Die neue Amtlichkeit

Arbeitsagenturen können keine neuen Jobs schaffen. Ein verbessertes Management der Stellen-Lücke kann aber mehr geeignete Jobsucher zu den richtigen freien Arbeitsplätzen führen – und damit die Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber leichter machen. Ein Besuch bei der Arbeitsagentur in Halle, einer von drei Modellagenturen des Landes.




Was erwartet ein Besucher von der Arbeitsagentur einer ostdeutschen Stadt, in der fast jeder Vierte ohne Job ist? Verqualmte Flure im trüben Neonlicht, in denen frustrierte Arbeitslose auf Plastikstühlen sitzen, Aschenbecher mit Kippen füllen und darauf harren, dass ein mürrischer Vermittler ihnen sagt, was sie ohnehin längst wissen: dass keine Arbeit in Sicht ist für sie. Nicht heute und nicht morgen.

Tatsächlich gibt es in Halle keine Stuhlreihen mit Wartenden mehr. Hier und da hallen Schritte über die langen Gänge. Am Empfang wird der Gast freundlich begrüßt, nach seinem Anliegen gefragt und gleich an die richtige Stelle im Haus geschickt. Niemand steht gelangweilt herum. Die Arbeitslosen, die sich daran gewöhnen müssen, „Kunden“ genannt zu werden, verschwinden eilends in Gängen, Fahrstühlen und Büros. Alles scheint in Bewegung.

In Zimmer 1305, Neubautrakt, erster Stock, sitzt Arbeitsvermittler Holger Bock und wartet auf Thomas Kaiser*. Dessen Arbeitsleben mit sämtlichen Stationen und Qualifikationen der vergangenen 35 Jahre liegt wie ein aufgeschlagenes Buch vor ihm. Letzter Stand der Dinge: Der 51-jährige Maschinenbauingenieur war arbeitslos, dann einen Monat beschäftigt und ist seit wenigen Tagen wieder arbeitslos. Holger Bock wird gleich mit ihm darüber reden, dass seine Chancen in der Region zurzeit ganz gut sind, dass er sich deshalb bei allen Firmen seiner Branche im Tagespendelbereich, also im Umkreis von 200 Kilometern bewerben muss, dass er sein Glück darüber hinaus auch bei Zeitarbeitsfirmen probieren und, für den Fall, dass alles nichts nutzt, seine Suche in spätestens drei Monaten auch auf das gesamte Bundesgebiet ausdehnen muss. Thomas Kaiser will alles versuchen und verabredet sich mit seinem Vermittler in sechs Wochen zum nächsten Gespräch.

54.000 Menschen ohne Arbeit – 1000 offene Stellen

Im Büro von Holger Bock, hinreichend geschmückt durch einen Ficus Benjamini und Van Goghs „Sternennacht“, hat die große Reform der deutschen Arbeitsverwaltung bereits stattgefunden. Spürbar und sehr konkret. Halle ist eine von drei Modell-Arbeitsagenturen, in denen gut 300 Mitarbeiter schon heute so arbeiten wie demnächst im ganzen Land: freundlicher, schneller, kundennäher, effizienter, erfolgreicher.

Die Region in Ostdeutschland hat es besonders hart getroffen. Die Arbeitslosenquote in Halle und Umgebung liegt bei 22 Prozent; 54.000 Menschen ohne Arbeit stehen 1000 offenen Stellen gegenüber. Die knapp 100 Hallenser Arbeitsvermittler wissen zwar genau wie ihr Chef Frank-Jürgen Weise in Nürnberg, dass sie an diesem Missverhältnis nicht viel ändern werden. Sie und ihre Kollegen können keine Jobs aus dem Boden stampfen. Aber sie tragen dafür Sorge, dass die vorhandenen Stellen schnell und passgenau besetzt werden. Und das können die Vermittler in Halle jetzt professioneller und schneller – zum eigenen Wohl, vor allem aber zum Wohl von Arbeitsuchenden und Arbeitgebern.

Rund anderthalb Jahre ist es jetzt her, seit der Prozess begann, der aus dem örtlichen Arbeitsamt in Halle eine moderne Arbeitsagentur machen sollte. Dort sind Prozesse in Gang gesetzt worden, die offensichtlich unumkehrbar sind, und die mittel- und langfristig zu deutlichen Leistungssteigerungen führen sollen.

