Die Politikerin

Birgitt Bender, Gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen




„Auf dem Arzneimittelmarkt legt man nicht einfach einen Hebel um und fertig. Man dreht an einem Rad, und plötzlich geraten ganz viele Räder in Bewegung, aber nicht immer so, wie man sich das vorher dachte. Deshalb geht es oft zwei Schritte vor und einen zurück – und dann zeigt jeder mit dem Finger auf andere. Als Politikerin steckt man immer mitten im Meinungskampf.

Ziel einer guten Pharmapolitik ist die umfassende Versorgung mit bezahlbaren, guten Medikamenten. Dass Unternehmen Geld verdienen wollen, ist legitim, aber
als Politikerin habe ich Verantwortung für das Solidarsystem. Die Beiträge müssen für die
Versicherten bezahlbar bleiben, deshalb
müssen sich auch die Gewinnerwartun-
gen der Hersteller in Grenzen halten.


Aber Entwicklung und Forschung an
neuen Medikamenten dürfen nicht gefähr
det werden.

Über die richtige Balance gibt es freilich unterschiedliche Auffassungen, deshalb muss ich
den Unternehmen zuhören und von ihnen lernen
– wie ich mit jeder Seite sprechen muss, weil der
Markt so komplex ist. Dabei kann ich keine Samthandschuhe tragen, man darf nie in Verdacht gera-
ten, der Industrie zu Willen zu sein. Wobei klar
ist: Auch wenn die Pharmaindustrie in der Öffent-
lichkeit oft wie ein negativer Block dasteht, sind
es doch viele verschiedene Unternehmen, die
sich sehr unterschiedlich verhalten. Dass die Politik insgesamt kritischer geworden ist, liegt am Markt, der an seine Finanzierungsgrenzen stößt. Außerdem haben Institutionen wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu mehr Transparenz geführt – Politiker wissen heute mehr als früher.

Einfacher ist es dadurch jedoch nicht geworden, denn wir bewegen uns im Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Gesundheitspolitik. Markt oder Solidargemeinschaft – da besteht meist ein Zielkonflikt. Wobei es durchaus Überlappungen geben kann, etwa beim geforderten Nachweis des Zusatznutzens bei neuen Medikamenten: Indem wir Scheininnovationen bekämpfen, zwingen wir die Hersteller zur Forschung an wirklichen Innovationen, und das macht sie langfristig doch nur stärker.

Wie wir verhindern, dass die Arzneimittelkosten jedes Jahr signifikant steigen? Es ist schwierig, denn mit jeder neuen Regel im Markt gibt es auch viele Versuche, diese zu umgehen, um einen höheren Preis zu erzielen. Unternehmen entwickeln dabei mitunter eine erstaunliche Fantasie, etwa bei neuen Medikamenten für seltene Krankheiten, die vom Nachweis eines Zusatznutzens ausgenommen sind. In der Folge werden plötzlich diverse Erkrankungen in Untergruppen eingeteilt und dann als „selten“ definiert – da fühlt man sich schon veräppelt.

Durchdachte Strategien brauchen Zeit, und das kommt öffentlich nicht gut an, weshalb Politiker oft zu symbolischen Handlungen neigen. Aktionismus aber verhindert ernsthafte Diskussionen und wirkt gerade auf dem Arzneimittelmarkt verheerend. Ist dafür allein die Politik verantwortlich? Ich glaube, das greift zu kurz, denn es ist schließlich auch „das Volk“, das danach verlangt.

Egal, was man macht, als Politikerin im Gesundheitsbereich macht man es niemals allen recht. Ich fühle mich manchmal wie ein Hase, der über ein Minenfeld läuft. Aber man darf sich nicht hetzen lassen, muss allen Seiten etwas abverlangen, auch Kassen und Patienten, selbst wenn es Wähler sind. So muss man beispielsweise immer wieder klarmachen, dass maximale Versorgung nicht immer die beste ist – obwohl das gar nicht gut ankommt.

Auf anderen Märkten verschieben sich die Sättigungsgrenzen, auf dem Arzneimittelmarkt hingegen muss der Kuchen noch aufs Backblech passen, und jede Seite will sich das größte Stück sichern. Ich wünschte mir, die Teilnehmer auf dem Pharmamarkt würden nicht nur auf ihre eigenen Interessen, sondern auch auf das Gesamtsystem achten. Das heißt für Hersteller: angemessene Preise. Kassen und Ärzte sollten weniger über Geld, stattdessen vielleicht über neue Versorgungsstrukturen reden. Und auch der Patient trägt Verantwortung. Der Medikamentenverbrauch hängt auch vom Lebensstil ab. Jeder kann Einfluss nehmen auf den Markt.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.