Blühender Handel

Die Vereinigte Blumenversteigerung Aalsmeer handelt mit allem, was Grün ist und nicht essbar: Rund 22 Millionen Blumen und Pflanzen aus knapp 50 Ländern wechseln hier täglich den Besitzer – und landen anschließend in Blumenläden 80 verschiedener Länder. Ein Geschäft, in dem Koordination und Geschwindigkeit zählen. Denn Schönheit und Wert der Ware sind vergänglich.




Perfekt. Die 2000 weißen Rosen „Akito“ aus Kenia gehören ihm. 20 Cents pro Stängel. „Ein guter Preis.“ Reinier Elbertsen ist zufrieden. Aber nicht lange. Keine Zeit zur Freude, die nächste Auktion läuft bereits. Hier entscheidet der Bruchteil einer Sekunde, ob der Einkäufer des niederländischen Blumenexporteurs Hilverda De Boer ein gutes Geschäft macht. Oder ob dem 42-Jährigen ein Mega-Deal entgeht.

Elbertsen sitzt auf einem unbequemen Holzstuhl in einer der Auktionshallen im niederländischen Aalsmeer, ein Finger ruht auf dem schwarzen Knopf, der in das Holzpult vor ihm eingelassen ist. Ein Knopfdruck, ein Bietsignal, vielleicht ein Zuschlag. Vor Elbertsen, auf der Bühne, zieht auf Schienen ein endloser Blumengarten mit all den Schönen vorbei, die gerade verkauft werden. Um ihn herum sitzen rund 500 Mitbieter an ihren Pulten, die steil wie in Hörsälen abfallen. Amphitheater des Blumenhandels.

Kaufen im Sekundentakt

Neben der Bühne sitzt der Auktionator und spult Sorten, Mengen und Preise der angebotenen Pflanzen herunter. Elbertsen lauscht ihm über Kopfhörer, registriert den vom Taktvorgeber am Anfang jeder Versteigerung geforderten Höchstpreis, der sich Schritt für Schritt verringert. Auf einer an die Frontwand projizierten Riesenuhr rast parallel ein roter Punkt wie eine Roulettekugel gegen den Uhrzeigersinn auf null zu. Eine Runde dauert fünf Sekunden, die maximale Länge einer Auktion. Fünf, vier, drei, zwei ... Die Uhr läuft, bis Elbertsen oder einer der anderen Einkäufer auf den schwarzen Knopf am Pult gedrückt hat. Dann stoppt der rote Punkt für einen Moment. Und dreht quasi sofort die nächste Runde. Die nächste Auktion läuft. 1500 Transaktionen stündlich schaffen sie an einer Uhr. 13 Auktionsuhren gibt es in Aalsmeer insgesamt. Kaufen im Sekundentakt.

Die Vereinigte Blumenversteigerung Alsmeer ist so etwas wie die Wall Street für alles, was grün und nicht essbar ist. Zwar gibt es noch andere Auktionshäuser, in den Niederlanden wie auch in anderen Städten Europas oder in Übersee, doch eine Auswahl wie in Aalsmeer haben Händler nirgendwo sonst auf der Welt. Rund 30 Prozent des Welthandelsvolumens an Blumen passieren die Hallen inmitten eines Gewerbegebiets der niederländischen Kleinstadt Aalsmeer, nur 15 Minuten vom Amsterdamer Flughafen Schiphol entfernt. Mit einer überdachten Fläche von einer Million Quadratmetern ist das Auktionshaus das größte Handelsgebäude des Planeten. Halb so groß wie Monaco, so weitflächig wie 165 Fußballplätze. Drinnen erstreckt sich ein endloses Blumenmeer. 19 Millionen Stück Blumen und zwei Millionen Pflanzen wechseln hier täglich den Besitzer. Insgesamt 12.000 verschiedene Sorten. Rosen und Tulpen sind am beliebtesten, aber auch Chrysanthemen, Gerbera und Lilien sind gefragt. Jedes Jahr gehen Blumen im Wert von rund 1,6 Milliarden Euro durch die Hallen. Ein lohnendes Geschäft. Und eines, in dem Geschwindigkeit zählt.

