Rainforest Alliance Peru



Kaffee in zahlen 2014


Der Kaffeetanz, den die Schüler auf dem Pausenhof aufführen, zeigt den gesamten Produktionsprozess: das Entfernen des Unkrauts mit der Machete, das Düngen, die Ernte, den Verkauf der Bohnen. Die Mädchen halten Körbe in den Händen, die Jungen Macheten. Manche der Tänzer sind so klein, dass ihnen die Schneide des Buschmessers vom Fuß bis zum Oberschenkel reicht.

In Ñagazú, einer Siedlung mitten in der peruanischen Selva Central, einem Bergwald mit feuchtwarmem Klima, ist Kaffee nicht einfach eine Ware. Er ist Teil der Kultur, des Lebens und Überlebens. In der Schule lernen die Kinder mit Kaffeebohnen rechnen, sie bringen sie in alten Plastikflaschen mit, schieben sie auf dem Pult umher: Zwanzig durch zwei ist? Drei mal acht? Die Schüler bauen auf einer zwei Hektar großen Fläche sogar eigenen Kaffee an: „So lernen sie von klein auf, wie es richtig geht“, sagt die Rektorin, eine runde Frau um die vierzig im gestreiften Wollpulli. „Und wir zahlen mit den Einnahmen unsere Stromrechnung. Nach der letzten Ernte konnten wir sogar Musikinstrumente kaufen.“

Das war nicht immer so. Lange Zeit lebten die Einwohner von Ñagazú in Chozas, kleinen Holzhütten. Es gab kein fließendes Wasser, keinen Strom. Erst als der Kaffeepreis stieg, ein ausländisches Unternehmen investierte und die Zertifizierer kamen, änderte sich das Leben der Bewohner vom Stamm der Yanesha. Sie produzierten mehr Kaffee, fanden neue Abnehmer, bauten neue Hütten, kauften Gasherde. Und richteten ein kleines Naturschutzgebiet ein. Doch nun dürfen sie die Abwässer nicht mehr einfach in die Flüsse leiten.

Diese Geschichte erzählt vom Leben der Kaffeebauern und ihren Geschäftsmodellen. Von einer engagierten Stadtverwaltung. Von Kaffeeprüfern und Exporteuren. Und von der Rainforest Alliance, einer Organisation, die den Kaffeebauern mit einem Gütesiegel neue Märkte eröffnet und als Ratgeber zur Seite steht. Besonders in schwierigen Zeiten wie jetzt: Der Kaffeepreis ist gesunken. Und ein Pilz bedroht die Ernte. Auch die Rektorin der kleinen Schule in Ñagazú macht sich große Sorgen.

DER BERATER

Der Freund der Kaffeebauern kommt in einem beigen Pick-up. Rubén Santivañez, 38, Agraringenieur, ist im Auftrag der Rainforest Alliance unterwegs. Ein technischer Berater, Spezialist für Kaffeeanbau – und damit gerade ein sehr gefragter Mann. Die Roya Amarilla, ein Pilz, der Kaffeepflanzen angreift und tötet, hat in vielen Regionen große Teile der Ernte vernichtet. Überall in den Bergen stehen traurige Überbleibsel der Kaffeesträucher, vertrocknet, entblättert. Konventionelle Bauern versuchen, den Pilz mit Chemikalien zu bekämpfen. Die zertifizierten suchen nach Alternativen, belegen Kurse und fragen Spezialisten wie Santivañez.

Der Agraringenieur ist ein Überzeugungstäter. Seine Eltern hatten eine Finca, schon als Kind war er bei der Ernte dabei und trank Kaffee. „Ohne Zucker“, sagt er. Es klingt stolz. Zurzeit absolviert er einen Masterstudiengang. Die Abschlussarbeit will er über Kaffeeanbau schreiben, genauer gesagt: über die Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten ohne chemische Keule. Er kennt sich gut aus mit allem, was in der Nahrung steckt. Seit Jahren isst er keine Tomaten mehr. „Da wird hier in Peru beim Anbau zu viel Chemie eingesetzt.“

