Jeder das Seine

Nur wenn jeder Mitarbeiter die für seine Aufgabe wichtigen Qualitätskriterien kennt, entstehen am Ende hochwertige Produkte. 
Bei der Beiersdorf AG, die von Verbrauchern regelmäßig Bestnoten für die Glaubwürdigkeit und Güte ihrer Produkte wie Nivea, Labello oder Eucerin erhält, heißt Qualität deshalb: mutige Vorgesetzte. Gewonnene Gerichtsprozesse. Schnelle Antworten. Gesunde Mitarbeiter. Einfache Sprache. Das richtige Tempo. Neue Kleidung. Eindeutige Produktnummern. Oder weniger Dreck. Je nach dem, wen man befragt.




DR. HEINER MAX (42),
seit elf Jahren bei Beiersdorf. Als Leiter der Forschungsabteilung Körperpflege (Research Personal Care) ist es seine Aufgabe, neue Wirkstoffe zu entwickeln, mit denen Produkte wie Nivea-Shampoo oder -Deo verbessert werden.

„Einen Bewerber frage ich grundsätzlich erst einmal nach seinen Erfahrungen bei eigenen Projekten. Lief dabei alles super, ist es der falsche Kandidat. Ein Blender. Einer, der Dinge tendenziös betrachtet und nicht in der Lage ist, sich kritisch zu fragen, was genau die Erfolgsfaktoren waren. So jemanden brauchen wir nicht, denn Fehler gehören bei uns zum Tagesgeschäft. 50 bis 80 Prozent unserer Projekte bringen nicht die Ergebnisse, die wir uns erhofft hatten, das kann extrem frustrierend sein. Wenn wir die Qualität unserer Forschung verbessern wollen, müssen wir dennoch jedes Mal die Schwachstellen gründlich und ehrlich anschauen und aus unseren Erkenntnissen für das nächste Projekt lernen.

Ich glaube, das geht nur, wenn ich als Vorgesetzter eine angstfreie Atmosphäre schaffe. Ich bemühe mich daher, das Eingestehen von Fehlern zu loben, die Mitarbeiter für das Erkennen auch kleiner Fortschritte zu sensibilisieren und flexibel mit Resultaten umzugehen: Ein Wirkstoff regt den Kopfhaarwuchs leider doch nicht an? Vielleicht ist er ja hilfreich bei der Entwicklung eines Produktes zum Enthaaren?
Handwerklich machen wir die Qualität unserer Studien an den Gütekriterien der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft fest. Das sind die notwendigen Bedingungen. Entscheidend sind aber die Bedürfnisse der Verbraucher. Egal, wie signifikant unsere Studien auch zeigen mögen, dass ein neuer Wirkstoff den Haarglanz erhöht: Solange die Konsumenten das nicht spüren, sind wir nicht gut genug. Deshalb arbeiten wir eng mit den Produktentwicklern und dem Marketing zusammen. In unterschiedlichen Gruppen diskutieren wir immer wieder auch, wie weit wir mit Produktversprechen gehen können. Als Forscher muss man lernen, klare Aussagen zu formulieren – und sie gegen Aufweich-Versuche vom Marketing zu verteidigen. ,Nein‘ zu sagen, wenn es Unsicherheiten bei der Wirkung des Produktes gibt. Und die Spannung zu ertragen, wenn man feststellt: Die Konkurrenz würde mit denselben Ergebnissen mehr versprechen. Uns Forschern muss es vor allem gelingen, unsere oft sehr komplexen Resultate in einfachen Worten darzustellen. Nur dann akzeptieren die Kollegen vom Marketing, dass wir als Verspre- chen auf eine Packung nur fünf Jahre Hautverjüngung schreiben wollen und nicht zehn. Nur dann verstehen die Kollegen aus der Presseabteilung, was genau wieder falsch war an dem, was Journalisten im Öko-Test behauptet haben. Und nur dann kann man einem Richter, der keine Ahnung von Chemie hat, erklären, warum die Klage der Konkurrenz haltlos ist. Überhaupt, die Reaktionen der Konkurrenz: Im Grunde gibt es kaum einen besseren Beleg für die Qualität der eigenen Arbeit, als dass man erst verklagt wird – und am Ende vor Gericht gewinnt.“

VOLKER POHLMANN (54),
seit 28 Jahren bei Beiersdorf, ist Leiter der Küche, die täglich rund 3500 Menschen versorgt.