Schnittstelle zwischen Erzeugern und Händlern

Kein Markt ist schneller als der für Blumen. Ihre Schönheit ist vergänglich, das macht sie begehrt. Kurzfristig: Mit jedem Tag verliert eine Blume etwa 15 Prozent an Wert. Deshalb muss alles ganz fix gehen. Während der Auktion, aber auch davor und danach. Hunderttausende Rosen, Tulpen, Narzissen oder Gerbera werden erst Stunden vor der Auktion geschnitten – und sind bereits einen Tag nach dem Verkauf in Aalsmeer in Fachgeschäften und Supermärkten, an Tankstellen und auf Wochenmärkten in ganz Europa zu haben. Jeden Tag liefern rund 2500 Lastwagen ihre kostbare Ware aus knapp 50 Ländern in den Niederlanden aus, nach der Auktion sorgt die Lkw-Flotte für eine Verteilung an die neuen Besitzer in mehr als 80 Ländern der Welt. Was in Aalsmeer ankommt, wird auch wieder verkauft. Aufs Jahr gerechnet, bleibt das Auktionshaus auf weniger als einem halben Prozent aller gehandelten Waren sitzen.

12.000 Menschen halten den Blumenmarkt vor Ort in Bewegung. Einfuhr, Umschlag und Verteilung sind eine Herkulesaufgabe. Jeden Tag. „Wir handeln hier zwar mit Blumen“, sagt Cees Pingen, der für den reibungslosen Handelsverlauf in den Hallen verantwortlich ist, „aber eigentlich sind wir ein Logistik-Unternehmen. Die Auktion ist eine effiziente Schnittstelle zwischen Erzeugern und Händlern.“

Erzeuger gibt es viele. Rund 6000 Blumenplantagen aus nahezu jeder Zeitzone der Welt wählen Aalsmeer als Handelsplatz aus. Was die Auktion nicht in gekühlten und feuchtigkeitsregulierten Lkw erreicht, wird mit dem Flugzeug herangeschafft. Fast 30 Prozent der Ware kommt auf dem Luftweg in die Niederlande – es sind Sendungen aus Ostafrika, Südamerika oder Israel, Ländern also, in denen die Sonne das ganze Jahr scheint und die Personalkosten niedrig sind. Die Vorteile zahlen sich bei einem Großteil der Blumen trotz vergleichsweise hoher Transportkosten aus. Der Versand von Rosen aus Ostafrika bis zum Flughafen Schiphol beispielsweise kostet etwa so viel wie ihre Produktion vor Ort, beides zusammen summiert sich im Schnitt auf zehn bis zwölf Cent. Bei einer durchschnittlichen Gewinnspanne von einem bis zwei Cent pro Stängel lohnt sich die teure Luftfracht für die Erzeuger dennoch.

Im Reise-Koma über die Ozeane

Topf- und Gartenpflanzen kommen wegen ihres Volumens nur selten für den Lufttransport infrage. Aber auch viele Schnittblumen, zum Beispiel Gerbera, sind für den Versand nach Übersee zu teuer: Die Blume ist nur in voller Blüte verkäuflich, das macht sie zu einem regionalen Produkt. Bei anderen Sorten, etwa Rosen, gilt hingegen eine geschlossene Blüte als Garant für eine längere Lebensdauer – nur deshalb ist der kostengünstige Transport in Bündeln überhaupt möglich. Logistiker haben der Blume Kühlketten gebaut, die von einem Ende der Erde zum anderen reichen. Fracht-Jumbos, mit Paletten beladen, bringen die Pflanzen bei rund zwei Grad ins Reise-Koma gekühlt über die Ozeane. Jede Linienmaschine, die Bogotá, Quito oder Nairobi in Richtung Europa oder Nordamerika verlässt, hat auch Pflanzen an Bord. Oft mit dem Ziel Niederlande. 80 Prozent aller Blumen, die nach Europa importiert werden, landen nach etlichen Flugstunden auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol.