DER KLEINBAUER

Santivañez ist in seinem Element, wenn er den Kaffeebauern in Ñagazú Alternativen zu Pesti- und Herbiziden empfiehlt. Alles gehört hier allen, die Gemeinde teilt das Land unter ihren Mitgliedern zur Bewirtschaftung auf. César Huancho hat mehr als drei Hektar bekommen. Besorgt zeigt der 40-jährige Familienvater seine Kaffeesträucher: Noch sind die Blätter grün, doch viele haben gelbe Flecken auf der Unterseite – erste Anzeichen der Roya Amarilla. Es hat viel geregnet, immer wieder, das liebt der Pilz. „Die Roya greift in diesem Jahr mit aller Kraft an“, sagt Santivañez. „Du musst schnell handeln, sonst verlierst du die nächste Ernte.“ Er empfiehlt, eine Mischung aus Kalk und Kupfersulfat zu versprühen: „Das müsste helfen.“

Huancho nickt. Seit 2006 arbeitet die Gemeinde mit der Rainforest Alliance zusammen. „Wir haben viel gelernt“, sagt der Kaffeebauer. „Vorher haben wir gebrandrodet, Chemikalien versprüht. Die Tiere haben uns verlassen.“ Jetzt ist alles anders: „Sie sind wieder da: Tukane, Sperber, Eichhörnchen. Und wir produzieren mehr!“

Wie von der Rainforest Alliance empfohlen, stehen seine Kaffeesträucher nun im Schatten hochgewachsener Urwaldbäume: Das herabfallende Laub dient als Dünger, die Bäume verringern die Erosionsgefahr und schützen die Erntehelfer vor direkter Sonneneinstrahlung. Die Strauchreihen sind nicht mehr vertikal in Reihen angepflanzt, sondern folgen den Höhenlinien – noch ein Schutz vor Erosion. Huancho stutzt die Sträucher mindestens alle drei Jahre bis auf den Stamm. „Das war anfangs hart“, sagt er. „Einen gut gewachsenen Strauch so stark zu beschneiden! Aber ich habe gelernt: Es macht die Pflanzen stärker.“ Das sei der beste Schutz vor Schädlingen, sagt Santivañez, auch wenn die Roya Amarilla manchmal stärker sei. Er empfiehlt natürlichen Dünger: die kompostierten Schalen der Kaffeebohnen etwa.

DIE MUSTERSCHÜLERIN

Selena Contreras arbeitet seit bald zehn Jahren mit der Rainforest Alliance zusammen und ist eine Musterschülerin. Sie hat es geschafft, die Roya Amarilla durch das beherzte Beschneiden der Sträucher in Schach zu halten. Bodenerosion vermeidet sie durch die gezielte Bepflanzung von Böschungen.

Die Vorfahren der blonden Endvierzigerin kamen Mitte des 19. Jahrhunderts aus Preußen und Tirol nach Peru. Sie waren auf eine Werbung der Regierung hereingefallen, die Handwerker und Landwirte anlocken sollte. Doch als das Schiff nach wochenlanger Fahrt anlandete, wartete niemand auf die Neuankömmlinge. Sie machten sich auf in den Urwald.

Bei ihrer Führung über das Gelände trägt Selena Contreras gegen die Sonne einen Hut mit breiter Krempe. Ein Stock aus Kaffeeholz dient ihr als Wanderhilfe, wenn es steil wird. Rubén Santivañez hat einen Tablet-Computer dabei, mit dem er die grünen Kaffeesträucher fotografiert: Wann wurde gedüngt? Wann gestutzt? Und wurden die Rechte der Erntehelfer für alle sichtbar ausgehängt? Den größten Teil des Jahres kümmert sich ein Hausmeisterpaar um die Farm, doch für jede Ernte heuert Contreras etwa 40 Mitarbeiter an. Sie freut sich, dass sich ihre Arbeiter für das nächste Jahr bereits wieder angemeldet haben. Dann erzählt sie begeistert, dass der Bach mehr Wasser führt, seit sie die Ufer wieder bepflanzt hat.

