Reich. An Erfahrung.

Sie haben Ideen erst gefördert, dann beerdigt, Gründer groß gemacht und wenig später scheitern sehen, Millionen verdient und wieder verloren.
Jetzt stehen die Geldgeber selbst unter Druck, die Branche sortiert sich neu.




Der Niedergang der neuen Wirtschaft hat auch die Wagnisfinanzierer hart getroffen. Viel zu viele der aussichtsreich erscheinenden Investments entpuppten sich als Flops. 2002, klagt die Branche, sei das schlechteste Jahr seit langem gewesen. Mehr als 100 Risikokapitalgeber seien bereits aus dem Markt ausgeschieden, meldet der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), darunter kleine wie große, börsennotierte wie private.

Auch die Zahl der konzerneigenen Finanzierungsgesellschaften schrumpft. British Airways hat seine CVC-Einheit (Corporate Venture Capital) ebenso geschlossen wie Compaq, ABB, Vodafone oder Alcatel. GE Capital, die Finanztochter von General Electric, plant vorerst keine neuen Investitionen. T-Venture, eine der größten europäischen CVC-Gesellschaften, schließt zurzeit zwei ihrer drei deutschen Büros.

Wer überlebt, sortiert sich neu. Und spart.

Im Jahr 2002 brachen die Neuinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent auf 2,65 Milliarden Euro ein, heißt es beim BVK. Die Investitionen in Start-ups haben sich sogar halbiert, auf etwa 556 Millionen Euro. Was das für die Geldgeber selbst, für junge Unternehmen und potenzielle Gründer bedeutet? McK Wissen hat Branchenvertreter gefragt.

1 Deutsche Tugenden

Frank Böhnke
Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Essen und Toronto und arbeitete danach acht Jahre lang als Vice President im Investmentbanking bei J.P. Morgan. Seit 1997 ist er Partner im Münchner Büro der Wellington Partners Venture Capital GmbH.

„In Deutschland hat der Hype eigentlich nur anderthalb Jahre gedauert. Die Internetgründungen fanden fast alle 1999 und 2000 statt – und da war es im Prinzip schon zu spät. Jetzt ist das Geld weg, und für den Earlystage-Bereich gibt es bundesweit kaum mehr als eine Handvoll Investoren. Alle haben Angst, klar: Jede Investition ist ein Schuss ins Dunkle. Du weißt einfach nicht, wie lange du eine Firma halten und finanzieren musst. Das kann zwei Jahre dauern oder sechs. Und im Zweifel musst du als Geldgeber eben auch in der Lage sein, die Firma durchzufinanzieren. Du brauchst als VC also eine Menge Geld, insbesondere, wenn sich die Firma positiv entwickelt. Unternehmen brauchen ja gerade dann Geld, wenn sie erfolgreich sind, um Wachstum und Expansion zu finanzieren. Und da geraten heute sehr viele Investoren an ihre Grenzen.

Unterm Strich ist meine Bilanz aber positiv. Die VC-Branche steht heute sicher über dem Niveau von 1995. Davor hat es diese Industrie hier zu Lande ja fast gar nicht gegeben. Und auch in puncto Unternehmertum hat sich aus meiner Sicht so manches getan. Die Phase 1997 bis 1999 war geprägt von einem weltweit identischen Gründungsverhalten: Internet, Enterprise-Software, Telekom-Infrastruktur. Es war immer dasselbe. Heute beobachten wir eine Spezialisierung hin zu deutschen Tugenden. Viele Start-ups basieren auf Technologien, für die Deutschland eigentlich seit vielen Jahren bekannt ist: Mikroelektronik, Mechanik, Materialwissenschaften. Das wurde früher nie von Venture Capital finanziert, sondern ist immer schnell in den Konzernen verschwunden. Mit der Öffnung der Großunternehmen und ihrer Bereitschaft, mit Kleinen zu kooperieren, ergibt sich meiner Ansicht nach eine Möglichkeit, nachhaltig so etwas wie eine europaspezifische VC-Industrie aufzubauen. Es ist noch zu früh zu sagen, ob sich dieser Trend endgültig durchsetzen wird, die Entwicklung ist aber durchaus vielversprechend.

Für uns bedeutet das auch eine Orientierung hin zu Technologien. In marketingintensive Geschäfte investiert heute kaum noch jemand. Wir bemühen uns vielmehr um Research-Institute, Universitäten und die großen Unternehmen, um besser zu verstehen, was die tun, damit wir gemeinsam mit ihnen agieren können. Das ist aus meiner Sicht heute der Erfolgsfaktor: Partnerschaften.