„Kantine? Das Wort höre ich nicht so gern. Wir sind ein Restaurant. Und die Mitarbeiter, die mittags zu uns kommen, sind unsere Gäste – auch wenn sie nicht zwischen sieben Fleischsorten und fünfzehn Beilagen wählen können. Wer zu uns kommt, schätzt den Service und weiß, dass wir sehr genau auf eine ausgewogene Ernährung achten. Diese Verantwortung für die Gesundheit der Gäste empfindet jeder, der hier bei uns in der Küche arbeitet. Für mich ist das die Basis: die Bereitschaft und die Fähigkeit der Köche, diese Verantwortung zu übernehmen.

Wären wir nicht nur für das Mittagessen, sondern für die komplette Ernährung zuständig, würden wir die Qualität unserer Arbeit auch daran messen, ob unsere Kunden übergewichtig sind oder nicht. So halten wir uns an andere Belege für die Zufriedenheit. Das ausgesprochene Lob. Die Tatsache, dass sich die Leute unsere Rezepte aus dem Internet herunterladen. Dass sie zahlreich und gerne an den Kochkursen teilnehmen, die wir anbieten. Dass wir als Küche mit Preisen ausgezeichnet werden. Wir bekommen auch viele Mails – auf die wenigen Beschwerden reagiere ich fast immer innerhalb von 24 Stunden.

Natürlich sind auch Arbeitsprozesse und Produkte wichtig. Das Gemüse kommt aus biologischem Anbau. Stallungen der Landwirtschaftsbetriebe oder Schlachtereien, über die wir unser Fleisch beziehen, inspizieren wir in regelmäßigen Abständen. Selbst für die Ordnung im Lkw-Fahrerhaus eines Lieferanten oder für die Sauberkeit der Kleidung des Fahrers interessieren wir uns. In der Küche steht ein großer Ordner – unser Kontrollsystem, in dem wir jedes Detail für jeden Arbeitsprozess aufführen.

Schon die Auszubildenden müssen den richtigen Umgang mit den Produkten lernen: Wer einen Fisch einfach auf den Tisch wirft, der bekommt was zu hören. Das letzte halbe Jahr ihrer Ausbildung verbringen sie in der Küche des Hotels ,Vier Jahreszeiten‘ oder im Gourmetrestaurant ,Tafelhaus‘. Nicht selten werden sie von den renommierten Häusern anschließend übernommen. 2005 wurden wir vom Verband der Köche zum deutschen Topausbilder gekürt. Viele Lieferanten halten uns für pingelig. Das macht uns stolz.Wissen Sie, ich sehe mich und die Küche als ein Rad im großen Getriebe. Wenn beispielsweise von Nivea ein neues Haarpflegeprodukt auf den Markt kommt, denke ich: Je besser wir die Mitarbeiter ernähren, desto seltener werden sie krank, umso zufriedener sind sie, umso produktiver arbeiten sie, umso erfolgreicher ist Beiersdorf, umso höher ist die Sicherheit der Arbeitsplätze und umso höher wiederum ist die Zufriedenheit mit der Küche und in der Küche. Die Anstrengung für gute Arbeit kommt also wieder zurück. Qualität lohnt sich – allein schon wegen des guten Gefühls, mit erhobenem Haupt über den Hof gehen zu können.“

BARBARA MILKE (37),
seit zehn Jahren im Unternehmen. Die Leiterin des Bereichs Succession Planning & Recruitment-Programs ist verantwortlich für den Managementnachwuchs und die Nachfolge-Planung für Führungspositionen.

„Eigentlich geht es bei dem, was ich tue, um die Antwort auf eine einzige Frage: Wie können wir sicherstellen, dass die richtigen Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt für unsere Schlüsselpositionen zur Verfügung stehen?

