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Gewinner international

Wie können Menschen in einer zunehmend zersplitterten Gesellschaft zueinander finden? Der Soziologe Michael Carolan sagt: über Erfahrungen. Zum Beispiel rund ums Essen.

Interview: Peter Lau

Sieger international 22

Für Michael Carolan ist Essen ein Weg, zu Menschen zu finden: Es macht sie offener, neugieriger und damit auch empathischer.

Terry kann es nicht glauben. Der Amerikaner war sich sicher, dass die Bezieher von Essensmarken im Luxus lebten – auf Kosten ehrlicher Steuerzahler wie ihm. Bevor er selbst versuchte, sich davon zwei Wochen zu ernähren, erklärte er noch, er werde jeden Tag Steak essen, so wie diese Schmarotzer, die sich bloß einen Job suchen müssten. Doch nach dem Experiment gestand er: „Ich habe geschummelt, das Budget hat einfach nicht gereicht.“ Die ganze Erfahrung habe ihn „überrascht“. Und damit nicht genug: Danach begann er, sich über das Leben mit Mindesteinkommen mehr zu informieren.

Terry hat an einer Studie von Michael Carolan teilgenommen. Der Soziologe ist Professor an der Colorado State University und einer der Leiter des Food Systems Institute for Research, Engagement and Learning, das sich mit dem Verhältnis von Nahrungsmittelproduzenten und -konsumenten beschäftigt. Bekannt geworden ist Carolan mit Büchern wie «The Real Cost of Cheap Food» über die Abgründe der Discounter oder «The Food Sharing Revolution» über Kooperativen und andere Organisationen, die Nahrungsmittel direkt vermarkten.

Auch in seinem neuen Buch geht es scheinbar ums Essen, aber tatsächlich erzählt Carolan von Menschen. Sie haben versucht, von Essensmarken zu leben, Erdbeeren geerntet oder Leute getroffen, die im abgehängten Hinterland zu Hause sind. Und sie haben dabei Erfahrungen gemacht, die sie an ihrer Weltsicht zweifeln ließen, sie offener machten – und empathischer.

Michael Carolan reagiert mit der Sammlung von Studien, Erfahrungen und Geschichten, die er in «A Decent Meal» versammelt, auf die extreme gesellschaftliche Polarisierung in den USA, die im Sturm aufs Kapitol ihren ersten Höhepunkt fand. Das Wissen um diesen Zerfall taucht bei ihm aber nur am Rande auf – es geht vor allem darum, wie sich der Prozess aufhalten lässt. Der Wissenschaftler denkt nicht an große Lösungen, an Strukturreformen oder Gesetze. Für ihn steht der einzelne Mensch im Mittelpunkt und die Frage, ob und wie er erreichbar ist. Es ist eine zutiefst humanistische Antwort auf eine große humanistische Krise, die in Europa schwächer verläuft. Noch jedenfalls.

Buch international

„A Decent Meal – Building Empathy in a Divided America»

Michael Carolan

Stanford University Press, 2021, 228 Seiten, ca. 26 Euro

Zur Zusammenfassung

Ihr Buch heißt «A Decent Meal», eine anständige Mahlzeit. Was ist für Sie eine anständige Mahlzeit?
Sehr gut! Das hat mich noch nie jemand gefragt. Ich würde sagen, eine anständige Mahlzeit ist eine Erfahrung. Das ist auch der Grund, warum ich mein Buch rund ums Essen aufgebaut habe. Einerseits sorgt Essen bei Menschen für Geborgenheit, andererseits macht es aber auch neugierig – wir brauchen es zum Überleben und wollen deshalb wissen, woher es kommt und wer es produziert. Außerdem ist Essen entwaffnend, es entpolitisiert Situationen.

Wir wissen aus den Neurowissenschaften, der Psychologie und der Soziologie, dass unser Glaube an die Rationalität und die Demokratie auf einer grundlegend falschen Annahme beruht: dass wir Kontroversen beilegen können, indem wir darüber vernünftig reden. Das funktioniert nicht, weil das, was wir für vernünftig halten, von unserer sozialen Stellung abhängt und von den kognitiven Filtern, die wir haben. Doch Essen kann solche Vorbehalte kurzschließen. 

Menschen sind beim Essen offener, sodass sie neue Informationen leichter erreichen. Sie sind dann eher bereit, ihre Weltsicht neu zu bewerten und zu überdenken, wie sie die Dinge sehen und sich wünschen. Sie sind offener für Veränderungen.

Das klingt so, als müssten wir jenseits der Worte anfangen, um überhaupt miteinander reden zu können.
Ja, das stimmt. Es heißt oft, dass Empathie durch Gespräche und Fakten entsteht, weil wir dann die Lage der anderen besser verstehen und uns besser in die Menschen einfühlen können. Doch nach meiner Erfahrung kommt erst ...

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Longlist – international

Gewinner:

Michael Carolan
A Decent Meal

David Cooperrider und Audrey Selian 
The Business of Building a Better World

Kati Marton
The Chancellor

G. Richard Shell
The Conscience Code

Amanda Montell
Cultish

Saul Griffith
Electrify

Carlos Gil

The End of Marketing

Michael Bungay Stanier

How to Begin

Liz Wiseman

Impact Players

Jeff Desjardins
Signals

Weitere Interviews mit den Autoren finden Sie in unserem E-Paper.