brand eins: Frau Bossmann, warum sind Sie Mentorin geworden?
Juliane Bossmann: Schon als Studentin wollte ich wissen, wie Wirtschaft funktioniert – um dann irgendwo zu arbeiten, wo die Werte stimmen und man etwas Gutes machen kann. Dieses Projekt ist eine tolle Ergänzung zu meinem normalen Job. Ich will Ayham einen Einblick in die deutsche Arbeitswelt verschaffen, nehme ihn mit in meine Abteilung, zu Meetings und wenn möglich auch zu Kundenterminen. Vielleicht ergibt sich aus den Kontakten, die er dadurch bekommt, sogar ein Jobangebot.
Herr Shapiah, was erhoffen Sie sich von dem Mentoring?
Ayham Shapiah: Ich will wissen, wie die Sachen hier laufen, wie der Arbeitsalltag aussieht. Ich will lernen, wie man sich richtig bewirbt, dabei hilft mir Juliane. Und ich will der Bank dabei helfen, gute Angebote für Flüchtlinge zu entwickeln. Bei den Banken, die ich vorher kennengelernt habe, war es schwierig als Zuwanderer.
Was ist Ihr wichtigstes Ziel?
Vor allem meine Frau nach Deutschland zu holen. Sie ist noch in Latakia, weil die Flucht für sie zu gefährlich gewesen wäre. Aber da ich jetzt eine Aufenthaltsgenehmigung habe, kann sie mit dem Flugzeug kommen. Ich wünsche mir, dass es schnell geht. Latakia ist zwar kein direktes Kampfgebiet, aber es schlagen trotzdem immer wieder Raketen ein. Außerdem will ich unbedingt einen Job finden, möglichst einen, bei dem ich nicht am Schreibtisch sitze, sondern draußen bei Kunden bin. Das war ich auch bei der Im- und Exportfirma, für die ich in Latakia gearbeitet habe.
Was konnten Sie bislang tun?
Ich habe Juliane in der Bank begleitet, bin mit bei einem Kunden gewesen, der uns seine Fabrik gezeigt hat. Das war sehr interessant. Vielleicht gibt es dort einen Job für mich, ich habe meine Bewerbungsunterlagen hingeschickt.
Wie verbringen Sie im Moment Ihre Zeit?
Ich gehe zum Deutschunterricht, habe gerade eine wichtige Prüfung abgelegt. Außerdem begleite ich Juliane und bewerbe mich, wann immer sich eine Chance ergibt.
Wo leben Sie?
In einer Flüchtlingsunterkunft.
Gibt es etwas, das Ihnen Sorgen bereitet?
Die Sicherheit meiner Frau. Ich denke jeden Tag an sie. Auch einen Job zu finden ist schwierig. Es ist hier so anders als in Syrien. Das Gleiche gilt für die Wohnungssuche. Ich habe 40 Wohnungen besichtigt, ab dem 1. April habe ich zum Glück eine.
Was gefällt Ihnen in Deutschland am meisten?
Sie akzeptieren Fremde hier, die Leute sind nett und haben mir sehr geholfen. In Italien war das nicht so, dort waren viele Menschen unfreundlich. Deutschland ist das beste Land in Europa. Nur die Bürokratie auf den Ämtern mag ich nicht.