Die Zauberformel

Ein neuartiger Pharmawirkstoff ist das eine. Wie aber sorgt man dafür, dass er am richtigen Organ die richtige Wirkung erzielt? Wie, dass er vom Markt akzeptiert, von Ärzten verschrieben und von Patienten zuverlässig eingenommen wird? Über Fragen wie diese grübeln Galeniker. Michael Ausborn, oberster Rezepteur beim Pharmariesen Hoffmann-La Roche, ist einer von ihnen.




Wer den Biochemiker Michael Ausborn sprechen will, wer also im vierten Stock des nagelneuen, schneeweißen „Bau 97“, das die Stararchitekten Herzog & de Meuron mitten in den Baseler Roche-Komplex gesetzt haben, aus dem Fahrstuhl tritt, stößt im Vorzimmer auf ein Kuriosum. Unter der Plexiglashaube einer Ausstellungsvitrine ruht dort ein tiefroter, massiver Backstein mit leicht abgebröselten Ecken. Ein Schild klärt den Besucher überflüssigerweise darüber auf, dass es sich hier um eine Materie von hohem Schmelzpunkt und geringer Löslichkeit handelt. Das Schild darüber fordert den Betrachter auf: „Formulate this!“ („Verwandeln Sie dies in eine Rezeptur!“), was ebenfalls ironisch zu verstehen sein dürfte. Denn dass man diesen Brocken nicht knacken kann, sieht jeder.

Und doch ist genau das der Job von Michael Ausborn. Der schlaksige Deutsche, der in Schwerin aufwuchs und in Halle Pharmazie studierte, wechselte nach ein paar Jahren bei Sandoz und Novartis 2005 zum Pharmakonzern Roche, dem Weltmarktführer bei krebstherapeutischen Medikamenten. Visitenkarten habe er leider keine zur Hand, entschuldigt sich der 49-Jährige, als er dem Besucher aus seinem hellen Büro entgegenkommt, den letzten Schwung Karten habe er gerade bei einer Tagung im indischen Ahmedabad verteilt.

Als oberster Galeniker im Haus muss Ausborn häufig irgendwo in der Welt präsentieren, diskutieren und referieren. Geschäftssprache ist Englisch, auch deshalb wimmelt es in seinem Redefluss von Anglizismen wie von Leukozyten in einer Blutbahn: „exposure“, „pill burden“, „druggability“, „area under the curve“. Letzteres übersetzt Ausborn geduldig als die Konzentration eines Pharmakons im Blut, also die Schlagkraft, die ein Wirkstoff letztlich im Körper eines Kranken entfalte. Die wiederum hänge nicht zuletzt von der Form ab, in der man ihn schluckt, spritzt oder per Infusion verabreicht. „Selbst zwei Tabletten mit derselben Wirkstoffmenge, aber unterschiedlichen Hilfsstoffen, können unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen im Blutplasma erzeugen.“

Damit ein Wirkstoff nicht wirkungslos verpufft oder in Folge von Konzentrationsspitzen zu Nebenwirkungen führt, braucht es die richtige „Darreichungsform“. Diese Zauberformel suchen Galeniker, der Berufsstand, der die Lehre von der Zubereitung der Arzneimittel beherrscht und seinen Namen dem nach Hippokrates berühmtesten Arzt der Antike verdankt: Galenus. Im Grunde tun Galeniker nichts anderes, als Backsteine in Medikamente zu verwandeln.

Die Backsteine, mit denen es Michael Ausborn zu tun hat, sind Proteine, Antikörper und chemisch synthetisierte Moleküle, die seine Kollegen aus den Forschungsabteilungen als medizinische Wirkstoffe identifiziert haben. Das bedeutet: In jeder dieser Substanzen kann theoretisch ein schlagkräftiges Krebsmittel oder Rheumamittel, ein Segen für Kranke und ein Blockbuster für Ausborns Arbeitgeber stecken – vorausgesetzt, man bringt den Wirkstoff in der richtigen Dosis und zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle im Patientenkörper.