Einige Verbesserungen lassen sich schon jetzt in Zahlen ausdrücken. Die durchschnittliche Wartezeit etwa hat sich um mehr als zwei Drittel reduziert. 82,5 Prozent der Kunden sind heute innerhalb von zehn Minuten an der Reihe, weil nicht mehr jeder Arbeitslose kommt, wann und zu wem er will. Nur wer vorher einen Termin vereinbart hat, darf zum Spezialisten, also beispielsweise zu seinem Arbeitsvermittler. Holger Bock hat deshalb jetzt mehr Zeit für „seine“ Arbeitslosen, im Schnitt 45 Minuten für das erste Vermittlungsgespräch. „Früher gab es einfach den Druck der vollen Flure“, sagt Sabine Edner, die Vorsitzende der Geschäftsführung der Hallenser Arbeitsagentur. „Da konnte sich der Vermittler für einen Kunden selten mehr als fünf bis sieben Minuten nehmen.“ Damals wusste Bock, dass noch 15 Leute vor seinem Büro warten. Aber wer das war und was der Einzelne von ihm wollte, erfuhr er erst, wenn er vor ihm saß.

Erstmals eine Chance auf Beratung

Die Termine helfen den Vermittlern, die Regie über ihre Tätigkeit zurückzuerobern. „Vor der Reform war unsere Arbeit weitgehend fremdgesteuert“, sagt Teamleiterin Doreen Siegel, „der Kunde entschied, wann er mit seinem Vermittler sprechen wollte, und nahm dafür zwei Stunden Wartezeit in Kauf. Und der Vermittler hatte keine Chance, sich vorzubereiten.“ Darunter litt die Motivation – und zwangsläufig auch die Qualität der Beratung. Vor allem das wichtige Erstgespräch nach der Arbeitslosmeldung verkam häufig zur reinen Datenaufnahme im Schnelldurchgang, wie beim Arzt, der einen schwer kranken Patienten heilen soll, aber keine Zeit hat für die Anamnese.

Heute bekommt jeder neu gemeldete Arbeitslose binnen zehn Tagen seinen ersten Termin. Vorausgesetzt, er hat zuvor innerhalb von fünf Tagen einen sechsseitigen Fragebogen ausgefüllt und abgegeben, sein „Arbeitspaket“. Fehlt diese Grundlage, verfällt der Anspruch auf ein schnelles Gespräch. Mit ihr hat der Jobsuchende erstmals die Chance auf eine qualifizierte Beratung. Die Arbeitsagentur fragt im Vorfeld alles ab, was der Vermittler wissen muss: Was hat der Kunde bislang gemacht? Wo war er beschäftigt, mit welcher Qualifikation? Wie sieht seine familiäre Situation aus? Ist er mobil? Und hat er sich schon um neue Aufgaben bemüht? Wie oft hat er sich beworben? Wo? Mit welchem Ergebnis? Anhand der Informationen kann sich der Vermittler auf das Erstgespräch vorbereiten. Eine Zeitersparnis, für Dienstleister und Kunden.

Auch eine Entschlackung der Aufgaben des Vermittlers trägt zu mehr Freiraum und besserer Arbeit bei. Einfache Sachbearbeiter-Tätigkeiten übernehmen in Halle die Kollegen in der Eingangszone. Sie übertragen beispielsweise die handschriftlich ausgefüllten Formulare ins Computersystem – der Berater kann sich auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren. „Wenn Sie vor anderthalb Jahren hier bei mir gesessen hätten, wäre unser Gespräch schon mindestens dreimal vom Telefon unterbrochen worden“, sagt Teamleiterin Doreen Siegel. „Es gibt immer einen Kunden, der irgendeine Frage hat.“ Auch für Standard-Auskünfte ist jetzt „die Eingangszone“ zuständig oder das neu geschaffene telefonische Service-Center. Seit es die beiden neuen Bereiche gibt, ist die Agentur besser erreichbar, und weil formale Fragen seitdem schnell beantwortet werden, wuchs die Zufriedenheit der Anrufer.

