Der Hersteller

Hanspeter Quodt, Geschäftsführer, MSD Sharp & Dohme GmbH




„Eines ist klar: Mit der Einführung des AMNOG hat sich das jahrzehntelange Geschäftsmodell der forschenden Pharmaunternehmen überholt. Wir haben neue Produkte entwickelt, sie bepreist, haben unsere Informationen dazu verbreitet, und dann konnte sich der Erfolg über einige Jahre einstellen. Jetzt besteht unsere Herausforderung darin, bereits vor der Markteinführung nachzuweisen, dass ein neues Medikament einen zusätzlichen Nutzen hat, und dessen Prüfung durch das IQWiG und den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ist ein recht monopolisierter Prozess.

So einen Paradigmenwechsel hat es noch nie gegeben. Die Grundidee aber finde ich positiv, denn jeder muss seinen Beitrag leisten für ein funktionierendes Gesundheitssystem – also eines, das bezahlbar ist und trotzdem Inno
vationen ermöglicht. Und die neue Nutzenbewertung ist auch eine Chance, sich von Wettbewerbern abzuheben. Dafür müssen Innova
tionen aber wirklich anerkannt werden, und
ich bin mir nicht sicher, ob das geschieht. Bis-
lang wurden nur etwa 20 Prozent aller
geprüften Neuheiten mit Einschrän
kungen ein Zusatznutzen bescheinigt – da kommt man
schon ins Grübeln.

Manch eine Entscheidung kann ich wirklich nicht nachvollziehen, etwa bei unserem neuen Medikament Boceprevir für die Therapie der chronischen Hepatitis C. Das IQWiG kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass es Hinweise auf einen Zusatznutzen gegenüber der Standardtherapie gibt, konnte ihn jedoch nicht quantifizieren. Denn es erkannte nicht an, dass die Elimination des Virus einer Heilung und damit einer Verringerung von Folgeerkrankungen gleichkommt. International gilt die Elimination des Hepatitis C-Virus als Heilung – warum soll das in Deutschland anders sein? Zum Glück hat der G-BA die Beurteilung durch das IQWiG teilweise korrigiert, doch bleiben viele Fragen offen.

Und trotzdem: Ich empfinde die aktuellen Herausforderungen nicht nur als Belastung. Derzeit bilden alle Marktteilnehmer ein lernendes System – jeder positioniert sich, alle müssen sich zusammenraufen. Wir haben jetzt auch die Chance, vieles neu zu machen.

Viel zu lange war das Verhältnis zu den Kostenträgern durch Konfrontation geprägt, aber das nützt natürlich keiner Seite. Ein Pharmahersteller trägt Verantwortung für das ganze System – und so wollen wir uns auch verhalten: weg vom bloßen Pillenlieferanten hin zu einem Gesundheitsunternehmen, das umfassende Lösungen erarbeitet. So wie ein Autokonzern, der nicht nur Fahrzeuge, sondern Mobilitätskonzepte anbietet.

Was das bedeutet? In der Forschung werden wir noch gezielter vorgehen und uns schon Jahre vor einer eventuellen Marktreife mit den Zulassungsbehörden abstimmen. Das klassische Marketing für Ärzte wird an Bedeutung verlieren zugunsten früher Abstimmungsprozesse mit Politik und dem Spitzenverband der Krankenkassen. In Sachen Bezahlbarkeit wollen wir mit Kassen Mehrwertverträge schließen, die nicht nur auf Rabatte hinauslaufen, sondern auf gemeinsame Ziele. Wie viele Diabetiker weniger müssen nach einer bestimmten Anzahl an Jahren medikamentöser Behandlung trotzdem ins Krankenhaus? Wie viele Tage ist ein Patient weniger krankgeschrieben, nimmt er ein bestimmtes Präparat? Man könnte auch gemeinsam Fortbildungen für Ärzte anbieten. Es geht um qualitative, langfristige Ziele – auch weil wir verlorenes Vertrauen zurückgewinnen wollen.

Als Unternehmen wollen wir natürlich Gewinne erzielen, zugleich müssen die Preise bezahlbar und neue Medikamente innovativ sein. Das klingt widersprüchlich, und ich empfinde es nicht selten auch als Quadratur des Kreises. Aber andernorts gibt es ja Beispiele für gemeinsame Lösungen, etwa in Neuseeland mit Gesundheitsplänen für Ernährung, Diagnose und Therapien. An solchen Vorbildern kann man sich ausrichten. Gemeinsamkeit erfordert allerdings auch Vertrauen, und da fühle ich mich mitunter allein gelassen. Nehmen Sie nur das jüngste Beispiel: Da wurde der Zwangsrabatt für Medikamente jenseits der Festbetragsregelung von zehn auf 16 Prozent erhöht – und nun verfügen die Krankenkassen über einen Milliardenüberschuss. Der Rabatt wird jedoch nicht ausgesetzt. Gemeinsamkeit sieht anders aus.


Natürlich lebt auch auf Seiten der Industrie noch mancher in der alten Welt, in der man sich lieber gegenseitig Vorwürfe macht als sich zusammen an einen Tisch zu setzen. Aber wir stehen unter Beobachtung – was ich in Ordnung finde, weil es zu mehr Sorgfalt führt. Und um Sorgfalt geht es, will ich meinen Patienten gerecht werden. Denn das ist schließlich unser gesellschaftlicher Auftrag.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.