Minister für Markenqualität

Wally Olins gehört zu den Großen der Branche. 36 Jahre lang hat sich der Brite als Designer und Marketing-Papst einen Namen gemacht, um Mitte 2001 noch einmal umzusatteln.
Jetzt berät der 71-Jährige Länder – und will aus Nationen Marken machen.




McK: Mr. Olins, Ihr Thema hieß bislang Corporate Identity oder Marketing. Wieso jetzt National Branding?

Wally Olins: Staaten haben schon immer ihren Bürgern und der Welt sehr klar gezeigt, wer sie sind. Mit Parolen oder mit Symbolen wie Gebäuden oder Flaggen. Wenn wir heute von National Brands reden, ist das nur eine andere Bezeichnung der Art, wie Ludwig XIV. seine Vision von Frankreich vermittelt hat oder Bismarck seine von Deutschland.

Was ist in der globalisierten Wirtschaft neu?

Neu sind die sprachlichen Mittel, der Wettbewerb der Staaten untereinander und die Gebiete, in denen dieser Wettbewerb ausgetragen wird. Da gibt es Nationen wie die zentralasiatischen Republiken Usbekistan, Kasachstan, Turkmenistan, Kirgisien oder Tadschikistan. Diese und zahlreiche andere neue Staaten haben es kaum geschafft zu sagen, wer sie sind und wofür sie stehen. Kaum eines dieser Länder hat ein klares Markenbild etablieren können.

Aber wieso sollten sie? Die meisten der jungen Nationen sind kaum in der Lage, sich politisch zu stabilisieren.

In einer globalisierten Wirtschaft konkurrieren Länder um Investitionen und Marktanteile. Deswegen ist es für eine Nation durchaus wichtig, sich um ein kohärentes Bild zu bemühen. Dieses Bild bestimmt auch die Möglichkeiten eines Landes, international politisch Einfluss zu nehmen. In meiner früheren Firma, Wolff Olins, haben wir mal untersucht, was die Menschen im Ausland mit Begriffen wie „Made in Britain“, „Made in Germany“ und „Made in Italy“ verbinden. In jedem Fall war das Bild der Nation haarsträubend verzerrt.

Wie sahen diese Verzerrungen aus?

Deutschland zum Beispiel wurde mit Autos assoziiert: Effizienz, sehr hohe Qualität, schlechtes Marketing, sehr teuer. Keinerlei emotionale Inhalte. Das bedeutet, Hugo Boss und Jil Sander wurden nicht wahrgenommen, Pharmazie, Chemie und Frankfurt mit seinem Finanzbereich auch nicht.
Das allein ist schon ein Problem, aber das wird noch verstärkt. Weil das, was wahrgenommen wird, kein klares Bild ergibt, keine wirkliche Marke. Sport, Fluglinien, Filmindustrie, Essensgewohnheiten, Kultur oder auch Exportgüter, all das ist natürlich Ausdruck dessen, was Sie als Nation sind. Das Problem ist, dass diese Bilder völlig uneinheitlich sind.

Ganz Europa macht sich über die aktuelle wirtschaftliche Lage Sorgen. Nationales Marketing erscheint da etwas luxuriös.

Sie dürfen das Thema nicht unter aktuellen Gesichtspunkten betrachten. Die internationale Positionierung einer Nation ist ein Langzeitthema.

National Branding braucht zentrale Strukturen, um nationale Interessengruppen und Kompetenzträger zu organisieren. Die wenigsten Demokratien dürften dazu in der Lage sein.

Alles, was sie brauchen, ist eine gewisse Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Kultur, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Interessenvertretungen müssen nicht einer Meinung sein. Sie müssen lediglich in der Lage sein, sich an einen Tisch zu setzen.

Welches Land war das erste, das Sie beraten haben?

Darüber werde ich nicht reden. Den meisten Ländern ist das peinlich. Sie behandeln diese Art von Information eher vertraulich.

Dann reden wir über Großbritannien. Sie haben Tony Blair beraten...

Ich war involviert. Mehr wird nicht verraten.

New Labour und Cool Britannia waren zwei Marketingkampagnen von Tony Blair, eine für die Partei, die andere für das Land. Jetzt zieht der Prime Minister vor jedem Treffen mit Journalisten sein Sakko aus und lässt sich einen Teebecher als Requisite reichen, um hemdsärmelig und volksnah zu wirken. Ist das nicht ein wenig hohl?