Und da gibt es noch jede Menge zu tun. Es reicht nicht, Forschungseinrichtungen, Gründer und Venture Capital zu haben. Man braucht die Vermittler dazwischen. Institutionen, die als Übersetzer und Multiplikatoren fungieren.

Wir können schließlich nicht auf den Fluren einer Uni herumstrolchen, um Entwicklungen und potenzielle Gründer zu finden.

Was sich bei uns selbst verändert hat? Wir prüfen heute sehr viel intensiver. Der Investmentprozess, der in der heißen Phase manchmal nur wenige Wochen dauerte, braucht heute vier bis sechs Monate. Wir sind viel disziplinierter geworden, was Strategie und Umsetzung angeht. In einer Hype-Zeit ist man immer versucht, opportunistisch zu agieren. Inzwischen haben wir uns klar positioniert, und davon weichen wir keinen Millimeter mehr ab. Das heißt auch: Wir sind nicht mehr kompromissbereit, was die Strukturen angeht. Unternehmen, die mit unterschiedlichen Darlehen behaftet sind oder in die 15 uns unbekannte Business Angels investiert haben, kommen für uns nicht mehr in Frage. Um Unternehmen vorantreiben zu können, braucht man sehr einfache Strukturen.

Das ist übrigens eines der größten Probleme vieler Unternehmen, die Ende der neunziger Jahre gegründet wurden. Die sind operativ durchaus gut, aber ihre Strukturen sind so komplex, dass sie nicht mehr finanzierbar und steuerbar sind. Viele Gründer haben vor allem versucht, die beste Bewertung zu erzielen, sich über Darlehen zu finanzieren und möglichst wenig Eigenkapital abzugeben. Zudem sammelten sie jede Menge Investoren, die heute kein Geld mehr haben. Und jetzt versuchen Sie mal, mit existierenden, zahlungsunfähigen Investoren neue Geldgeber zu finden. Das ist nahezu unmöglich.“

2 Stillhalten, sparen und abwarten

Oliver Borrmann
Der Absolvent der Hochschule St. Gallen arbeitete als Berater bei JFM Marketing-Service und HBS Consulting Partners, bevor er 1992 sein eigenes Beratungsunternehmen gründete, die bmp Management Consultants GmbH. Seit 1997 leitet er als Vorstandsvorsitzender die mittlerweile börsennotierte Nachfolgegesellschaft bmp AG.

„Das war eine der größten Geldwanderungen in der Geschichte der Menschheit. Es war, als würde man ein Stück Wüste bewässern. Das Gros des Wassers ist versickert, und vielleicht sind dabei einige kleine Pflänzchen gewachsen. Viele sind es nicht, und die Venture-Capital-Branche hat sich dabei nicht mit Ruhm bekleckert. Seien wir doch ehrlich: In den Boom-Jahren 1998 bis 2000 haben wir vor allem auf den Exit geschaut. Da stand ja nicht die Technologie der Zukunft im Vordergrund. Oder die Suche nach dem besten Management. Was unsere Branche getrieben hat, war die Frage: Welches Unternehmen kann man möglichst schnell wieder am Kapitalmarkt loswerden? Als Orientierung diente der Neue Markt. Welche Firmen, welche Technologien werden von den Banken als IPO-tauglich angepriesen? In welche Richtung wird der Kandidat getrimmt? Und worauf steht der Aktionär? Danach hat sich jeder die kleinen Start-ups gesucht, hat versucht, sie in die richtige Richtung zu formen und hat dem Kapitalmarkt ein schönes Paket geschnürt. Wir haben Investitionen getätigt, weil alle irgendwie gefunden haben, das würde Sinn ergeben. Das System ist in dem Moment gekippt, als der Kapitalmarkt nicht mehr funktionierte und man die Firmen nicht mehr loswurde. Da hat dann auch der letzte Geldgeber gemerkt, dass es nichts bringt, das fünfundzwanzigste Callcenter aufgebaut zu haben oder die dreißigste Multimedia-Agentur. Also gab es Ausfälle und damit weniger Rückflüsse an die Geldgeber in der VC-Industrie. Mit dem Resultat, dass heute, obwohl inzwischen eigentlich alle vernünftiger geworden sind, kein Geld mehr für Investments zur Verfügung steht.

