Geprüft



„Menschenversuche“ und „Versuchskaninchen“ – das sind nur zwei der Schlagworte, die im Mai vergangenen Jahres in den Medien verwendet wurden, um über klinische Studien im Auftrag westlicher Unternehmen in der DDR zu berichten. Die Berichterstattung hat gezeigt, wie wenig die Öffentlichkeit über das komplexe Thema weiß. Und Nichtwissen schafft Misstrauen. Offenbar umso mehr, wenn die pharmazeutische Industrie beteiligt ist, eine Branche, die im Spannungsfeld zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft agiert. Und die das Gros der klinischen Studien in Auftrag gibt.

Tatsächlich sind klinische Studien eine zwingende Voraussetzung für die Entwicklung und Zulassung eines Arzneimittels. Jeder Wirkstoff auf dem Weg von der Forschung bis zu einem in der Versorgung von Patienten genutzten Medikament muss irgendwann beim Menschen zum Einsatz kommen. Das geschieht in klinischen Studien, in denen viel von dem Wissen generiert wird, das Grundlage für die Zulassung und Anwendung eines Arzneimittels ist. Jede Studie beantwortet Fragen: Wie wirkt das Medikament, welche Nebenwirkungen hat es, wem hilft es, und wie muss es dosiert werden? Klinische Studien prüfen Arzneimittel – deshalb werden sie rechtlich korrekt auch als klinische Prüfungen bezeichnet.

Diese Prüfungen sind vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sie sind umfangreich reguliert und kontrolliert: Keine Studie kann ohne Antrag, Bewertung und Genehmigung durch die zuständigen Behörden und eine Ethikkommission begonnen werden. Menschen dürfen erst an einer klinischen Prüfung teilnehmen, nachdem sie umfassend informiert wurden. Auch Durchführung und Auswertung unterliegen strengen Auflagen. Doch ihre Ergebnisse sind die Grundlage für Arzneimittel, die Leben retten, schützen, verbessern und manchmal erst ermöglichen. Das ist der Anlass für uns, sie in unserem zweiten „Hilfe!“-Heft zum Thema zu machen. Unser Magazin will Hintergründe, Anforderungen und Praxis klinischer Prüfungen aufzeigen. Und natürlich die Menschen vorstellen, die daran mitwirken.

Die Studien in der DDR sind in diesem Heft bewusst kein Thema: Ihr Umfang und die Umstände ihrer Durchführung sind Gegenstand laufender Forschungsarbeiten*, zu denen erste Zwischenergebnisse im Laufe dieses Jahres veröffentlicht werden sollen.

Wir haben die zweite Ausgabe unseres Magazins wieder bei brand eins Wissen in Auftrag gegeben und der Redaktion freie Hand gelassen: bei der Auswahl von Autoren, Gesprächspartnern, Inhalten, bei Umsetzung und Gestaltung. Wir selbst hätten auch dieses Magazin so nie auf den Weg gebracht: Es zeigt Misserfolge, lässt kritische Stimmen zu Wort kommen, diskutiert Ansätze, die wir sehr skeptisch betrachten, relativiert Fortschritte der pharmazeutischen Industrie und hinterfragt unser Geschäftsmodell. Aber die erste Ausgabe hat gezeigt, dass gerade andere Meinungen und Sichtweisen zur differenzierten Auseinandersetzung mit Herausforderungen und Dilemmata anregen. Davon gibt es auch bei klinischen Studien genug – mehr als genug für ein zweites Heft.

BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie *Institut für Geschichte der Medizin und Ethik der Medizin der Charité in Berlin, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, der Bundesärztekammer, den Landesärztekammern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, dem Verband forschender Arzneimittelhersteller, dem Bundesverband der pharmazeutischen Industrie und der Bundesstiftung Aufarbeitung


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.