„Auf den ersten Blick“, sagt Ausborn und schiebt einen Stapel Studien auf seinem Schreibtisch beiseite, deren Titel so kompliziert klingen, als erfordere ihr Verständnis mindestens ein Pharmazie-Studium, „wirkt das wie eine triviale Aufgabe. Der Patient schluckt eine Pille oder bekommt eine Spritze, and that’s it. In Wirklichkeit aber müssen wir, damit ein Wirkstoff den gewünschten Effekt erzielt, viele Hürden überwinden. Nehmen Sie nur einmal die naheliegendste: die Zeit.“

Zeit ist für einen Menschen, der etwa an Migräne leidet, ein enorm kritischer Faktor. Ein Schmerzmittel muss sich daher schnell im Magen auflösen und sofort wirken. „Ideal ist ein Anfluten des Wirkstoffs binnen weniger Minuten“, erklärt Ausborn und greift zu zwei Röntgenbildern eines menschlichen Körpers, die einen weiteren Aspekt des Problems Zeit illustrieren. Auf einem Bild sind eine Vielzahl von Krebsmetastasen in Form dunkler Flecken zu erkennen, die den Patientenkörper durchsetzen wie Stockflecken ein Stück Stoff, das lange Feuchtigkeit ausgesetzt war. „Hier sehen Sie, dass unser Krebsmittel vom Patienten nicht ausreichend aufgenommen wurde. Aufgrund seiner schlechten Löslichkeit hat es sich während der Magen-Darm-Passage nicht schnell genug zersetzt.“

Ausborn und seine Kollegen verlegten sich daher auf einen Trick und versetzten den Wirkstoff in eine amorphe, höchst instabile Form, die bei Berührung mit Flüssigkeit zerfällt wie Zucker in heißem Wasser. Sein zweites Bild zeigt eine Aufnahme desselben Patienten, 15 Tage nachdem er erstmals die neue Wirkstoffformel geschluckt hatte: Die dunklen Flecken sind fast vollständig verschwunden.

Galenik, so lernt man, ist auch ein Wettlauf gegen die Zeit, und dabei gibt es zahllose Varianten. Bei Schlaftabletten beispielsweise ist es genau umgekehrt wie bei Kopfschmerzmitteln: Hier kommt es weniger auf ein schnelles Einsetzen als vielmehr auf das zuverlässige Abklingen der Wirkung an, damit Patienten nach dem Aufstehen nicht noch stundenlang müde sind. Bei Cholesterinsenkern oder Antikörpern in der Krebstherapie hingegen ist weder eine besonders schnelle noch exakt limitierte, sondern eine möglichst lang anhaltende Wirkung erwünscht.

Prinzip Zeitbombe

Natürlich könnte man dafür einfach die Wirkstoffkonzentration pro Tablette erhöhen, was jedoch zu hohen Konzentrationen im Blut und damit zu unerwünschten Nebenwirkungen führen würde. Der Trick besteht im „Modified Release“, also in Verzögerungsformeln, dank derer sich die Wirkung erst mit Zeitverzögerung entfaltet. Manchen dieser Retard-Tabletten werden dafür per Laser Löcher eingeschossen. Sobald die Tablette im Magen angekommen und der äußere Tablettenfilm vom Magensaft zersetzt worden ist, dringt durch die Löcher Flüssigkeit in die Tablette ein und bringt dort eine gelartige Matrix zum Quellen. Hat die Matrix ein bestimmtes Volumen erreicht, drückt sie nach und nach den Wirkstoff in exakt berechneten Intervallen aus der Tablette – eine Art Dosierung mit Nachbrenner-Effekt.

Manchmal machen sich Galeniker auch das Prinzip Zeitbombe zunutze. Dabei werden Gelatinekapseln mit Pellets oder Tabletten unterschiedlicher Zusammensetzung bestückt, die ihre Wirkstoffe zeitversetzt freigeben. Auf diese Weise hat ein Patient, der morgens eine einzige Pille schluckt, über 24 Stunden hinweg einen konstanten Wirkspiegel im Blut – die ideale „area under the curve“.

Eine Tablette pro Tag – für Ausborn ist das die ideale, weil einfachste Darreichungsform. „Grundsätzlich gilt: Wir müssen immer versuchen, die Darreichungsform so simpel und zuverlässig wie irgend möglich anzulegen.“ Älteren oder dementen Patienten fällt es zum Beispiel oft besonders schwer, sich komplexe Einnahmeschemata zu merken. Überhaupt, die alternde Bevölkerung: Für Roche sei sie ein Riesenthema.