Daneben sind natürlich tausend andere Dinge wichtig. Etwa auf einer Bewerbermesse: Wie sieht unser Stand aus? Welche Kollegen begleiten mich, und wie berichten sie von ihrem Job? Wie viele Hochschulabsolventen bewerben sich am Ende? Wie gut sind die, die wir dann einstellen? Und werden sie während ihres Praktikums oder ihrer Trainee-Zeit gut betreut? Oder wenn es darum geht, Topmanagement-Positionen zu besetzen: Wird unsere Planung tatsächlich auch umgesetzt?
Zwei Faktoren beeinflussen die Qualität meiner Arbeit mehr als alles andere. Erstens das Beurteilungssystem. In dieses weltweite System fließen alle Beobachtungen und Informationen etwa aus Feedback-Gesprächen über die Leistung und das Potenzial ein, daraus ergibt sich ein Talent-Status des jeweiligen Mitarbeiters, weltweit. Ist das System schwer verständlich, nicht transparent, uneinheitlich oder werden mit ihm wesentliche Erfolgsmerkmale nicht berücksichtigt, können wir die Entwicklung unserer Mitarbeiter schlechter planen. Je besser das System, desto besser meine Arbeit.
Aber klar: Ein Beurteilungssystem kann letztlich nur so gut sein wie die Beurteilungen, die einfließen. Die müssen richtig sein, und richtig heißt vor allem ehrlich. Die Mitarbeiter haben damit die geringsten Probleme – sie sind an einer realistischen Einschätzung ihrer Leistung interessiert. Sie wollen wissen, was Sache ist. Und sie wollen auf keinen Fall Vorgesetzte, die ihnen zum Beispiel eine Karriere versprechen, obwohl längst klar ist, dass es sie nicht geben wird. Falls es einmal um solche Nachrichten geht, sind Mut und Fingerspitzengefühl gefragt.
Wir bieten unseren Führungskräften eine Reihe von Fortbildungen an. Hier werden Methoden vermittelt und ganz praktisch geübt. Denn nur wenn Vorgesetzte in diesem sensiblen Bereich kompetent sind, werden die Mitarbeiter unsere Einschätzungen als gerecht, nachvollziehbar und damit vielleicht sogar als hilfreich für ihren Werdegang bewerten.“

DR. HANS-HENRY WENDT (58),
seit 24 Jahren bei Beiersdorf, ist der Leiter Plan and Deliver. Er ist für die logistische Entwicklung der Wertschöpfungskette verantwortlich und dafür, dass neue Produkte in die Logistik eingebunden werden.

„Eigentlich ist es ganz einfach: Weltweit sollen Produkte zu Kunden gelangen – genau wie sie es möchten und genau dann, wann sie es möchten. Wie gelingt das? Indem wir gut mit ihnen zusammenarbeiten. Wie arbeiten wir gut mit ihnen zusammen? Indem wir auf ihre Bedürfnisse und Wünsche eingehen. Wie können wir auf ihre Wünsche eingehen? Indem wir ein flexibles Logistiksystem benutzen. Was ist die Grundvoraussetzung für ein flexibles System? Eine einheitliche Basis.

