Geht doch!

Glück, Plan, Zufall, gesunder Menschenverstand, Analyse oder Spiel? Strategie ist all das. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
Das macht die Sache manchmal so kompliziert.
Birgit König und Wilhelm Rall von McKinsey & Company über das Wesen der Strategie.




Man kann natürlich Glück haben: Manch einer ist fast ohne jede Planung sehr erfolgreich geworden. Aber wer sich auf sein Glück nicht verlassen will, der überlegt, wägt ab und versucht so, seine Erfolgschancen zu erhöhen. Das ist Strategie.

Strategie ist damit weder die Vorhersage der Zukunft noch eine Planung im Sinne einer Budgetierung, sondern die Beschreibung eines Zielzustandes (Wo will ich hin?) und des strukturierten Weges zu diesem Ziel (Wie komme ich dort an?). Erfolgreiche Strategien berücksichtigen dabei, dass sich Umweltbedingungen ändern können. Dann wird das Ziel ein Raum von Möglichkeiten, der Weg dorthin ein Korridor.

Strategien gibt es überall dort, wo Menschen den zukünftigen Erfolg nicht dem Zufall überlassen wollen: im Wahlkampf, im Sport, in der Kriegsführung, bei vielen Spielen und natürlich in der persönlichen Lebensplanung. Dabei gibt es kein vorgefertigtes Strategiekonzept, das allen Situationen gleichermaßen gerecht werden würde. Und nie liefert ein Standardvorgehen die ideale Strategie.

Zum Standard jedes Unternehmens sollte allerdings ein erster Schritt gehören – Strategieentwicklung erfordert zunächst einmal eine realistische Bewertung der Ausgangssituation: Wo stehen wir im Vergleich zum Wettbewerb? Wo geht der Markt hin? Was wollen unsere Kunden? Gibt es neue Technologien oder Regularien, die unser Geschäft beeinflussen? Die Strategie-Literatur bietet für die Beantwortung der Fragen zahlreiche analytische Hilfestellungen an, de facto aber reichen gesunder Menschenverstand und analytische Begabung völlig aus.

Anders ist gut – aber nicht immer besser

Darauf aufbauend, werden dann Ideen für einen attraktiven Zielzustand entwickelt. Kreativität braucht es hier und die Fantasie, neue Möglichkeiten in bekannten Mustern zu sehen. Häufig ist Differenzierung der richtige Weg, dann heißt es, eigene Vorteile so einzusetzen, dass sie vom Wettbewerb nur schlecht kopiert werden können.

Aber es zahlt sich nicht immer aus, anders zu sein. Auf Trends aufzuspringen ist leichter, als selbst welche anzustoßen. Teil eines Netzwerkes zu sein lohnt sich oft mehr, als mit seiner Technologie allein zu stehen. Auch für die Suche nach dem Weg zur attraktiven Positionierung gibt es zahlreiche Hilfestellungen. Wer weiße Flecken in der Unternehmenslandkarte sucht oder überlegt, wie er seine Fähigkeiten in ungewohnten Situationen einsetzen kann, findet neue Ideen. Dann muss das geplante Ziel noch überprüft werden: Ist es wirklich attraktiv? Für wie lange? Wie werden sich die Gegenspieler verhalten? Lässt sich das Ziel realistisch überhaupt erreichen? Zu welchen Kosten? Lohnt sich das?

Wer seine Ausgangssituation analysiert und das Ziel festgelegt hat, muss schließlich nur noch den Weg von hier nach dort beschreiben. Dabei sind Meilensteine wichtig – und der regelmäßige Check, ob die Richtung noch stimmt. Denn das Ziel kann sich unterwegs ändern, und der Weg folgt dem Ziel.

Nichts geht mehr? Das Spiel ist aus? Ändern Sie die Regeln

Demnach ist die Strategie also der eine große Plan, nach dem das gesamte Unternehmen gelenkt wird? Vorsicht. Die Zukunft ist viel zu ungewiss, als dass ein größeres Unternehmen alles auf eine Karte setzen könnte. Strategie bedeutet vielmehr ein Portfolio von Initiativen, ausgewogen in Bezug auf Risiko und Realisierungsdauer. Nur eine gesunde Mischung kann den Unternehmenserfolg sichern. Und nur die Unternehmen, die ihr Portfolio immer wieder überarbeiten und neu gestalten, haben langfristig Bestand.

Denken Sie sich Strategie als das Spiel gegen einen unbekannten Gegner. Sie haben einen Plan und wollen gewinnen. Aber schon mit dem ersten Zug ändert sich die Spielsituation, und mit jedem weiteren müssen Sie neu überlegen. Lässt sich das wahrscheinliche Wettbewerberverhalten dabei vorausberechnen? Wohl kaum. Der Wettbewerb verhält sich eben nicht immer rational. Hilfreich aber wäre es, Motivation und Ziele des anderen zu ergründen. Eine Strategie, die das Motiv des Gegners unberücksichtigt lässt, muss zwangsläufig scheitern.

Es stimmt schon, Strategie ist manchmal schwierig. Der Gegner mag schneller sein oder besser ausgerüstet, vielleicht hat er das Spiel auch besser verstanden. Aber selbst dann ist die Partie noch längst nicht zu Ende. Wenn gar nichts mehr hilft: Ändern Sie die Spielregeln. Auch das liegt im Wesen der Strategie.

Dr. Birgit König ist Principal im Berliner Büro von McKinsey,
Dr. Wilhelm Rall ist Director im McKinsey-Office in Stuttgart.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.