Schon Selena Contreras’ Vater schützte die Umwelt: „Ich wollte als Kind Vögel fangen und in Käfigen halten, aber er sagte: ,Lass ihnen die Freiheit!‘“, erzählt sie. Die Bäuerin ist auf der Finca aufgewachsen und später in der Stadt zur Schule gegangen. Dann heiratete sie, doch ihr Mann starb, und Contreras kehrte auf die Finca zurück. Heute ist sie eine der wenigen Frauen, die einen Hof leiten. Knapp 40 Hektar, auf denen sie rund 55 000 Kilo Kaffee erntet – das ist in Peru eine beachtliche Größe. Die meisten peruanischen Bauern führen Klein- und Kleinstbetriebe.

Selena Contreras hat konventionell angebaut, bevor sie auf einer Busfahrt zufällig den Leiter von Rainforest Peru kennenlernte. „Mir ist die Zertifizierung wichtig“, sagt sie, „weil sie meiner Lebenseinstellung entspricht. Ich möchte nicht nur wirtschaftlich arbeiten, sondern auch umweltschonend.“ Im vergangenen Jahr lag der Preis, den sie pro Zentner für den von Rainforest Alliance zertifizierten Kaffee bekam, fünf US-Dollar über dem Börsenpreis. „Einen Mehrverdienst habe ich dadurch aber nicht“, sagt sie, „denn ich muss in die Finca investieren, um das Label zu bekommen.“

DIE KOOPERATIVE

Kleine Fincas haben es schwer, sich allein zu behaupten. „Gemeinsam sind wir stärker“, sagt Pedro Rodríguez, der Geschäftsführer der Kooperative ACPC in Pichanaki. „Wir zertifizieren und verkaufen zusammen, haben die Qualitätskontrolle zentralisiert.“ Viele Mitglieder wohnen in entlegenen Regionen. Zu einigen führen keine Straßen, die Bauern bringen den Kaffee mit Maultieren ins Tal.

Rodríguez sitzt auf einem Plastikstuhl in der Zentrale der Kooperative. Hinter ihm beschriftete Flipcharts von der letzten Fortbildung: die Mischverhältnisse für Kalk und Kupfersulfat gegen die Roya. Wie man mit Guano düngt. Wie man bei der Agrobank einen Kredit beantragt. In der Mitte des Geländes befindet sich eine riesige Betonfläche zum Trocknen des Kaffees während der Erntezeit.

Weil der Geschmack des Kaffees ein wichtiger Faktor ist, hat die Kooperative eigens einen Tester ausbilden lassen. Flavio Urbano ist ein kleiner, schweigsamer Mann, dem ständig ein Lächeln auf den Lippen liegt. Obwohl er gerade Mädchen für alles ist: im Lager oder im Büro. Sogar Reinigungsarbeiten übernimmt er. Doch während der Erntezeit, von April bis in den Oktober hinein, wird er zum bestimmenden Faktor: Wie gut ist der Kaffee, den die Bauern liefern?

Er hat in Kursen gelernt, das Aroma zu messen und den Geschmack mit Ziffern zu bewerten. „Bei einem Treffen mit Testern aus vielen Regionen haben wir unseren Geschmack kalibriert“, erzählt Urbano. „Es ist wichtig, dass wir auf die gleichen Dinge achten und ähnliche Bewertungen abgeben.“ Zur Produktion will er allerdings nicht viel sagen, genau wie sein Geschäftsführer. „Hier unten siehst du nichts“, erklärt Rodríguez. „Schau dir an, wie unsere Bauern arbeiten.“

DER PROBLEMFALL

Also geht es in die Berge. Zwei Stunden schleicht der Pick-up durch den Urwald, an steilen Abhängen entlang, durch Flüsse und Schlamm. Vorbei an Bananenplantagen, brandgerodeten Flächen und von der Roya Amarilla befallenen Kaffeesträuchern bis zur Finca der Quispes. Das Ehepaar hat seit sechs Jahren elektrischen Strom. Und seit Kurzem Satellitenfernsehen.

Carmela Quispe ist eine schüchterne Frau Mitte 50. Eigentlich sollte ihr Mann die Besucher empfangen, aber er ist vor ein paar Tagen weggefahren, um Verwandten zu helfen. Handyempfang hat er dort nicht, auch kein Funkgerät. Wann er zurückkommt? Die Señora zuckt mit den Schultern. Sie zeigt die Finca. Kleine, ordentlich gezimmerte Holzhütten, alle vorschriftsmäßig beschriftet: Biomüll. Kompost. Toilette. Kaffeespeicher.