Dort ist für ihren unmittelbaren Weitertransport gesorgt. Das Gros der Zollformalitäten ist bereits erledigt, bevor die Fracht europäischen Boden berührt. Alle nötigen Informationen schicken die ausländischen Produzenten vorab per Mail. Der Zoll nimmt beim Entladen lediglich stichprobenartige Prüfungen vor. Es sei denn, die Ware stammt aus Südamerika. Wegen des Verdachts, in den Blumenstielen könnte Kokain versteckt sein, müssen Ladungen aus Kolumbien und Ecuador regelmäßig unter den Scanner. „Das kann eine zeitaufwändige Prozedur bedeuten“, sagt Rinus Bouwman, Chef des niederländischen Blumenimporteurs BSI BV, der Schnittblumen aus Südamerika, Afrika, Israel und Australien kauft, um sie in Aalsmeer anzubieten. Zwei bis drei Stunden Wartezeit seien da schnell drin. Eine Verzögerung, die BSI durch Geschwindigkeit und gut getaktete Prozesse im eigenen Haus wieder wettmachen muss.

Bouwmans Unternehmen hat seinen Sitz in der Nähe des Auktionsgebäudes. Gleich hinter dem mit Neonlicht ausgestrahlten Büro des Chefs beginnt ein Areal gekühlter Lagerräume. Es ist zehn Uhr abends. Vor zwei Stunden ist eine Frachtmaschine mit gut sechs Tonnen Blumen aus Kenia für BSI BV auf dem Flughafen Schiphol gelandet. Pflücker haben die rund 250 000 Rosen nicht einmal 24 Stunden vorher in Afrika geschnitten. Nach der Landung hat BSI BV sie per Kühlwagen so schnell wie möglich in seine Lagerräume transportieren lassen. Jetzt schneiden 24 Mitarbeiter jeden Rosenstiel zwei Zentimeter an, binden die Blumen neu, verpacken sie in Folie und stellen die Bündel in Standardbehälter, die mit Nährlösung gefüllt sind – beigefarbene viereckige Blumeneimer, die das Auktionshaus in Aalsmeer gegen eine Pfandgebühr ausleiht.

Während die Mannschaft umpackt, schickt Rinus Bouwman elektronisch die wichtigsten Informationen über die Blumen an den Auktionator: den Namen des Produzenten, den Mindestpreis, die Währungseinheit, Angaben über die Länge des Stiels, die Qualitätsgruppe, die Anzahl der Blumen und das Schnittdatum. Jeder Anbieter ist zu den Informationen verpflichtet. „Das Komplettangebot der nächsten Auktion ist im Internet abrufbar“, sagt Bouwman. Inzwischen ist die Rosen-Fracht bereit für den Transport nach Aalsmeer. Es ist kurz nach eins.

Es zählen Qualität und Zuverlässigkeit

Bis spät in die Nacht kommen in den Auktionslagerhallen Chargen für die Versteigerung am nächsten Tag an. Erst um vier Uhr morgens wird die letzte Ladung Schnittblumen in den zwei bis zwölf Grad kühlen Hallen auf Aluminiumkarren verstaut – dem Standardtransportmittel für alle Pflanzen. Auf jeder Karre haben rund 30 Eimer Platz, in die jeweils etwa 150 Blumen passen. 130.000 dieser Aluminiumgestelle gibt es insgesamt. Aneinander gereiht ergäben sie eine Schlange von etwa 200 Kilometern Länge. Bevor sie über ein Schienensystem in die Auktionssäle rollen, überprüfen 60 Pflanzeninspektoren ihre Ladungen. Entspricht die Ware nicht der Qualität, die der Produzent angekündigt hat, droht ihm die Herabstufung im Zuverlässigkeitsindex, der in Aalsmeer für jeden Händler veröffentlicht wird. Ein hohes Risiko: Wer seinen guten Ruf verliert, ist ruiniert.