Das mag so aussehen. Man darf aber kurzfristige politische Gesten nicht mit langfristigem Wandel verwechseln. Das Problem von New Labour ist, dass sie dachten, sie könnten das Land grundsätzlich verändern, und zwar schnell. Ohne eine Revolution dauert so was aber rund 20 Jahre.

Die USA beschäftigen seit 2001 eine hochkarätige Marketingleiterin. Die Top-Werberin Charlotte Beers sitzt im Weißen Haus und berichtet direkt an George W. Bush. Ihre Aufgabe ist es, das Bild der USA im Ausland nachhaltig zu verbessern.

Das Image der USA zu entwickeln ist eine sehr schwierige Aufgabe...

Um mit Naomi Klein zu sprechen: „Die USA haben kein Problem mit ihrer Marke, sondern mit ihrem Produkt.“

Naomi Klein sagt viele halb intelligente Sachen, die sich gut anhören. Das Thema USA ist extrem komplex. Im Ausland werden vor allem drei Bereiche wahrgenommen. Zuerst Freiheit, Grundrechte, Demokratie, dann Technologie und schließlich Pop, Fastfood, Hollywood. Diese Stränge sind sehr signifikant und sehr unterschiedlich. Aber sie sind miteinander verknüpft. Wenn Leute über die USA reden, kommen Gefühle wie Neid Eifersucht und Abscheu, aber auch Bewunderung und Zuneigung in einem einzigen Satz zusammen. Dass die USA solch einen Furor bewirken, liegt in der Natur dieses Landes. Dort herrschen freie Meinungsäußerung und eine ausgeprägte Kultur der Gegensätze.

„War against Terror“ ist ein sehr konkretes Motto. Ist das Marketing der USA besser als ihre Politik?

Ich glaube, das hat mit Branding nichts zu tun.

Dennoch erklären die USA so gut wie jedem Thema den Krieg. Nehmen Sie den „War against Drugs“. Das ist schon aus rein praktischen Gründen nicht möglich.

Das ist Labeling. Marken jedoch bauen Sie über einen langen Zeitraum auf: Werte, Images, Beziehungen. Wovon Sie reden, sind taktische Manöver einer Regierung.

Ist es denn möglich, die USA zu branden?

Es ist sicher nicht möglich, dass alle Menschen in den USA sich einheitlich im Sinne eines gemeinsamen Markenverständnisses ausdrücken. Es wäre aber möglich, den Vereinigten Staaten zu helfen, dass Menschen außerhalb sie mit mehr Sympathie wahrnehmen, mit mehr Verständnis.

Während sich Nationen als Marken positionieren, befreien sich globale Konzerne von ihren nationalen Images. So wurde zum Beispiel aus British Telecom schlicht BT.

Die Assoziationen, die Großbritannien in Kombination mit Technologie weckt, sind von Nachteil, daher nur noch die Abkürzung. Es gibt aber auch Unternehmen wie die Deutsche Bank oder American Express, die ihre Herkunft immer noch im Namen tragen, weil sie in ihrer Branche weltweit als Gütesiegel gilt.

Für viele Globalisierungsgegner sind globale Marken Ikonen eines sich ausbreitenden imperialistischen Kapitalismus.

So denken Leute, die meinen, der Kapitalismus halte die Fäden in der Hand und alle müssten tun, was er befiehlt. So ist es aber nicht.

Dennoch reagieren die globalen Unternehmen auf diese Vorwürfe. BP legt sich eine Umwelt-Agenda zu, McDonald’s verkleinert die Bögen, aus denen das Logo besteht...

Globale Marken werden vor allem attackiert, weil die Unternehmen dahinter für kapitalistisch und ausbeuterisch gehalten werden. Die Angriffe auf die Marken von Leuten wie Naomi Klein sind ja keine Angriffe auf die Marken an sich, sondern Angriffe auf Symbole. Ziele sind in Wahrheit die Unternehmen.

Naomi Kleins Argument ist, dass Marken öffentlichen Raum erobern, der ihnen nicht zusteht. Je leerer die Staatskassen, desto breiter machen sich Marken.