Dieses Fundament bildet unser Stammdatensystem. Es ist großartig, aber das muss man wohl erklären. Früher konnte es passieren, dass ein und dieselbe Produktnummer in Südamerika für Nivea Visage stand, in Japan dagegen für Nivea Sonnencreme. Oder eine Nummer in Afrika bezifferte die Produktgruppe Körperlotion, in Europa hingegen Haarpflegemittel. Man kann sich die Folgen weltweit vorstellen. Das klingt haarsträubend? Sehr viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen kämpfen bis heute mit diesem Problem. Denn der Aufbau eines international gültigen, intelligenten, also offenen und flexiblen Systems ist nicht nur hochkomplex, er ist auch sehr mühsam. Aber es ist die Voraussetzung für Qualität.
Glücklicherweise sah das die Konzernleitung ähnlich. Als wir seinerzeit unsere Vision von einer wirklich guten Logistik vortrugen, sagte der damalige Vorstand Kunisch sofort: Ich bin ab sofort der Pate der Stammdaten. Danach bekamen wir Zeit, in jedem Land, in dem Beiersdorf tätig ist, sechs Wochen lang die dortigen Produktnummern zu erheben, wir haben insgesamt drei Jahre für die Entwicklung unserer Stammdaten gebraucht. Herausgekommen ist ein einmaliges System, das wir mühelos an die Bedürfnisse der Kunden anpassen können. Wir können neue Produkte leicht integrieren und alte, überflüssige Produktnummern löschen. Toll.
Woran ich merke, dass wir gut gearbeitet haben? Zum Beispiel an der Reaktion unseres damaligen Geschäftsführers in Italien. Als der – eigentlich ein kreativer Marketingmann mit wenig Sinn für trockene Themen – sagte, er wolle unbedingt dieses neue Stammdatensystem, da wusste ich, wir haben mit unserer Arbeit überzeugt. Inzwischen werden wir auch von der Konkurrenz eingeladen, Vorträge über das System zu halten. Kürzlich musste ich nach Bangkok. Als ich morgens in Schleswig-Holstein aufbrach, schneite es. Ich ließ mich von meiner Tochter im Schnee bei null Grad Celsius fotografieren, lud das Foto als Startbild in meine Präsentation und begann meinen Vortrag mit den Worten: ,Meine Damen und Herren, gestern war es in Deutschland genauso warm wie jetzt in Thailand: 32 Grad.‘ Kurze Pause. Verdutzte Gesichter. ,32 Grad Fahrenheit.‘ Warum Stammdaten für die Qualität unserer Logistik so wichtig sind, war sofort allen im Raum klar.“

DR. DIRK ALERT (51),
seit 22 Jahren im Haus, ist Leiter des weltweiten Qualitätsmanagements. Er ist unter anderem dafür zuständig, dass nur einwandfreie Waren auf den Markt gelangen.

„Qualität kann man nicht in Produkte oder Dienstleistungen ,hineinprüfen‘. Qualität erreicht man auch nicht über Sanktionen und Strafen. Qualität erlangt man, indem man prozessorientiert arbeitet. Je besser ein Prozess, desto besser ist daher die Qualität unserer Arbeit.