Punkt sechs Uhr startet der Handel. Die Einkäufer in den Auktionssälen schieben ihre Bieterkarten in einen Schlitz an ihrem Holzpult. Die Auktionszeit beginnt. Der Blumentross setzt sich in Bewegung: Wie ein nicht enden wollender Aluminiumwurm rollen die Karren über ein Schienensystem automatisch zu den verschiedenen Auktionssälen, auf die Bühne, durch die Auktion – fünf, vier, drei, zwei ... – und nahezu ohne Pause Richtung Saalausgang. Ein zentraler Punkt in der Logistik-Kette: Hier, am „Break Bulk Point“, beginnt die bedarfsgerechte Aufteilung der Blumen in kleinere Liefermengen. Der Platz ist Ausgangspunkt für einen Verteilungsprozess in Hochgeschwindigkeit. Spätestens anderthalb Stunden nach Auktionsende, sollen die Lieferungen bei den Einkäufern sein, deren Laster meist schon an Buchten auf die Ladung warten. 85 Prozent der versteigerten Pflanzen und Blumen werden von Exporteuren ins Ausland gebracht.

Die besten Plätze für die besten Kunden

Je schneller die Lkw starten können, desto besser. Jeder Prozessschritt ist deshalb exakt kalkuliert. In dem Moment, in dem ein Händler auf den Kaufknopf drückt, wird die entsprechende Transaktion verbucht. Schon 10 bis 15 Sekunden später spuckt ein Drucker direkt neben dem Ausgang der einzelnen Auktionssäle Etiketten aus, die Auktionsmitarbeiter sofort auf die vorbeirollenden Blumenwagen kleben. Ein dreistelliger Code gibt das Stockwerk und den genauen Ort in den schachbrettartig geordneten Distributionshallen an, zu dem Scooter-Fahrer die Blumen des jeweiligen Einkäufers transportieren, wo sie gesammelt und dann zur jeweiligen Lkw-Bucht weitergefahren werden.

Die Organisatoren bestimmen die Aufteilung der Distributionshalle jeden Tag neu. Nur die großen Bieter haben einen festen Platz, den kleineren wird aufgrund historischer Daten immer ein neuer Ort zugewiesen. Mit einem hohen durchschnittlichen Umsatz steigt die Chance auf einen der besseren Plätze und kürzere Wegzeiten – und damit steigt für den Kunden die Aussicht, seine Pflanzen besonders schnell zu bekommen.

Schnelligkeit ist auch das oberste Gebot für die Fahrer, die in den 500 Elektro-Scootern durch die Distributionshalle düsen, um die Ladungen auf die Käufer zu verteilen. Mindestens 32 Auslieferungen pro Stunde werden von ihnen erwartet, sonst droht der Verlust des Jobs. Also durchqueren sie pausenlos die Hallen, von vorn und hinten, von links und rechts. Das scheinbare Chaos, über das eine betriebseigene Verkehrspolizei wacht, folgt festen Regeln. Jeder Fahrer pendelt ständig zwischen zwei Warenausgaben. Hat er eine Ladung ausgeliefert, fährt er weiter zur gegenüberliegenden Blumenausgabe und wiederholt den Prozess in umgekehrter Richtung. Es ist ein ständiges Hin und Her, das die Fahrer lückenlos an den großen Scanner-Stationen dokumentieren müssen. Vor jeder Auslieferung scannen sie sowohl ihren Mitarbeiterausweis als auch den Barcode der Blumen, die sie als Nächstes verteilen. Nur so wird nachvollziehbar, wer welche Lieferung zu welchem Zeitpunkt wohin transportiert hat.

Maximal anderthalb Stunden Wartezeit für den Weitertransport

Die Verteilung erfolgt in einem oder zwei Schritten. Ersteigern Einkäufer alle oder mindestens die Hälfte der auf einem Aluminiumkarren angebotenen Blumen, bringen die Scooter-Fahrer die Ladung direkt an die Bucht, an der die Laster der Einkäufer warten. Teilen sich drei oder mehr Bieter eine Karrenladung, transportieren die Fahrer ihre Fracht nur zu dem Zwischenlager in der Distributionshalle, das jedem Käufer zugewiesenen ist. Erst wenn sich dort pro Kunde genügend Blumen aus verschiedenen Transaktionen gesammelt haben, lohnt der Weitertransport zur Lkw-Bucht, der kostbare Zeit verschlingt.