Nur die Kaffeesträucher geben ein trauriges Bild ab. Auch hier: die Roya Amarilla. „Eure Sträucher sind mehr als 20 Jahre alt“, sagt Rubén Santivañez. „Sie sind schwach, ihr müsst sie erneuern.“ „Das haben wir vor!“, antwortet Quispe und zeigt auf ein mit Plastikplanen improvisiertes Gewächshaus. Dort warten Hunderte von kleinen Kaffeepflanzen darauf, ausgepflanzt zu werden.

Quispe hat Angst. Schon jetzt ist das Familieneinkommen so gering, dass der Mais für die Hühner zu teuer ist. Abends gibt es Geflügelsuppe, aber viel ist an den Knochen nicht dran. „Ihr müsst Alternativen schaffen“, sagt Rubén Santivañez. „Sonst habt ihr nächstes Jahr nichts zu essen. Die neuen Kaffeesträucher tragen erst im dritten Jahr richtig.“ Sie bauen auf 15 Hektar Kaffee an, zehn Hektar stehen noch zur Verfügung. „Wie wäre es mit Bohnen? Die sind in sechs Monaten reif zum Ernten!“, schlägt Santivañez vor. „Oder Bananen? Da könnt ihr in acht oder neun Monaten die ersten verkaufen!“

Der Agraringenieur sorgt sich. Viele Kleinbauern sind verschuldet: Sie haben neue Maschinen gekauft, Setzlinge, Guano. Jetzt, da Ernteausfälle drohen, stehen sie vor dem Aus: „Auch das sehe ich als Teil meiner Aufgabe: ihnen bei der Planung vorausschauend zu helfen.“ Für 2014 schätzt er die Ernte bei Quispe auf rund 14 000 Kilo. Immerhin.

DER CHEF

Gerardo Medina ist der Kopf der Rainforest Alliance in Peru. Dem Agraringenieur geht es um das große Ganze: darum, dass möglichst viele Unternehmen zertifizierte Produkte zumindest zu einem gewissen Prozentsatz verwenden, so wie es zum Beispiel McDonald’s bereits tut.

„Unser Ansatz unterscheidet sich von dem anderer Organisationen“, sagt Medina. „Wir legen den Fokus auf die Produktivität. Unser eigentliches Ziel ist der Schutz des Regenwaldes – und wer auf wenig Platz viel produziert, muss weniger abholzen.“ Dazu komme ein ganzheitlicher Ansatz: „Wir achten darauf, dass sich der Lebensstandard der Bauern verbessert, zum Beispiel dass sie in der Küche einen Herd haben, der nicht rußt, dass sie saubere Toiletten haben und Schutzkleidung tragen, wenn sie düngen. Auch Guano kann gefährlich sein, wenn man ihn direkt einatmet.“

Viele Bauern zertifizieren ihre Produkte mit mehreren Labels. Das eröffnet bessere Marktchancen. Wer bereits ein Bio- oder Fairtrade-Label hat, erfülle viele Grundbedingungen, um von der Rainforest Alliance zertifiziert zu werden, sagt Medina. „Dann geht es mit der Zertifizierung relativ schnell. Wer noch kein Label hat, braucht länger.“ Der Kaffeebauer bezahlt für die Zertifizierung, also muss sie sich lohnen. Doch zertifizierter Kaffee bringt derzeit nur wenig mehr ein als konventionell angebauter. Und der Gewinn wird schnell durch die Investitionen aufgefressen, die für das Siegel notwendig sind: eine Kompostanlage, ein Mehrkammersystem für die Abwasser-Reinigung, die Beschilderung der Finca. Warum die Bauern trotzdem mitmachen? Weil die Lebensqualität auf der Farm steigt. Weil sie auf neue Absatzmärkte hoffen. Und weil sie verstehen, worum es geht. Attraktiv ist zudem das Angebot einer technischen Beratung von Agraringenieuren wie Rubén Santivañez, mit der sich die Produktivität steigern und das Einkommen verbessern lässt.