Vor allem in die Frühphase eines Unternehmens investiert keiner mehr. Klar: Warum soll ich ein paar Millionen für ein Unternehmen zahlen, das gerade mal mit einer Idee anfängt, wenn ich an der Börse für das gleiche Geld ein vernünftiges Technologie-Unternehmen bekomme, noch dazu eines, das über die Kapitalmarktnotierung sogar liquide ist?

Die jungen Träumer bekommen gar kein Geld mehr. Die müssen so anfangen wie früher, aber das ist ja auch durchaus gesund. Als ich vor elf Jahren bmp gründete, hatte ich auch kein Geld. Wir haben als Beratungsgesellschaft ganz klein angefangen und sind dann über viele Jahre mit unseren Kunden gewachsen. Die jungen Gründer werden nicht mehr venture-backed, also von Anfang an mit genügend Startkapital ausgestattet sein; sie werden sich erst einmal beweisen müssen. Die VCs schauen heute vielmehr auf die erfahrenen Manager – aber das sind leider nicht die, die Unternehmen gründen.

Natürlich hat es uns auch selbst getroffen. Wir haben ziemlich stark Personal abgebaut, sind wesentlich schlanker geworden und müssen schauen, dass wir unsere operativen Kosten decken. Alle sind bescheidener geworden, die Branche ist gereift. Jetzt heißt es ganz einfach: stillhalten, Portfolio pflegen, sparsam mit dem Geld umgehen und abwarten. Die VCs haben gelernt, dass sie nicht Lotto spielen. Und dass man nicht immer einen Sechser ziehen kann.“

3 Ein volkswirtschaftliches Desaster

Dr. Hendrik Brandis
Der Luft- und Raumfahrtingenieur war Projektmanager bei MBB, Mitbegründer der Investmentgesellschaft GMM und Partner der Unternehmensberatung McKinsey & Company. 1997 gründete er mit Kollegen die Venture-Capital-Gesellschaft Earlybird.

„Die VC-Industrie ist in Deutschland immer sehr dünn besetzt gewesen. Die meisten Unternehmen sind erst im Zuge dieses unglaublichen Gründungs-Booms entstanden, wir selbst auch, und genauso schnell, wie viele Fonds zum Leben erweckt wurden, sind sie jetzt auch wieder gestorben. Ich halte das für ein volkswirtschaftliches Desaster, weil Venture Capital eine materielle Rolle spielt, um hier zu Lande künftige Arbeitsplätze und letztlich auch Technologie-Entwicklung zu sichern. In unserem Geschäft, der Unterstützung von Wachstumsindustrien, redet man ja schnell über tausende von Arbeitsplätzen. All das bricht jetzt weg. Unternehmer, auch sehr gute, bekommen häufig kein Geld mehr. Das bedeutet, dass technologische Innovationen nur noch in einem geringen Umfang finanziert werden. Auch unsere eigene Branche ist längst über die Phase des Gesundschrumpfens hinaus. Jetzt wird es tragisch, weil uns wesentliches Know-how verloren geht. In den USA gibt es viele tausend – neulich hörte ich die Zahl von 8000 – VC-Professionals, in Deutschland sind es wenige hundert, wahrscheinlich kaum mehr als 200. Die USA haben also 40-mal so viele Experten wie wir, dabei ist ihre Volkswirtschaft nur knapp fünfmal so groß wie unsere. Das ist eklatant. Wenn die Zeiten besser werden, wird uns nicht nur das Geld fehlen, sondern auch die Expertise, so dass wir die gleiche Lernkurve noch einmal durchmachen müssen.

Zurzeit sitzt das Geld schon sehr fest. Es werden wirklich nur noch die Allerbesten finanziert, und auch die können kaum noch um Anteile feilschen. Heute ist es schon ein Riesenerfolg, wenn man überhaupt noch Geld bekommt. Wir selbst machen uns inzwischen sehr stark darüber Gedanken, wie viel Geld ein Start-up in Summe braucht. Kapitalintensiven Unternehmen versuchen wir durch Konsortien von Anfang an die Finanzkraft zu stellen, die es ihnen erlaubt, bis zum Break-Even zu kommen; weil die Erfahrung inzwischen lehrt, dass es fast unmöglich ist, für angefrühstückte Deals anschließend Co-Investoren zu finden.