In den vergangenen Monaten habe ich mich besonders mit dem Thema Innovation beschäftigt. Weil die Neuentwicklung eines Produktes nicht nur sehr wichtig, sondern auch extrem kostspielig ist, sollte dieser Prozess so gut ausgearbeitet sein, dass alle wichtigen Schritte schnell und präzise ausgeführt werden. Aus diesem Grund haben wir mit den einzelnen Fachabteilungen den Innovationsprozess untersucht und neu beschrieben. Gut vordenken und dann schnell arbeiten, statt erst beim Arbeiten nachzudenken, heißt die Devise. Gelingt uns das, arbeiten die Kollegen die Innovationsschritte sorgfältig ab? Auch das ist ein Kriterium für die Qualität meiner Arbeit.
Ich habe auf verschiedenen Gebieten zu tun. Auch in der Produktion beschäftigen wir uns mit Prozessen. Dazu analysieren und optimieren wir in einem ersten Schritt genau die Produktionsprozesse, dann legen wir Kennzahlen fest. Durch sie geben wir den Kollegen Möglichkeiten an die Hand, Probleme möglichst frühzeitig zu identifizieren, wenn doch einmal etwas aus dem Ruder zu laufen droht.
Ein weiterer großer Bereich, in dem ich mich bewege, betrifft die Identifizierung von neuen Feldern, in denen wir uns in Sachen Qualität von der Konkurrenz abheben können, etwa im Verbraucher-Service. Noch vor wenigen Jahren konnte es passieren, dass Kunden erst nach Wochen eine Antwort auf einen Beschwerdebrief bekamen. Als dann noch die Mails dazukamen, war unser damaliges System definitiv zu langsam. Wir wussten, dass wir schnell handeln mussten, denn Kunden, die lange auf eine Antwort warten, ärgern sich dreimal: einmal, wenn das Produkt nicht ihren Vorstellungen entspricht. Ein zweites Mal, wenn sie wochenlang keine Reaktion bekommen. Und ein drittes Mal, wenn sie nach sechs Wochen an ihren Ärger erinnert werden.
Was wir gemacht haben? Wir haben uns den Prozess angeschaut, und dann haben wir entscheidende Kleinigkeiten verändert. So haben wir etwa die Regel abgeschafft, dass man mit dem Antwortschreiben warten muss, bis das Labor mitteilt, warum genau der Labello-Stift abgebrochen ist – das interessiert uns für interne Fehleranalysen, den Kunden interessiert es nicht. Oder wir haben uns darauf geeinigt, dass nicht mehr jeder Brief auch noch vom Vorgesetzten unterschrieben werden muss.
Heute werden Mails innerhalb von 24 Stunden beantwortet. Kunden schreiben uns Dankesbriefe, weil wir so schnell reagiert haben. Wir verlieren Kunden, die sauer sind, nicht mehr – im Gegenteil: Wir verbessern die Qualität der Beziehung. Das motiviert natürlich auch die Kollegen in der Beschwerdestelle, weil sie durch das gute Feedback einen direkten, positiven Nutzen aus der Prozessverbesserung ziehen.
Was ich damit sagen will? Die wesentlichen Erfolgsfaktoren, um exzellente Qualität zu erreichen, sind gute Geschäftsprozesse. Und damit erreichen wir dann auch eine hohe Zufriedenheit aller Beteiligten, weil jeder von verbesserten Prozessen profitiert.“

HEINZ JÜRGEN STÜTING (55),
seit 14 Jahren im Haus. Seit 1998 leitet er den Umbau eines ehemaligen polnischen Kombinats zu einer Tochtergesellschaft des Beiersdorf-Konzerns und musste unter anderem die Mitarbeiterzahl von rund 1500 auf 370 reduzieren. Mittlerweile hat der Pro-Kopf-Umsatz des polnischen Werks den mittleren Konzerndurchschnitt erreicht.

„Die Ziele waren klar: Die Qualität unserer Produkte sollte kompromisslos gut und Nivea zur Kosmetikmarke Nummer eins in Polen gemacht werden. Die technischen Anlagen sind dafür nicht entscheidend, die kann man kaufen. Entscheidend würden die Mitarbeiter sein und die Frage: Wie gewinnt man Menschen für einschneidende Veränderungen? Von einer guten Antwort hing die Qualität meiner Arbeit ab.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen war bereits erfüllt: Wir hatten ein großes, aber realistisches Ziel, auf das wir alle kleineren Zwischenziele ausrichten konnten. Also fingen wir sofort mit der Umsetzung an. Nur wer gute Etappenziele formuliert, solche, die motivieren, fängt auch schnell an zu arbeiten. Und je schneller man die Probleme anpackt, desto weniger Zeit haben die Mitarbeiter zu zweifeln. Unsicherheit lähmt.
Ob man besser Schreckensszenarien entwirft und klarmacht, was passiert, wenn nichts passiert – oder eher versucht, die Mitarbeiter über eine positive gemeinsame Vision zu motivieren? Ich glaube, man braucht eine Mischung aus beidem, um die Notwendigkeit für die Veränderung deutlich und die Ziele transparent zu machen. Am allerbesten aber: weniger reden und stattdessen selbst mit anpacken, um damit vielleicht als Vorbild zu dienen. Mich nervt, dass überall Papier herumliegt und die Leute noch immer jedes Formular in Papierform bearbeiten, statt es auf ihrem Computer zu speichern. Also habe ich persönlich eine Art Schrankkontrolle vorgenommen, wir haben insgesamt 21 Kubikmeter Büromüll entsorgt. Danach habe ich mir den kleinsten aller Büroschränke gekauft.

