China: Bitte nicht bitter

Getrunken wird er überall, Art und Zubereitung allerdings sind mitunter gewöhnungsbedürftig – zumindest für den deutschen Geschmack. Wie und wo genießen die Menschen in anderen Ländern heute ihren Kaffee? Eine Reise um die Welt.





Vor einigen Jahren bat mich mein chinesischer Vermieter, ein sympathischer Pekinger mittleren Alters, ihm aus Deutschland eine Kaffeemühle mitzubringen. Was er als Teetrinker denn damit wolle, fragte ich. „Nun, einfach nur als Dekoration aufstellen“, antwortete er. „Kaffee ist in China jetzt modern.“

Das ist er tatsächlich, auch dank einer Imagekampagne, die zeigt, was mit geschicktem Marketing möglich ist. Als ich 1999 zum Studium nach Peking zog, hatte gerade die erste Starbucks-Filiale eröffnet, und eine chinesische Kommilitonin, die ich dorthin einlud, prophezeite mit angewidertem Gesicht, die Kaffeehauskette werde bestenfalls mit Ausländern Geschäfte machen. Die Chinesen seien ein Volk von Teetrinkern, und das Einzige, was in ihrer Kultur dem Kaffeegeschmack nahekomme, sei die bittere Kräutermedizin der traditionellen Apotheken.

Ende 2012 betrieb Starbucks rund 600 Filialen im Land, daneben hat sich etwa ein Dutzend Wettbewerber etabliert, allesamt mit dramatischen Wachstumsraten und überwiegend einheimischer Kundschaft. Kaffee ist fester Bestandteil der chinesischen Großstadtkultur geworden, ein Modestatement wie hochhackige Schuhe oder blasse Haut. Geschäftsleute halten in Cafés Besprechungen ab, junge Paare verabreden sich zum Rendezvous, Freiberufler stöpseln ihre Laptops ein.

Wie das gelingen konnte? Nun, die Konzerne waren schlau genug, die Chinesen selbst entscheiden zu lassen, wie ihr Kaffee schmecken soll. Die meisten machen ihre ersten Kaffee-Erfahrungen mit Instantkaffees, die seit den Neunzigerjahren mit großem Werbeaufwand bekannt gemacht wurden und bis heute den chinesischen Kaffeemarkt dominieren. Weil schwarz und bitter nicht gut ankommt, wird löslicher Kaffee gleich zusammen mit süßem Milchpulver vermarktet. Die Rezeptur schmeckt für den deutschen Gaumen eher nach Kakao als nach Kaffee – und trifft gerade deshalb den chinesischen Geschmack. Auch in Coffeeshops werden selten schwarzer Kaffee oder Espresso bestellt, die Renner sind Mixgetränke mit viel Milch und süßem Sirup.

Meinem Vermieter habe ich seinerzeit bei einem Berliner Trödler eine schöne, alte Kaffeemühle besorgt. Er putzte sie gründlich, damit sie nicht mehr nach Bohnen roch, und füllte sie dann mit zuckrigem Instantkaffeepulver. Wenn er Gäste hat, rührt er ihnen bis heute daraus mit großer Geste eine Tasse an. Allein trinkt er aber weiterhin lieber Tee.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.