Das Kunden-Feedback zur neuen Organisation fällt eindeutig positiv aus. 80 Prozent der Arbeitsuchenden sind heute mit ihrer Agentur zufrieden, bei der letzten Befragung waren es 59 Prozent. Agenturleiterin Edner erklärt die positive Wahrnehmung am Beispiel der Abteilung für Leistungsgewährung. Dort sitzen die Spezialisten, die berechnen, welche Unterstützung der einzelne Arbeitslose erhält. „Früher gab der Kunde bei uns einen Antrag ab und musste dann vier bis sechs Wochen auf Auskunft warten. Heute bekommt jeder einen Termin zur Abgabe seines Leistungsantrages. Da kann er dann all seine Fragen klären: Bekomme ich Arbeitslosengeld oder nicht?Wenn ja, wie viel? Und ab wann?“ Aber auch die Agentur profitiert von der Umstrukturierung: Allein in der Leistungsabteilung schätzt man den Effizienzgewinn auf zehn bis 15 Prozent – zudem können Mitarbeiter, die durch die Aufbauorganisation im Bereich der Leistungsgewährung nicht mehr gebraucht werden, innerhalb des Hauses mit anderen Aufgaben betraut werden.

Dass die Agentur-Mitarbeiter im Osten des Landes relativ umbruchserfahren sind, dürfte das Reformtempo in Halle noch beschleunigt haben. Eine Laufbahn- und Behördenkultur wie im Westen, über Jahrzehnte eingeübt, fehlt in den ostdeutschen Agenturen ohnehin. Aber auch sonst sind die Hallenser an Change Management gewöhnt, mit Traditionsdebatten halten sie sich nicht lange auf.

Ein Teil der Mannschaft stammt aus ehemals volkseigenen Industriebetrieben, die längst nicht mehr existieren, andere wurden aus früheren DDR-Behörden rekrutiert. Alle verrichten ihren Dienst seit Jahren unter dauernd neuen Vorzeichen – und offenbar mit ungewöhnlich hohem Engagement. Aus Sicht der McKinsey-Berater, die den Reformprozess der Bundesagentur für Arbeit (BA) seit Monaten vor Ort begleiten, hat die Behörde einen Vorteil: „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Mitarbeiter der BA in besonderem Maße mit ihrer Aufgabe identifizieren“, sagt Timo Meynhardt. Und noch eine Beobachtung sei ihm wichtig. Die Zusammenarbeit im Team, meint der Berater, sei eine echte Stärke der Bundesagentur.

„Herr Meuter*, bitte!“ Holger Bocks nächster Kunde tritt ein. Wieder hat der Vermittler alles Wesentliche vor sich: Bauingenieur, zuletzt als Geschäftsführer tätig, 60 Jahre alt, PC-Kenntnisse nach eigenen Angaben „durchschnittlich“. Als er sich vergangene Woche arbeitslos meldete, bekam er gleich einen Termin. Es sieht so aus, als dränge es Meuter nicht danach, schnell wieder in Arbeit zu kommen. Zum Punkt „berufliche Kenntnisse“ im Fragebogen hat er keine Angaben gemacht. Vielleicht hat er auch nur wenig Hoffnung. Die Baubranche ist am Boden. Er ist zu alt. Was soll Holger Bock da sagen? Meuter wird vermutlich nie mehr finden, wonach fast alle suchen: einen anständig bezahlten Vollzeitjob.

Armin Meuter gehört zu jenen Arbeitslosen über 58, denen aufgrund ihres Alters das im ersten Jahr gezahlte Arbeitslosengeld I ohne weitere Auflagen gewährt wird. Während jeder andere unentwegt nachweisen muss, dass er sich um einen Job bemüht, muss Meuter nur erklären, dass er Paragraf 428 SGB III in Anspruch nehmen möchte – was bedeutet, dass er kein Interesse mehr an einer Beschäftigung hat und stattdessen Arbeitslosengeld unter erleichterten Bedingungen erhält, bis er in die ungeminderte Rente gehen kann. „Wir nehmen ihn dann aus der Vermittlung heraus“, erklärt Holger Bock, „er bezieht bis zum frühest möglichen Rentenbeginn ohne Abzüge Arbeitslosengeld und bekommt von uns keine Stellenangebote mehr.“ Und wenn er das nicht will? „Dann muss er sich weiter bewerben. Oder zum Beispiel über Mini-Jobs seine Arbeitsfähigkeit erhalten, die er aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nie mehr in einem dauerhaften Arbeitsverhältnis unter Beweis stellen kann.“

