereits eine Membran eingesetzt, die keine Ionen leitet und insofern auch nicht durch Ionen „verstopft“ werden kann. Dass diese Elektrolyseure nicht im größeren Stil eingesetzt werden, liegt daran, dass sie konstant mit Strom versorgt werden müssen und deshalb nicht mit Windenergie oder Fotovoltaik kombiniert werden können.

Alternativ könnten die Komponenten so gestaltet werden, dass sie resistent gegen die in Meerwasser enthaltenen Substanzen sind. Eine wissenschaftliche Arbeit zu dieser Frage zeigt einen vielversprechenden Ansatz: Der Elektrolyseur arbeitet mithilfe eines neuartigen Katalysators.

Komponenten, an denen keine Spannung anliegt, wurden hier durch eine adäquate Beschichtung erfolgreich resistent gegen Korrosion durch Meerwasser gemacht.

Eine große Herausforderung für einen Meerwasser-Elektrolyseur, besonders für den Fall, dass dieser vollständig ohne Wasseraufbereitung betrieben werden soll, sind wechselnde Bestandteile des Meerwassers und deren Konzentrationsfluktuation im Verlauf eines Jahres. Es ist ungeklärt, ob es technisch möglich ist, ein dergestalt widerstandsfähiges Gerät zu entwerfen, insbesondere, wenn es gewisse Leistungskriterien erfüllen soll.

Sollte die Elektrolyse mit Meerwasser gelingen, hätte das viele Vorteile: Offshore-Windparks könnten das Meerwasser nutzen, das an ihren Standorten reichlich verfügbar ist. In sonnenreichen Gegenden, in denen Süßwasser knapp ist, könnte man an der Küste Wasserstoff herstellen, ohne zunächst Wasser zu entsalzen und aufzubereiten.

Elektrolyseure lassen sich noch nicht serienmäßig produzieren. Wie wird das möglich?

Im Fokus der H₂Mare-Untersuchungen stehen neuartige Konzepte, die die Grundlage eines kompakten, kostengünstigen und beständigen Systems bilden. Das Ziel ist, Elektrolyseure in industrieller Massenproduktion kostengünstig herstellen zu können, was bislang noch nicht möglich ist.

Am Fraunhofer IWU und in der Referenzfabrik H2 wollen wir Elektrolyseure und Brennstoffzellen in die industrielle Serienproduktion überführen. Wir forschen unter anderem an günstigeren Werkstoffen, der Qualität und Langlebigkeit der Bauteile, einer Skalierbarkeit der Produktionsverfahren, dem Aufbau effizienter Lieferketten und der Planung von Fabriken. So soll die Großserienfertigung rentabel werden: Die Produktion muss einen entscheidenden Beitrag leisten, um dem Wasserstoff zum Durchbruch zu verhelfen.