Wir verfolgen auch andere Wachstumsstrategien als früher. Vor drei Jahren noch hatten wir bei einigen Investments gleich drei Segmente und fünf Länder im Auge. Na ja, die „land-grab philosophy“ eben. Heute machen wir das ganz liebevoll: Da gilt es erst einmal, ein Segment und ein Land profitabel zu machen, danach kommt der nächste kleine Schritt und so weiter. Das führt dazu, dass man am Ende viel weniger Kapital braucht. Wir haben heute also ein deutlich günstigeres Einstiegsniveau sowie eine deutlich gestiegene Kapitaleffizienz und damit sehr viel bessere Rahmenbedingungen für Venture Capitalists. Das schlägt sich direkt in der Fonds-Performance nieder. Groteskerweise ist die Investorenperspektive aber genau umgekehrt. Heute schreien alle nach Old Economy und nach Buy-outs, dabei wäre gerade jetzt die Zeit für Venture-Capital-Investments. Es ist wie vor drei Jahren: der Lemminge-Effekt.

Für uns selbst bedeutet das alles natürlich einen unglaublichen Reifungsprozess. Wir sind ja noch jung, gegründet 1997, und wir machen seitdem im Zeitraffer einen Crash-Kurs für Extremsituationen im Venture Capital durch.“

4 Working harder

Max Burger-Calderon
Der Absolvent der Universität St. Gallen und Harvard-MBA arbeitete bei der Dresdner Bank in Singapur, wechselte zur Unternehmensberatung Boston Consulting Group und war in der Geschäftsleitung der Schweizer Burger Söhne AG tätig. 1986 gründete er zusammen mit Michael Hinderer die Corporate Finance Partners AG, die Vorläufergesellschaft der heutigen Apax Partners Beteiligungsberatung GmbH.

„Ich habe vor einigen Wochen einen spannenden Vortrag gehört. Ein amerikanischer Banker erzählte von seinen Anfängen als Broker bei Lehman Brothers. Es war wie heute: Die Zeiten waren schlecht, alle waren deprimiert, und da kam er auf die Idee, Mutual Funds, also Rentenfonds zu verkaufen. Bist du wahnsinnig, meinte sein Chef. Mutual Funds sind total unterbewertet, und wenn das Zeug unterbewertet ist, lässt es sich nicht verkaufen. Die Leute wollen nur Dinge kaufen, die völlig überbewertet sind. Diese Anekdote trifft auch auf unsere Branche zu. Als all die Start-ups hochgejubelt und überbewertet waren, wollte jeder einsteigen und den größten Blödsinn finanzieren. Heute, da alles viel günstiger ist, gibt niemand mehr Geld. Was lehrt uns das? Wir sind genauso beschränkt wie alle anderen auch.

Damals wollten alle mitmachen. Alle wollten VC werden, alle wollten die VCs finanzieren, es war wahnsinnig viel Geld da, und jeder hatte das Gefühl: Hier wird man ganz schnell reich. Und nun sind sie genauso schnell alle wieder von der Bildfläche verschwunden.

Die meisten Gründer gehen viel zu normal an die Sache. Die schreiben einen Businessplan, verschicken ihn und wollen dann mit Geldgebern verhandeln. Das klingt prima, funktioniert aber natürlich überhaupt nicht. Heute muss man viel kreativer sein. Wie viel Geld kann ich am Start aufnehmen? Was brauche ich für die nächste Runde? Was danach? Kann ich mich auch über Kundenkredite finanzieren oder über Lieferanten? Finanzierung ist eine Kunst, und nur wer die beherrscht, wird als Gründer erfolgreich sein. Auch die Geldgeber haben schwer gelitten. Was tun? Weitermachen, was sonst. Wer sich jetzt zurückzieht, katapultiert sich aus dem Markt. Denn irgendwann zieht die Konjunktur wieder an, und dann werden die Investoren mit denen zusammenarbeiten, die nicht davongerannt sind.

Wir haben natürlich mehr Angst als vorher, sind kritischer. Und weil jeder weiß, dass er mit einem Unternehmen mehrere Finanzierungsrunden machen muss, nimmt er gleich Partner mit ins Geschäft. Besonders clever ist das nicht: Wenn es ganz gefährlich wird, können wir uns gegenseitig die Hände halten, dann haben wir weniger Angst. Und natürlich sind wir gedemütigt: Wir wissen jetzt, dass wir genauso wenig wissen wie alle anderen. Die richtige Strategie? You can only outfit the competition by working harder.“

5 Die Bereitschaft zum Teilen ist groß

Alexander Brühl
Der Ingenieur für Elektrotechnik arbeitete zunächst als Marketingchef und später als Leiter der strategischen Planung bei einem Software-Unternehmen, bevor er die Unternehmensberatung Solution Analysis Group gründete. 1998 wechselte er als Principal zu Atlas Venture und leitet dort das Münchner Büro.

