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brand eins 04 /2015 Schwerpunkt Handel

Michael Lutter, Hamburg

Das sich wandelnde Verhältnis zwischen Handel und Kunde wird in Ihrem Schwerpunkt gut beleuchtet, aber wie ist es mit der anderen Seite, der Beziehung Handel–Hersteller? Seit ich ausgezogen bin, mein Produkt in diesen Handel zu bringen, lerne ich nämlich zunehmend das Fürchten.

Egal ob man persönlich vorspricht, per Post oder E-Mail, ob man das Produkt mit oder ohne Muster vorstellt, die Reaktion ist: praktisch null. Ein Sumpf aus Wurschtigkeit und professioneller Prokrastination tut sich vor einem auf. Auf höfliche Anfragen wird meist gar nicht geantwortet, auch auf Nachfrage nicht. Es wird Interesse bekundet, und dann ist man nicht mehr zu sprechen. Termine werden angekündigt und nicht gehalten, Zusagen nicht weiter verfolgt. Sogenannte Ansprechpartner sind eigentlich nie zu sprechen oder nicht anwesend. Den Rest erledigt ein ausuferndes Kontaktformular, das Online-Pendant zum „Bitte nicht stören!“-Schild an der Türklinke.

Lieferanten mussten ja schon immer den Hintereingang nehmen, aber selbst der ist nicht mehr zu finden. Hinweise oder Kontaktdaten zum Einkauf? Fehlanzeige auf allen Kanälen. Noch bizarrer wird es, wenn von vielen Seiten vor den ganz großen Namen im Handel gewarnt wird. Geistiger Diebstahl und Übervorteilung seien noch das Mindeste, was mich da erwarten würde. Die, mit denen ich eigentlich Hand in Hand Kunden finden und zufriedenstellen soll, wollen mir nur Böses? Völlig irre, aber man fängt an, dem Glauben zu schenken.

Und dann gibt es die andere Seite, der Gottseibeiuns aller Branchen, der Dämon des gerechten Kaufmanns: der gefürchtete und mit Argwohn betrachtete globalisierte Onlinehandel. Tja, dazu kann ich als Erfinder /Hersteller nur sagen: läuft! Es gibt offene Türen, Entscheidungen werden innerhalb von wenigen Stunden getroffen. Abwicklung und Abrechnung laufen ebenso binnen Kurzem. Alles ist transparent und nachvollziehbar. Zudem kann ich mein Produkt so präsentieren, wie ich es für richtig halte. Lob, Fragen und eventuelle Kritik können vom Kunden geäußert und von mir berücksichtigt werden. Ganz nebenbei ist mein Verdienst größer. Was will ich mehr?

Was ich wollte und vom stationären Handel erwartet habe – Schnelligkeit, Flexibilität, kurze Wege, verlässliches kaufmännisches Gebaren – das finde ich eher auf meinem Monitor als in der realen Welt, auch wenn es ein paar sehr löbliche Ausnahmen gibt.

brand eins 04 /2015 Künstliche Panikmomente

E. K. Offenbach, per E-Mail

Ich als Kunde komme mir verarscht vor, wenn sich alle naslang der Preis ändert. Es kostet meine Zeit und Arbeitskraft, den richtigen Zeitpunkt zum Kaufen zu verfolgen. Beispiel: die undurchsichtige Preispolitik der Deutschen Bahn. Ich musste mehrmals mit einem Ticket zum regulären Preis in einem knallvollen Zug sitzen – wegen eines billigen Sonderkontingents der Bahn. Da ist man not amused, ich fahre jetzt mit dem Auto. Genauso der Tankstellenterror, abends, wenn das Benzin am günstigsten ist. Dann ist Stress an der Tanke oder Rushhour auf dem Weg dorthin. Aus Rache fahre ich besonders benzinsparend, tanke im Notfall immer nur die minimal notwendige Menge oder mache den womöglich noch fast vollen Tank ganz voll, wenn ich zufällig an einer Tankstelle mit Billigangebot vorbeikomme. Macht dann mehr Traffic, heißt Bezahlvorgänge an der Kasse, ätsch!

brand eins 04 /2015 Liebe kann man nicht erzwingen

Klaus Kreutzer, München

Sie schreiben, mehr als jeder dritte Haushalt habe im Jahr 2014 den Stromversorger gewechselt. Da es keine Quellenangabe gibt, vermute ich, dass Sie sich auf Daten des BDEW e. V. (Bundesverband Energie- und Wasserwirtschft) beziehen. Diese stellen aber nicht das Wechselaufkommen pro Jahr dar, sondern zeigen lediglich, wie viele Haushalte den Versorger seit Beginn der Liberalisierung im Jahr 1998 bereits gewechselt haben. Die Angaben sind kumuliert zu verstehen und sagen relativ wenig über das tatsächliche Wechselaufkommen aus. Jährliche Daten zum tatsächlichen Wechselaufkommen veröffentlicht die Bundesnetzagentur. Hier liegen aber erst Daten für das Jahr 2013 vor. Dort werden circa 3,6 Millionen Wechselvorgänge angegeben. Dies entspricht einem Anteil von knapp acht Prozent der in Deutschland bei Haushaltskunden installierten 46 Millionen Stromzähler. Berücksichtigt man noch, dass der Großteil dieser Wechselvorgänge zwischen neuen Anbietern stattfindet, erhält man für die Kundenverluste der Stadtwerke und anderer Grundversorger jährliche Abgänge zwischen zwei und vier Prozent. Die Wechselaffinität ist also auf dem Strommarkt wie auch auf dem Gasmarkt nach wie vor relativ gering.



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