Das ist sie übrigens auch für Ausborn selbst. „Meine Eltern sind in einem Alter, in dem sie nicht nur eine, sondern gleich mehrere Tabletten pro Tag schlucken müssen. Das ist gar nicht so einfach, schließlich darf man die Medikamentengaben weder vergessen noch verwechseln. Viele ältere Menschen haben außerdem Schluckbeschwerden, was die Einnahme verkompliziert. Und fast alle trinken zu wenig, wenn man bedenkt, dass pro Pille 200 bis 250 Milliliter Flüssigkeit zur Einnahme empfohlen werden.“

Die wichtigste Regel jedoch gilt für ältere wie für junge Patienten gleichermaßen: Arzneimittel nimmt niemand gern. „Eigentlich will ja niemand darüber nachdenken, dass er krank ist. Das tut er aber zwangsläufig jedes Mal, wenn er zur Medikamentenpackung greifen oder sogar ins Krankenhaus fahren muss, um sich ein Mittel per Infusion verabreichen zu lassen. Obwohl sie Leben retten oder zumindest verlängern können, werden Medikamente nicht gerne genommen.“

Michael Ausborn hat einen Beruf, den kaum einer kennt, aber jeder braucht, der krank wird: Der Galeniker entwickelt die perfekte Darreichungsform für Medikamente.

Mangelnde „Compliance“, also die Nichtbefolgung der ärztlichen Einnahmevorgaben, ist daher ein weitverbreitetes Problem. Nicht selten justieren Patienten eigenmächtig ihre Dosis oder setzen das Medikament ganz ab, sobald es ihnen ein bisschen besser geht – ein klassischer Fehler bei Antibiotika und eine Ursache für viele Resistenzen, die Bakterienstämme mittlerweile entwickelt haben. Aufgabe der Pharmazeuten sei es, sagt Ausborn, dafür zu sorgen, dass Präparate trotzdem genommen werden und – noch wichtiger – überhaupt genommen werden können. Für Parkinsonkranke beispielsweise kann eine verschweißte Pillenpackung ein unüberwindliches Hindernis darstellen. Rheumapatienten mit arthritischen Fingern wiederum wäre mit Infusionslösungen, die sie selbst aufziehen und spritzen müssen, wenig geholfen. Für andere Patienten hingegen bedeutet gerade das eigenhändige Spritzen eine enorme Erleichterung, wie das Beispiel Herceptin zeigt.

Herceptin ist der Markenname eines Roche-Krebsmedikaments, das bei Brustkrebs die Ausbreitung von Tumorzellen hemmt. Bislang mussten Patientinnen sich zur Herceptin-Therapie alle drei Wochen ins Krankenhaus begeben, wo ihnen das Präparat mit einer 30bis 60-minütigen Infusion ins Blut gepumpt wurde. „Niemand aber geht gerne ins Krankenhaus, vor allem nicht, wenn man sich eigentlich längst wieder gesund fühlt“, sagt Ausborn. „Wir haben uns deshalb gefragt: Gibt es nicht eine Möglichkeit, den Wirkstoff subkutan zu injizieren?“

Heute gibt es diese Möglichkeit, sie heißt „Single Injection Device (SID)“ und ist ein iPod-großer Kasten aus grauem Plastik, der gerade in den Roche-Labors erprobt wird. Herzstück des SID ist eine miniaturisierte Spritze, die an eine Dosierungseinheit für Herceptin gekoppelt ist. Zusammen mit einem speziellen Enzym, das die Injektion vereinfacht, soll sich der Wirkstoff künftig mit diesem unscheinbaren Kasten binnen fünf Minuten von jedem Hausarzt spritzen lassen. „Auf diese Weise ersparen wir den Patientinnen viel Zeit – und dem Gesundheitssystem hohe Krankenhauskosten.“

Kosteneffizienz ist in Zeiten ausgelaugter Gesundheitssysteme ein kritischer Faktor für jedes neue Medikament. Für Ausborn und seine Kollegen kommt es daher auch darauf an, ihre Rezepturen von Anfang an so zu formulieren, dass sie zu vertretbaren Kosten hergestellt und angeboten werden können. Denn „druggable“, also markttauglich, ist ein Wirkstoff erst, wenn er nicht nur von Patienten, sondern auch von Krankenkassen, Zulassungskommissionen und der Ärzteschaft geschluckt wird. „Erst die Rezeptur entscheidet darüber, ob aus einem großartigen Molekül ein großartiges Medikament werden kann“, sagt Michael Ausborn. Dazu muss es allerdings auch erst einmal gekauft werden.