Dann beginnt die Erde zu beben. Es ist, als würde ein Riese das kleine, alte Haus nehmen und schütteln. 5,8 auf der Richter-Skala – das ist nur mittelstark. Doch in Peru haben alle die Bilder der letzten großen Beben im Kopf, den Schutt, die Toten. Lieber raus aus dem Haus. Die Mitarbeiter treffen sich auf dem Hinterhof, auf dem die Autos parken. Dann die Erleichterung. Die Radiosender berichten: keine Verletzten, keine Toten. Das Treffen ist trotzdem vorbei.

DIE BEHÖRDEN

„Und? Wo sind die Kaffeeplantagen? Siehst du sie?“, fragt José Luis Solís Macedo. Der Leiter der Abteilung für wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Villa Rica ist stolz. Viele Bauern, egal, ob mit oder ohne Zertifikat, nutzen traditionelle Anbaumethoden wie etwa den Kaffeeanbau im Schatten des Bergwaldes. „Da sieht man an den Hängen nur Grün, keine gerodeten Flächen“, sagt Solís Macedo.

In der Region um Villa Rica im Zentrum Perus produzieren nach seiner Schätzung neun von zehn Bewohnern Kaffee. Souvenirläden verkaufen Armbänder aus Kaffeebohnen. Und auf dem Hauptplatz des Dorfes steht ein sechs Meter hoher Espressokocher, der bei Festen in Betrieb genommen wird. „Aus der Region mit dem feinsten Kaffee der Welt“, steht auf den Produkten aus Villa Rica. Das hat der Bürgermeister per Dekret bestimmt. In Peru gilt der Kaffee aus der Region tatsächlich als einer der besten: „Das versuchen viele zu nutzen“, sagt Solís Macedo. „Kürzlich haben wir vom Zoll erfahren, dass vergangenes Jahr 220 000 Zentner Kaffee aus Villa Rica für die Ausfuhr registriert wurden. Nur produzieren wir gar nicht so viel!“ Deshalb vergibt die Stadt nun ein Herkunftssiegel: hergestellt in Villa Rica. Und hat ein Labor eingerichtet, in dem entschieden wird, welcher Kaffee so gut ist, dass er das Label tragen darf.

Doch nach wie vor sind viele Bauern arm. Und in der Erntezeit beginnen die Flüsse zu stinken. Aguas mieles, Honigwasser, nennt man hier das Abwasser, das entsteht, wenn Kaffeebohnen aus der Schale gelöst werden. Der hohe Zuckergehalt des Honigwassers sorgt dafür, dass sich der ph-Wert der Flüsse verändert. Fische und Frösche sterben, Menschen bekommen Durchfall. Die Behörden sperren in dieser Zeit die Zufahrt zu den Wasserfällen, die sonst ein beliebtes Fotomotiv für Touristen sind. Ab diesem Jahr wollen die Behörden Gewässerverschmutzung strenger bestrafen.

„Uns helfen Gütesiegel wie Rainforest Alliance oder UTZ Certified sehr. Die meisten verbieten den Bauern, ihre Abwässer direkt in die Flüsse zu leiten. Das bedeutet für uns, dass diese Bauern unsere Bestimmungen einhalten“, sagt Solís Macedo. „Wir würden gerne mehr zertifizierten Kaffee auf den Markt bringen. Am besten wäre es, wenn die gesamte Region mitmacht.“

DER PRÜFER

Hebert Flores ist ein Mann, den viele Bauern fürchten: In seiner Hand liegt es, wer das Siegel der Rainforest Alliance verwenden darf. Sein Arbeitgeber RA-Cert, sagt er, sei unabhängig. „Wir stammen zwar aus der Familie der Rainforest Alliance, aber die Zertifizierer haben mit den technischen Beratern nichts zu tun.“ Er habe einen Traumjob, erklärt er. „Natürlich kontrolliere ich die Farmen, aber ich schlage auch Verbesserungen vor, um produktiver zu werden und die Lebensqualität zu erhöhen. Uns geht es um die Gesundheit von Mensch und Umwelt.“ Wer beim ersten Mal nicht alle Punkte für die Zertifizierung erfüllt, den besucht er nach vier Monaten wieder. Oft helfe der Gruppendruck, besonders in Kooperativen: Wenn ein Bauer die Anforderungen nicht erfüllt, laufen die anderen Gefahr, das Zertifikat zu verlieren.