Naomi Klein macht zwei Fehler. Zuerst nimmt sie an, die Leute wären so dumm, dass sie nicht für sich selbst entscheiden können, dass man ihnen quasi per Gehirnwäsche etwas andrehen kann, was sie nicht wollen. Damit unterschätzt sie die Intelligenz der Verbraucher. Niemand kauft, was er nicht will. Naomi Klein beklagt außerdem, dass alles, was Unternehmen machen, negativ und ausbeuterisch ist. Unternehmen sind aber keine philanthropischen Institutionen. Sie wollen ihren Profit maximieren. Das funktioniert aber nur in einer Gesellschaft, die das auch akzeptiert.

Naomi Klein hat enthüllt, wie sich etwa Nike in Ländern der Dritten Welt benimmt. Darüber wurde nun zur Genüge diskutiert. Aber wieso hat sich Nike überhaupt so verhalten?

Weil die Menschen eben so sind. Sie versuchen, ihr Produkt so billig wie möglich herzustellen. Aber wenn Ihnen jemand nachweist, dass Sie bei der Produktion die Arbeiter übervorteilen, wird das unvorteilhaft für Ihre Marke sein. Die Realität sieht so aus: Wenn jemand seinen Profit auf eine inakzeptable Weise maximiert, wird sich das bald als kontraproduktiv erweisen. Unternehmerische Verantwortung hat viel mit Eigennutz zu tun.

In Brasilien bauen globale Konzerne komplette Mikrostaaten mit Straßen, Schulen und Krankenhäusern. So bieten sie ihren importierten Managern einen hohen Lebensstandard und schieben den lokalen Markt an. Werden Unternehmen zunehmend staatliche Aufgaben übernehmen?

Etwas mehr als heute, ja. Aber es wird auch Grenzen geben. Ein Konzern ist nomadischer und beweglicher als jeder Staat, als jede Regierung. Viel interessanter ist ein anderes Thema. Aktuell entstehen Organisationen, die künftig noch mehr Bedeutung gewinnen werden: karitative Organisationen, soziale Stiftungen und Fonds.

Was haben Wohltätigkeitsstiftungen mit globalen Marken gemein?

Sie sind klassische Marken. Sie zielen auf Ihr Herz, damit Sie Geld für kranke oder arme Leute ausgeben, statt sich selbst ein paar Schuhe zu kaufen. Das ist lupenreines Branding. Diese Charities werden einflussreicher, kommerzieller, und sie werden sich mit großen Konzernen verflechten. Sie brauchen die Marketing-, Werbe- und Branding-Power der Konzerne. Das führt uns zum Konzern als soziales Unternehmen und zur Rolle des Unternehmens innerhalb einer Nation. In dem Moment, in dem sich ein Unternehmen sozial engagiert, wird es schwierig zu sagen, wo die Stiftung endet und wo der Konzern beginnt. Wir sehen gerade erst den Anfang einer neuen Bewegung. Und die Marke ist die Schnittstelle.

Das ist auch das Argument von Pro Logo, der Gegenbewegung zu No Logo. Mit der Marke als Schnittstelle kann der Verbraucher gesellschaftliche Fehltritte von Unternehmen sanktionieren.

Marken sind Zeichen. Sie sind die gegenwärtige Version von Dingen, die uns seit Jahrhunderten begleiten. Was Leute kaufen, wenn sie für Socken oder T-Shirts viel Geld ausgeben, ist der Symbolismus, mit dem sie spielen können.

Gibt es Grenzen des Brandings?

Es wäre dumm zu sagen, es gäbe keine. Ich kann aber nicht behaupten, es gäbe viele. Schauen Sie sich mal um: Es gibt nichts, was Sie nicht branden können. Allerdings hat nicht jeder das gleiche Bedürfnis, Zugehörigkeit zu demonstrieren. Manche demonstrieren auch Nicht-Zugehörigkeit und wenden sich Nicht-Marken zu – die werden auf diese Weise zu Marken. Es gibt jedoch Grenzen des kommerziellen Brandings. Wenn Sie zu viel unternehmen, wenden sich die Leute ab.

Und wie geht das Branden dann richtig?

Sie müssen vor allem eine klare Reputation entwickeln, dann haben Sie ein Werkzeug, mit dem Sie Ihre Entwicklung und Ihren Wandel steuern können. Das gilt für alle Wissensunternehmen. Und für jede Nation.