Rezeptfreie Arzneimittel, die Patienten selber bezahlen müssen, sollten daher neben ihrer medizinischen noch eine ganz andere Wirkung entfalten: Anziehungskraft. Nicht wenige werden deshalb extra so designt, dass sie die Aura einer echten Marke verströmen. Viagra-Pillen etwa sind unverkennbar blau gehalten, SpaltKopfschmerztabletten ähneln nicht zufällig einem Knauf, mit dem sich der Schmerz vermeintlich abschalten lässt. Eine Pille gegen die Knochenkrankheit Osteoporose hat der US-Pharmakonzern Merck & Co. in Knochenform gepresst. Und wer den Klassiker Aspirin schluckt, schluckt immer auch ein Bayer-Kreuz: Erfolgreicher als der deutsche Pharmariese hat vermutlich kaum jemand je ein Medikament in eine Marke verwandelt.

Dabei kann selbst die Farbe einer Pille mit über den Erfolg eines Präparats entscheiden. So werden Schlafmittel typischerweise in Blau, Magenpillen in Grün, starke Schmerzmittel in Rot und Antibabypillen in Lavendel oder Rosa eingefärbt – die Patienten trauen ihnen einfach mehr zu als anderen Pillen. „Die Farben allein haben für sich genommen schon einen gewissen Effekt auf die Wirkung, den sogenannten Placebo-Effekt“, erklärt ein Sprecher des Pharmakonzerns Schering (heute Bayer HealthCare Pharmaceuticals). Wissenschaftlich belegt ist dieser Effekt beispielsweise für Schlaftabletten in blauer Tönung: So schliefen Probanden nach der Einnahme einer blauen Tablette deutlich länger als Versuchspersonen, die denselben Wirkstoff in andersfarbigen Rezepturen geschluckt hatten.

Mikrochips unter der Haut

Ob ein Medikament von den Patienten akzeptiert wird, ist nicht zuletzt auch eine Frage der Kultur. In Europa beispielsweise hilft man kranken Kleinkindern mit fiebersenkenden Zäpfchen. In den USA hingegen würde keine Mutter je auf die Idee kommen, ihrem Kind ein Medikament rektal zu verabreichen. „Das ist kulturell einfach nicht zu vermitteln“, weiß Michael Ausborn. Für den amerikanischen Markt haben Pharmazeuten deshalb Pellets entwickelt, die sich wie Schokostreusel über Joghurt streuen oder in Limonade auflösen lassen. Grundsätzlich bevorzugen US-Amerikaner eher bunte Pillen, die schon rein äußerlich einen Wirkmix suggerieren, während Japaner tendenziell pur-weißen Präparaten vertrauen. Für Länder mit muslimischer Bevölkerung wiederum gilt es zu bedenken, dass die Kapseln keine Schweinegelatine enthalten. Damit Konzerne wie Roche den Weltmarkt beliefern können, müssen ihre Produkte außerdem auch ein paar Tage bei 40 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit überstehen, die sie mitunter auf irgendeinem tropischen Rollfeld auf ihren Weitertransport warten. Danach müssen sie ihre Wirksamkeit auch noch rund drei Jahre im Regal eines Apothekers erhalten – auf diesen Zeitraum ist das „shelf life“ der meisten Medikamente ausgelegt.

„Die Vielfalt der Formulierungen“, sagt Ausborn, „ist fast so groß wie die Zahl der neuartigen Ansätze, die wir verfolgen.“ So gibt es heute für Tumorpatienten Schmerzmittel in Lutscherform, die bei akuten Schmerzattacken über die Mundschleimhaut schneller aufgenommen werden als Tabletten. Ein anderes Konzept besteht darin, Medikamente über Nasensprays zu verabreichen und auf diese Weise den Umweg über Magen und Darm zu sparen. Wirkstoffe wiederum, die über längere Zeit und in geringen Dosen aufgenommen werden sollen, können häufig einfach per Pflaster aufgetragen werden.