Für einen Wandel, wie wir ihn hinter uns haben, braucht man Menschen, die mitziehen. Das kann nicht jeder, deshalb muss man zunächst einmal vor allem beobachten. Wie packt jemand eine Aufgabe an? Geht er auf ein Problem zu, oder ist er defensiv und zögerlich? Besitzt er die Fähigkeiten, die für einen langwierigen Veränderungsprozess nötig sind? Wenn jemand nicht in der Lage ist, die neuen notwendigen Fertigkeiten zu erlernen, muss man sich, so bitter das ist, von ihm trennen. Im anderen Fall muss man ihn, so schnell es geht, schulen. Je besser und ehrlicher man die Potenziale der Mitarbeiter einschätzt, desto höher ist die Qualität der Veränderung.

Ob ich meine Ziele erreicht habe? Das sehe ich am besten in den Gesichtern der Kollegen. Häufiges Lächeln ist ein Zeichen. Wache Augen. Oder die Art, wie sie sich kleiden: Ziehen sie ihre neueren, guten, sauberen Kleider an? Oder kommen sie mit ihren ältesten Klamotten, getreu dem Motto aus der alten Zeit: Für die Arbeit sind die doch noch gut genug!“

ULRIKE VOLLMOELLER (42),
seit 16 Jahren bei Beiersdorf, ist für das weltweite Marketing der Produktgruppe Face Care verantwortlich, unter die alle Nivea-Gesichtspflegeprodukte fallen.

„Wie gut verstehen wir die Bedürfnisse unserer Kunden? Von dieser Frage hängt die Qualität unserer Arbeit ab. Deshalb gibt es eine Abteilung innerhalb des Marketings, die sich nur mit Consumer Insights beschäftigt. Deshalb veranstalten wir Gruppendiskussionen mit Verbrauchern. Deshalb hören wir zu. Ganz oft heißt es da: Wenn Nivea etwas verspricht, dann glauben wir das. Ein besseres Lob für die Qualität unserer Arbeit kann es kaum geben. Leider beantwortet es nicht die Frage, bei welchen Themen die Verbraucherüberhaupt bereit sind, uns zuzuhören. Und wie gelingt es uns anschließend, die Anregungen des Kunden so umzusetzen, dass sie sich auch wirklich im Endprodukt niederschlagen? Die Kunst besteht darin, sich trotz aller Euphorie über neue Wirkstoffe, die die Forschungsabteilung gefunden hat, trotz der Versuchung, sich mit einzigartigen, schön klingenden Produktversprechen gegenüber dem Wettbewerb zu profilieren, und trotz der Begeisterung für eigene Ideen, immer wieder zu erden. Luft zu holen. Und die Frage zu wiederholen: Was will der Verbraucher?

Aus Flops im Markt lernen wir oft mehr als etwa aus Produkten, die sich mittelmäßig verkaufen. Vor einiger Zeit haben wir beispielsweise eine ganz neue Anti-Falten-Creme für Frauen um die 30 entwickelt. Das Produkt hätte ein Erfolg werden müssen, zumindest laut unseren Berechnungen, aber es blieb nach der Markteinführung in den Regalen liegen. Wir waren ratlos. Daraufhin haben wir eine Verbraucherstudie in Auftrag gegeben, um den Grund für den Misserfolg zu erforschen. Dabei stellte sich heraus, dass die Verpackung den Frauen nicht gefiel. Dass die Werbung nicht passend war. Vor allem aber: Obwohl 30-Jährige schon über die ersten Falten klagen, wollen sie das Thema ,Altern‘ am liebsten verdrängen – sie wollen es jedenfalls ganz bestimmt nicht in Form eines Produktes in ihrem Badezimmer manifestieren. Uns war diese Widersprüchlichkeit bisher nicht so deutlich.