Wie brandet man ein Land?
Ein Plan in sieben Schritten 

  1. Gründen Sie eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Staat, Industrie, Kultur, Bildung und Medien.
  2. Finden Sie heraus, wie die Nation von den eigenen Bürgern und von anderen Nationen wahrgenommen wird. Benutzen Sie qualitative und quantitative Forschungsmethoden.
  3. Etablieren Sie eine Beratungsrunde mit Meinungsführern über nationale Stärken und Schwächen, und vergleichen Sie das mit den Ergebnissen der internen und externen Studien.
  4. Entwickeln Sie zusammen mit professionellen Beratern eine Kernidee, auf der die Strategie basieren soll. Eine starke, einfache Idee, die die Einzigartigkeit der Nation einfängt und als Basis für das gesamte Programm dient.
  5. Suchen Sie Wege für die visuelle Umsetzung der Kernidee. Dabei geht es weniger um Logos und traditionelle Tourismuswerbung. Notwendig ist ein umfassender Ansatz: Der beginnt beim Design des Flughafens, auf dem Gäste ankommen, und endet bei den diplomatischen Einrichtungen, die die Nation im Ausland repräsentieren.
  6. Untersuchen Sie, wie sich die Marketing-Aktivitäten der Tourismusindustrie und der Exportwirtschaft koordinieren lassen, damit Sie die jeweiligen Zielgruppen im In- und Ausland einheitlich ansprechen können.
  7. Starten Sie mit den Teilen des Programms, die Regierungsaktivitäten betreffen, und schaffen Sie ein Beziehungsgeflecht zwischen den ausführenden Organen. 
    Und starten Sie langsam. Ohne großen Wirbel.

nach Wally Olins: Trading Identities

Mr. Marke: Wally Olins

„Was lecker ist, verkauft sich“, scheint Wally Olins zu denken. In den sechziger Jahren gründete er zusammen mit seinem Partner Michael Wolff ein kleines Designbüro, Wolff Olins. Zu ihren ersten Kunden gehörten die Beatles, die gerade eine eigene Plattenfirma ins Leben rufen wollten. Die Designer druckten Äpfel auf die Platten-Etiketten und empfahlen, die Firma Apple Records zu nennen. Jahrzehnte später taufte Olins ein britisches Telekom-Unternehmen auf den Namen Orange.

Wolff Olins wuchs über die Jahrzehnte mit Kunden wie der Bank für Gemeinwirtschaft, 3i, Tate und Honda auf 150 Mitarbeiter an und hatte Filialen in New York, San Francisco, Tokio, Madrid und Lissabon. 1989 veröffentlichte Wally Olins das Standardwerk „Corporate Identity – Strategie und Gestaltung“. In Europa zählt er zu den Pionieren der Branche.

30 Millionen Britische Pfund blätterte der US-Werbegigant Omnicom im Juni 2001 für Wolff Olins auf den Tisch. Einen Monat später, 36 Jahre nach der Gründung, stieg Wally Olins ganz aus dem Unternehmen aus. Er mietete eine schicke Altbauwohnung in London, strich die Wände zitronengelb, kaufte gelbe Teppiche und gründete eine neue Firma, Saffron, zu deutsch: Safran – eine Messerspitze genügt, und alles färbt sich ein. Saffron konzentriert sich darauf, Marken zu entwickeln und Nationen zu positionieren. Mit Wolff Olins hat Wally Olins bereits Großbritannien, die Niederlande, Spanien und Portugal beraten.

Literatur:

Wally Olins: Trading Identities – Why Countries and Companies Are Trading Each on Each Other’s Roles. The Foreign Policy Centre, London, 2000; 57 Seiten; 15,61 Euro

Philip Kotler/Somkid Jatusripitak/Suvit Maesincee: The Marketing Of Nations – A Strategic Approach to Building National Wealth. The Free Press, New York, 1997; 451 Seiten; 45,62 Euro

Naomi Klein: Fences and Windows – Dispatches From the Front Lines of the Globalization Debate. Picador USA, New York, 2002; 304 Seiten, 13 Dollar (die deutsche Übersetzung erscheint im März 2003)

Naomi Klein: No Logo! Der Kampf der Global Players um Marktmacht. Riemann Verlag, München, 2002; 544 Seiten, 14,50 Euro

Sameena Ahmad: Pro Logo – Why Brands are Good For You. In: The Economist, 8. September 2001


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.