Ein paar Millimeter tiefer, nämlich unter die Haut, wollen die Forscher eines amerikanischen Start-ups gehen, mit denen Michael Ausborn vor einiger Zeit kooperierte. Ihre Idee: Wirkstoffe auf Mikrochips zu speichern und unter die Haut zu transplantieren. Auf diesen Mikrochips lassen sich nämlich gleichzeitig auch individuelle Programme einspeichern, die den Wirkstoff je nach Patientenprofil Tag für Tag in individuellen Dosen herausschießen. Damit wären Probleme wegen Überdosierung oder vergessener Tabletten ausgeschlossen, und bei Laborratten hat die Medizin, die unter die Haut geht, schon funktioniert. Von der Anwendung beim Menschen sind die Forscher allerdings noch weit entfernt. Selbst eine Mini-Dosis von nur zehn Milligramm pro Tag würde sich bei längerem Einsatz auf ein Wirkstoffdepot von durchaus spürbaren 300 Milligramm Gewicht pro Monat summieren. Außerdem müsste ein solcher Chip ja nicht nur eingesetzt, sondern auch chirurgisch wieder entfernt werden. „Damit diese Technik Zukunft hat, brauchen wir hoch potenzierte Wirkstoffe und biologisch abbaubare Mikrochips, die sich nach Gebrauch im Körper von selbst zersetzen“, sagt Ausborn, und es ist ihm anzusehen, dass ihn die Möglichkeiten der Zukunft faszinieren.

Schuhe in der Schleuse: vor dem Reinraum beim Pharmakonzern Hoffmann-La Roche
Hier erforschen und entwickeln die Biochemiker ihre Rezepturen. In diesem Raum werden speziell Pulver analysiert.

Vorher gilt es für ihn allerdings noch eine andere Aufgabe zu lösen: „bioverfügbare Proteine“, sie sind seine größte Herausforderung. Dahinter verbirgt sich das Ziel, Proteine in Pillen zu packen, was überraschend profan klingt, schließlich schluckt jeder von uns jeden Tag Proteine in Form von Nüssen, Fleisch, Milchprodukten oder Fisch. Für einen Galeniker jedoch, sinniert Ausborn, seien Proteine in Tablettenform „so etwas wie der Heilige Gral“.

Aufgrund ihrer Größe und Oberfläche kann der menschliche Verdauungstrakt Proteine nämlich nicht absorbieren. Magen und Darm sitzen deshalb voller hochwirksamer Enzyme, die Proteine in ihre kleinsten Bestandteile zerlegen. Dasselbe würden sie auch mit Insulin anstellen, das als Peptid zur Familie der Proteine gehört und dabei seine Wirksamkeit verlöre. Für eine Proteinpille müsste also eine widerstandsfähige Darreichungsform gefunden werden, die zunächst den Enzymangriff schadlos übersteht, um danach irgendwie durch die Darmwand in den Blutkreislauf zu gelangen und dort noch ihre Wirkung zu entfalten.

Die Aufgabe ist so vertrackt, dass bisher alle Galeniker an ihr gescheitert sind. Michael Ausborn aber hält es durchaus für denkbar, dass der Geniestreich noch während seiner aktiven Berufszeit glücken könnte, was eine enorme Erleichterung für Millionen Patienten in aller Welt wäre. Zuckerkranke könnten ihr Insulin künftig einfach schlucken, statt es sich täglich selbst spritzen zu müssen. Kinder, denen der Arzt Wachstumshormone spritzt, könnten sie in Pillenform nehmen, auch Osteoporosepatienten bliebe der regelmäßige Gang zum Arzt erspart. Überflüssig zu erwähnen, dass in diesem Durchbruch nicht nur eine medizinische Sensation, sondern auch ein potenzielles Milliardengeschäft steckt.

Man könnte auch sagen: Proteine in Pillenform sind der größte derzeit bekannte Backstein.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.