Russland: Westliche Eleganz

Getrunken wird er überall, Art und Zubereitung allerdings sind mitunter gewöhnungsbedürftig – zumindest für den deutschen Geschmack. Wie und wo genießen die Menschen in anderen Ländern heute ihren Kaffee? Eine Reise um die Welt.





Auch meine Frau Olga hat eine Espressomaschine in der Küche aufgestellt. Aber echter Espresso ist ihr zu stark, sie lässt Wasser durch den Siebträger laufen, bis ihre 0,4-Liter-Tasse voll ist. „Americano“ nennt sie das Ergebnis hochzufrieden und schüttet dann, genau wie die anderen Russen, zwei, drei Löffel Zucker drauf.

Zu Sowjetzeiten trank man Tee, Kaffee gab es nur als vorgesüßte Brühe von undefinierbarem Braun. Oder „türkisch“, im Griffkännchen über der Gasflamme zum Kochen gebracht. „Kenner“ haben ihn mir mit Honig oder Knoblauch angeboten, aber das war eine eher kaukasische Angelegenheit. Die meisten Russen wussten mit Kaffee nichts anzufangen, noch in den Neunzigerjahren habe ich erlebt, wie aus Niedersachsen nach Omsk zurück geflohene Sibiriendeutsche Wasser in einer Kaffeemaschine heiß machten, um damit Tee zuzubereiten.

Aber schon damals stellte man in Sankt Petersburg die ersten Espressomaschinen auf und eröffnete die ersten „Kofejni“, noch ziemlich altmodische Konditoreien. Auch in Moskau kamen Kaffee und Cafés in Mode, schon weil echter Bohnenkaffee teurer ist als Tee, ein kostspieliges Schlückchen westlicher Eleganz. Das Problem: Kaffee schmeckt den meisten Russen gar nicht. Der minimalistische, leicht bittere Mokka schmeichelt ostslawischen Gaumen zu wenig. Deshalb ist man in den Café-Bars in Twer, Taganrog oder Tomsk schon längst dazu übergegangen, Himbeer-, Kokos- oder Vanillesirup in den Milchkaffee zu kippen. 

Wie sehr vieles in Russland, sind auch koffeinhaltige Heißgetränke schnell teurer und schlechter geworden. Meine Frau und ich importieren unsere Bohnen aus Deutschland, weil Kaffee in Moskauer Supermärkten fast doppelt so viel kostet und deutlich schlechter schmeckt. Monopolkapitalistischer Kaffee eben, die kleinen Cafés wurden von großen Ketten geschluckt, heißen jetzt zu Hunderten „Schokoladniza“ oder „Kofe Haus“, Latte gibt es hier ab umgerechnet fünf Euro. Das ist teuer, zumal er etwas kratzig mundet. 

Die Russen aber stört das wenig, sie wollen eigentlich ja gar keinen Kaffee trinken. Deshalb wird im Kofe Haus außer Pasta und Beef Stroganoff inzwischen auch Fassbier kredenzt. 


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.