Natürlich dürfen auch die Blumen kleinerer Bieter nicht ungebührlich lange im Zwischenlager pausieren. Inspektoren prüfen deshalb mithilfe eines tragbaren Scanners permanent, wie lange die jeweilige Ladung bereits auf ihren Weitertransport wartet. Mehr als maximal anderthalb Stunden sind nicht zumutbar. Dann müssen die Fahrer auch jene Aluminiumkarren, die nur mit wenigen Blumen gefüllt sind, zu den Einkäufern kutschieren.

Während die Scooter für den Nahverkehr sorgen, regelt der Aalsmeer-Shuttle den Fernverkehr. Die Elektrohängebahn, eine Art Sessellift-System für Blumenkarren, verbindet die Auktionslager mit den Lagerräumen der größeren Exporteure und Zwischenhändler, die sich – durch eine Hauptverkehrsstraße von der Auktionshalle getrennt – in einem angrenzenden Komplex angesiedelt haben. Auf einer Gleislänge von insgesamt 13 Kilometern kann der Shuttle in einer Stunde so viele Blumen transportieren wie 120 Lastwagen. Das Konzept stammt aus der Automobilproduktion. Eine ähnliche Hängebahn befördert beispielsweise Türen, Sitzmodule und Getriebe aus dem Zuliefererpark zur Endmontage im Kölner Ford-Werk.

Preisspannen zwischen 20 Cent und 2,50 Euro

An der Endstation des Shuttle betreibt auch der Exporteur Hilverda De Boer seinen kleinen Bahnhof. Die Blumen, die Einkäufer Reinier Elbertsen im Laufe des Auktionstages ersteigert hat, schweben hier nur wenig später lasergesteuert ein. Direkt in ein weiteres Areal weitläufiger Kühlhallen und Verladeflächen. In den klimatisierten Räumen des Unternehmens werden die Blumen – rund eine Millionen Stängel schafft die Hängebahn täglich heran – zu Sträußen gebunden, in Kisten verpackt und möglichst noch am selben Tag auf den Weg in 45 Länder gebracht. Der Transport nach Deutschland, dem nächstgelegenen Absatzmarkt, kostet im Schnitt zehn Prozent des Blumenwertes. Bei der Ware, die das Unternehmen per Luftfracht in die USA verschickt, beträgt das Verhältnis eins zu eins.

Was Hilverda De Boer unterm Strich verdient, wird jeden Tag neu entschieden. Angebot und Nachfrage bestimmen auch im Blumenhandel den Preis. „Akito“ beispielsweise, die weiße Rose, die Reinier Elbertsen morgens für 20 Cent pro Stängel gekauft hat, ist in schwachen Monaten schon für 12 bis 15 Cent zu haben. Schwach sind die Sommermonate Juli und August, wenn die Sonne auch für die heimischen Züchter scheint und die europäischen Produzenten mehr Blumen liefern als in der Urlaubszeit gebraucht werden. Zu den Hochzeiten im Handel mit der verderblichen Ware zählen Valentins- und Muttertag, aber auch Ostern und Weihnachten. Unmittelbar vor dem Fest kann der Stängel Akito bis zu einem Euro kosten. Bei „Passion“, einer roten Rose, die in den Niederlanden produziert wird, ist die Spanne mitunter noch größer. An normalen Tagen ist die Blume – 70 Zentimeter Stiel, mittelgroße Blüte – für 35 Cent das Stück zu haben. Im Sommer liegt ihr Preis zwischen 20 und 25 Cent, im Februar dieses Jahres, zum Valentinstag, hat Elbertsen 2,50 Euro pro Stängel bezahlt. Der Endverbraucher, so lautet die grobe Faustregel, zahlt für jede Blume etwa das Doppelte des Einkaufspreises.