„Aus meiner Sicht hat sich eine ganze Menge auch zum Positiven verändert. Man kann Venture Capital wieder so betreiben wie vor dem Hype. Und beispielsweise ein Investment ordentlich überprüfen, bevor man sich entscheidet. In der Hochphase war das ja alles nicht mehr möglich, da musste eine Entscheidung innerhalb von 14 Tagen getroffen werden, sonst hatte der Konkurrent die Firma ergattert. Was sich auch verändert hat: Jeder Investor war davon überzeugt, dass es nur darum geht, am Erfolg zu partizipieren. Risiko und Fehlschläge hat man gar nicht gekannt. Jeder wollte das ganze Stück des Erfolgskuchens, also hat jeder gegen jeden um den besten Deal gekämpft. Neuerdings ist die Bereitschaft zum Teilen sehr groß geworden. Konkret heißt das: Investments werden kaum noch von einem Investor allein gemacht, die Vorbereitungen laufen auch nicht mehr versteckt. Stattdessen versucht jeder, schnell Partner zu finden. Das ist sicher das Schlagwort für unsere Branche seit 2002: Syndication.

Ein Ideal-Syndikat besteht für mich aus zwei sehr finanzkräftigen großen Geldgebern mit ,deep pockets‘ und dem klassischen Corporate-VC, der etwas kleinere Taschen hat, aber dafür das fundierte Know-how, das dem Unternehmen weiterhilft. Und mit diesen Zutaten hat ein Unternehmer auch heute noch gute Chancen, eine tolle Firma aufzubauen.

Tatsächlich sind die Gründer aber eher dünn gesät. Jedenfalls diejenigen, die wir für geeignet halten. Die Zweit-Anläufer sind es nämlich eher nicht. Natürlich haben die viel gelernt, aber sie hatten beim Start praktisch null Erfahrung. Jetzt haben sie ein Jahr Praxis, von der Gründung bis zur Insolvenz, da kann man noch nicht von einer reifen Entrepreneur-Kultur reden. Ich halte auch nicht jeden Fehler für eine Chance. Deshalb suchen wir zurzeit auch eher die alten Hasen. Leider ist deren Bereitschaft, ins unternehmerische Risiko zu gehen, traditionell nicht besonders ausgeprägt. Wenn möglich, ist das seit dem Crash noch weniger geworden.

Was sich bei uns selbst geändert hat? Wir haben im Dezember einen Fonds, der ursprünglich 980 Millionen Dollar groß war, auf 600 Millionen reduziert. Das haben fast alle Großen getan, weil sich die Buying-Power stark verändert hat. Heute kann man für viel weniger Geld viel mehr Anteile kaufen. Ein Fonds, der im Jahr 2000 eine Milliarde groß war, ist heute von seiner Kaufkraft ungefähr drei Milliarden groß – logisch, dass sich die Fonds den Marktgegebenheiten anpassen.

Wohin unser Geld geht? Der Kommunikationsmarkt ist zurzeit sicher dicht. Weil die Lager der großen Netzwerkbetreiber noch viel voller sind, als wir alle glaubten. Alle Analysten sprachen davon, dass die Equipment-Lager der Großen Anfang 2003 zur Neige gehen würden, womit sie gezwungen gewesen wären, neu einzukaufen. Das war aber eine Fehleinschätzung, deshalb investiert in diesen Bereich – vom Halbleiter- bis zum Systemhersteller – im Moment eigentlich niemand. Wir investieren in Ideen, die ein so genanntes Asset-Sweating ermöglichen. Überall da, wo neue Technologien helfen, die alten noch besser auszuquetschen, machen wir mit. Das ist, wenn man so will, alles, was den etablierten Betreibern hilft zu wachsen, ohne dass in neue Infrastruktur investiert werden muss. Geld bekommen zudem nur noch die einfachen Modelle: Firmen, die möglichst alles outsourcen – produktionslose Unternehmen. Und da bleiben wir dann auch. Unsere Verweildauer liegt bei dreieinhalb bis fünfeinhalb Jahren. In der Hype-Phase gab’s schon mal Exits mit einer halben Milliarde nach wenigen Monaten. Aber das waren Ausreißer. So etwas kommt nie wieder.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.