Das Ergebnis der Fehleranalyse: eine Neueinführung im Anti-Aging-Bereich, bei der die Entwicklung Schritt für Schritt mit der Zielgruppe, Frauen um die 40, überprüft wurde. Diesmal scheinen wir alles richtig gemacht zu haben. Die Produktlinie ist ein voller Erfolg!“

CHRISTIAN JUST (61),
seit 29 Jahren bei Beiersdorf, ist Betriebsleiter im Produktionswerk 1 in Hamburg, wo täglich zum Beispiel 150.000 Dosen Nivea-Creme, 900.000 8x4 Roll-on-Deos und 300.000 Flaschen Nivea After Shave Balsam für den europäischen Markt produziert werden.

„Woran ich Qualität festmache? An der technischen Qualität unserer Anlagen. An der Materialqualität der Rohstoffe, die wir geliefert bekommen. An der Qualität des Personals, das in der Produktion arbeitet. An der Qualität des Arbeitsplatzes und der Arbeitsprozesse. An der Lebensqualität der Mitarbeiter. Und an der Service-Qualität, etwa bei der Lieferpünktlichkeit. Je weiter man als Führungskraft von den eigentlichen Produktionsprozessen entfernt ist, desto abstrakter und schwerer greifbar wird der Qualitätsbegriff. Gleichzeitig gilt der alte Satz, gerade wenn es um die Qualität geht: Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken!

Damit ist auch die wichtigste Frage definiert: Wie schafft man es, auch von weit oben, Einfluss zu nehmen auf die Qualität der Arbeit? Nun, indem man klare, präzise Anweisungen erteilt. Indem man Mitarbeitern vertraut und Freiraum gibt, aber auch kontrolliert. Indem man auch mal ordentliche Feiern veranstaltet, wenn etwas sehr gut geklappt hat. Indem man Fortschritte registriert und nicht dauernd auf den Schwächen herumtrampelt – und indem man erkennt, wann einer am falschen Platz ist.

Ich erinnere mich gut an einen Handwerker, der für die Wartung und Reparatur der Maschinenanlagen zuständig war. So sehr er sich auch abmühte, er erfüllte nicht meine Erwartungen. Nach einem langen Gespräch machte ich ihm den Vorschlag, den Job innerhalb der Produktion zu wechseln und Maschinenführer zu werden. Dort leistet er heute vorzügliche Arbeit. Personalmanagement ist also extrem wichtig für die Qualität in der Produktion, aber auch altmodische Themen wie Anstand und Ordnung haben eine Bedeutung. Fragen Kollegen aus anderen Unternehmensbereichen nach einer Führung durch die Produktion und werden zum vereinbarten Termin versetzt, bin ich mir nicht zu schaden, so etwas persönlich zu klären. Ich spreche es an, wenn der Umgangston innerhalb der Belegschaft rau wird. Oder wenn die Sozialräume mal wieder unaufgeräumt sind. Kleinigkeiten wie diese sind die wahren Indizien für die Qualität unserer Arbeit. Denn die setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Und nur, wenn die alle auf einem guten Niveau sind, stimmt am Ende auch die Qualität unserer Produkte.

Fatal ist nur, man muss die Dinge immer und immer wiederholen. Jeder neuen Führungskraft sage ich deshalb gleich zu Beginn: ,Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie die nächsten zehn Jahre jede Woche dieselben Sätze sagen werden.‘ Gutes Management funktioniert nicht anders als Kindererziehung. Sie brauchen Durchhaltevermögen und Geduld. Und Sie müssen sehr aufmerksam beobachten: Oft erkennt man die Qualität einer Arbeit nicht daran, dass etwas immer sauberer wird – es wird aber auch nicht langsam dreckig.“

Die Beiersdorf AG in Zahlen

Gründung:1882, Firmensitz Hamburg
Umsatz 2006:5,12 Milliarden Euro
EBIT 2006:590 Millionen Euro
Umsatzrendite nach Steuern 2006:7,5 Prozent
Mitarbeiter: rund 17.300, davon etwa 6000 in Deutschland
Hauptaktionär:Tchibo Holding AG (50,46 Prozent)
Tochtergesellschaften: mehr als 100
Marken:Nivea, Labello, 8x4, La Prairie, Eucerin, Atrix, Juvena, Hansaplast/Elastoplast, Florena, Tesa

Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.