Leerfahrten und Staus auf den europäischen Straßen erschweren das Geschäft

Für den Händler bestimmt also der günstige Einkauf das Geschäft – und die Logistikleistung, die den Handel umgibt. Hilverda De Boer exportiert rund 15 Prozent seiner Produkte mit dem Flugzeug, den großen Rest bringt die Firma in Lkw zu ihren Kunden, den lokalen Großhändlern in jeder größeren Stadt. Deutschland, Schweden, Frankreich, Spanien und Gro britannien sind die wichtigsten Märkte, die Lastwagen der firmeneigenen Flotte fahren aber auch bis nach Griechenland und Portugal – und kommen fast immer leer zurück: Unabhängige Transportunternehmen dürfen ihre Ladung selbst bestimmen, der Blumenexporteur mit eigener Flotte ist per Gesetz auf Blumenladungen reduziert.

Die größte Herausforderung ist jedoch der dichte Verkehr auf den europäischen Autobahnen. „Spätestens ab 16 Uhr erwarten unsere Fahrer auf den Straßen da draußen Staus, Staus und noch mal Staus“, sagt Geschäftsführer Johan Hilarides. Deshalb kommt es auch bei ihm in Aalsmeer auf die Sekunde an. „Je später die Laster hier abfahren, desto größer die Gefahr, dass die Ware nicht pünktlich beim Abnehmer ankommt.“

Auch die anderen Zwischenhändler sind vor allem auf das Straßennetz angewiesen: 90 Prozent der Blumenexporte verlassen die Niederlande auf dem Asphalt. Der Schiffsverkehr bietet keine Alternative. Zwar experimentieren alle großen Händler mit Transportvarianten, die helfen sollen, die kostbare Fracht bis zu 14 Tage lang frisch zu halten, bislang sind die Ergebnisse jedoch noch unbefriedigend. Auch die Bahn kommt nicht als Transporteur infrage. Noch nicht. Am Flughafen Schiphol fehlen Terminals für die Güterverladung, und auch die gebührenpflichtige Schnellstraße vom Auktionshaus zum Flugplatz muss erst noch gebaut werden. In ein paar Jahren soll es eine nahtlose Verbindung zwischen Straße, Schiene und Luft geben, dann soll das Handelsvolumen in Aalsmeer noch einmal steigen. Bis dahin will Cees Pingen, der Logistik-Manager des Handelshauses, auch intern den nächsten Wachstumsschritt vollzogen haben. Pingen arbeitet permanent an der Verbesserung des Systems, das Geschäft mit den Blumen soll noch schneller und noch effizienter werden.

RFID soll den Blumenhandel noch effizienter machen

Die Vereinigte Blumenversteigerung Aalsmeer will die Logistik jetzt auf die technische Infrastruktur Radio Frequency Identification (RFID) umstellen. Künftig sollen in Etiketten integrierte Mikrochips, angebracht auf jedem Aluminiumkarren, Informationen über das Grün speichern, das sie gerade transportieren. Jede Bewegung der Transportkarren durch das Auktionsgelände kann dann über Empfangseinheiten in den Fußböden mittels Radiowellen automatisch erfasst werden. Natürlich erkennt das System auch, welche Blumen gerade wo vorbeiziehen. Der Kontakt zwischen Mensch und Maschine, der heute beim Scannen noch nötig ist, entfällt bald komplett. Zukunftsmusik? Cees Pingen schüttelt den Kopf. Die Firma hat ihre Aluminiumkarren längst mit den nötigen Etiketten ausgestattet. In den kommenden Jahren sollen alle Prozesse sukzessive auf die neue Technologie umgestellt werden: „Ein großer Schritt in eine noch effizientere Zukunft.“

Am Rhythmus des Blumenhandels wird die moderne Technik allerdings wenig ändern. Auch in Zukunft werden in Aalsmeer bis um vier Uhr morgens noch Chargen für die Versteigerung am nächsten Morgen anrollen. Danach wird es auch künftig für eine kurze Weile still in den Auktionshallen werden. Und Reinier Elbertsen, der Einkäufer bei Hilverda De Boer, wird sich zum letzten Mal im Schlaf umdrehen, bevor er wie jeden Arbeitstag ab sechs Uhr morgens der vergänglichen Schönheit hinterherjagen wird.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.