Was macht einen guten Prüfer aus? „Er muss sportlich sein“, sagt Flores. „Manchmal bin ich tagelang unterwegs. Ich muss zu den Fincas laufen, weil man mit dem Auto nicht hinkommt, nicht einmal mit einem Motorrad.“ Aber das sei natürlich nur eine der Voraussetzungen: „Man darf nichts übersehen, muss systematisch arbeiten und gut mit Menschen jeden Schlags umgehen können. Einem Bauern kann man nicht sagen: Du verstößt gegen Kriterium 2.2. Er muss verstehen, worum es geht. Und warum der Punkt wichtig ist.“ Versuchen manche, ihn mit Geld zu besänftigen? „Ist mir noch nicht passiert“, sagt Flores. „Das liegt sicher daran, dass wir von Rainforest den Ruf haben, streng zu sein.“ Es klingt, als gebe es da auch andere.

DER EXPORTEUR

Gonzalo Buse, der Geschäftsführer von CAMSA, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Ich würde gerne mehr zertifizierten Kaffee verkaufen“, sagt er, „aber die Nachfrage fehlt.“ Er verkauft 30 Prozent zertifizierten und 70 Prozent konventionellen Kaffee ins Ausland.

„Wir kaufen am liebsten Ware, die mehrere Zertifikate hat. Dann können wir auf Bestellungen flexibel reagieren: Du willst Bio? Habe ich. Fairtrade? Kein Problem. UTZ? Rainforest? Alles da.“ CAMSA ist einer der größten Kaffee- Exporteure Perus. „Ich sehe uns als eine Art Kooperative: Wenn es der Kaffeebauer wünscht, holen wir die Ware ab, machen die Qualitätskontrolle, verschiffen sie und bieten zudem das ganze Jahr technische Unterstützung und Rat an.“ Die Geschäftsbeziehung zwischen Exporteur und Bauer sei „wie eine Ehe: Wir halten zusammen in guten und in schlechten Tagen“.

Doch der Preisunterschied zwischen zertifiziertem und konventionell hergestelltem Kaffee sei zu gering. „Ich dachte früher, dass die Zertifikate den Bauern aus der Armut helfen können. Aber das hat sich bisher nicht bestätigt“, sagt Buse. „Deshalb halte ich Konzepte, die den Bauern helfen, die Produktivität zu steigern, für besonders sinnvoll.“ Dass es so viele Kleinbauern gibt, macht das Geschäft für Buse nicht einfacher: „Wir müssen in der Qualitätskontrolle streng sein, um ein homogenes Produkt anbieten zu können. Eine schlechte Bohne kann den Geschmack eines ganzen Sacks verderben.“

Die Vereinigung der Kaffee-Exporteure (ADEX) schätzt, dass Peru im Anbau und Export von Biokaffee bis 2018 Weltmarktführer werden kann. Möglich ist das auch aus einem Grund, der von offizieller Seite ungern genannt wird: Viele Farmer sind fast Biobauern, nur ohne Zertifikat, „by default“, wie Buse sagt. Gemeint ist: Weil sie einsam in den Bergen wohnen und sich weder chemischen Dünger noch Pestizide leisten können, sind sie den Biostandards sehr nahe.

DER ÜBERZEUGUNGSTÄTER

Rubén Santivañez pflanzt zu Hause Zwiebeln und Blattsalat an, „damit meine Kinder das lernen“. Er hupt, wenn aus dem Auto vor ihm jemand eine Wasserflasche aus dem Fenster wirft, als sei der Straßenrand eine Müllhalde. Doch am schlimmsten ist es, wenn er an abgeholzten Flächen vorbeifährt oder an Brandrodungen. Dann wird er still am Steuer und richtet den Blick nach vorn.

Er weiß, dass bisher nur ein kleiner Teil der Bauern nachhaltige Anbaumethoden bewusst verwendet. „Die meisten denken bloß an den kurzfristigen Profit. Aber soll ich deshalb nichts tun? Und mitansehen, wie der Wald weiter abgeholzt wird?“, fragt Santivañez. „Wenn sie verstehen, dass sie mehr produzieren können, wenn sie es richtig machen, werden viele umdenken.“ //


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.