Dienstleistung nach einheitlichen Standards

Dass die Arbeitsagentur Kandidaten wie Armin Meuter ausgliedert, gehört zur offiziellen Strategie der Nürnberger Zentrale. Die Kunden werden neuerdings nach ihrer Vermittlungswahrscheinlichkeit kategorisiert, einer internen „Produktvergabelogik“ folgend, kann ihnen dann die adäquate Betreuung zuteil werden. Das Ziel: Die Vermittler sollen Zeit und Geld zuerst und vorrangig in jene Kunden investieren, die mit höherer Wahrscheinlichkeit in Arbeit zu bringen sind. Sie packt die helfende Hand der Vermittlung dann so früh wie möglich und mit festem Griff an. Fester, als ihnen manchmal lieb ist. Weigert sich der Arbeitslose beispielsweise, Bewerbungen zu verschicken, zumutbare Jobs anzunehmen oder zu pendeln, kann der Vermittler sein Arbeitslosengeld kürzen. In Halle ist die Zahl der Arbeitslosen, die unmittelbar nach dem ersten Vermittlungsgespräch auf Jobsuche gehen, von 64 auf 85 Prozent gestiegen.

Die einstige „Black-Box-Vermittlung“ entwickelte sich für die Unternehmensberater zum Dreh- und Angelpunkt. „Bisher arbeitete die BA nicht mit bundesweit einheitlichen, klar strukturierten Dienstleistungsstandards“, sagt Timo Meynhardt. „Folglich war das Ergebnis eines Gesprächs mal eine Qualifizierung, mal eine Umschulung, mal eine Vermittlung. Aber man wusste nur wenig darüber, was der Vermittler denkt und nach welchen Kriterien er vorgeht.“ Künftig sollen die Vermittler ihre Dienstleistung in allen 180 Arbeitsagenturen des Landes nach demselben Kriteriengerüst anbieten. Neben eindeutigen Empfehlungen sind darin Ziele bei Vermittlungszahlen, Kosten und Zeitaufwand aufgelistet.

Die Differenzierung der Arbeitslosen berührt zunächst jene Bewerber, die sich ohne weiteres selbst eine Stelle suchen können. Menschen wie Thomas Kaiser. Nach der neuen Klassifizierung gilt er als „Marktkunde“, für den Vermittler der angenehmste Arbeitslose. Seine Aussichten sind gut, er ist mobil, besitzt alle nötigen Qualifikationen, das Alter spielt in seinem Beruf keine allzu große Rolle. Für Marktkunden sucht ein Vermittler nicht intensiv nach Stellen. Sie müssen sich selbst kümmern. Der BA-Mitarbeiter gibt ihnen lediglich Ratschläge und Anweisungen, was sie bis zum nächsten Gespräch zu tun haben.

Agenturleiterin Sabine Edner will, dass der Vermittler möglichst schon beim ersten Gespräch differenziert: Kann ich den Kunden ohne arbeitsmarktpolitische Instrumente wie Weiterbildung oder Umschulung auf dem ersten Arbeitsmarkt unterbringen? Oder gehört er zu den chronischen Problemkunden? Wenn der Vermittler für seinen Kunden kaum eine Chance sieht, im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit eine neue Stelle zu finden – sei es, weil er keinen Führerschein besitzt, nicht mobil ist oder zu alt –, wird er ihm auch keine kostenintensive Qualifizierung empfehlen. In solchen Fällen kann die Arbeitsagentur kurzfristig nicht helfen.

Der gesellschaftliche Wertestreit zwischen dem Gebot der Sozialstaatlichkeit und dem der betriebswirtschaftlichen Effizienz wird nun am Schreibtisch des Vermittlers ausgetragen. Das erfordert von Holger Bock und seinen Kollegen viel Fingerspitzengefühl. Bock kann die Argumente seiner Kunden gut nachvollziehen – den Konflikt lösen kann er nicht: „Die kommen und fragen, ‚wieso habe ich 20 Jahre lang eingezahlt, wenn ich jetzt nicht mal eine Umschulung erwarten kann‘?

Zügige Vermittlung – überschaubare Kosten

Individuell zu beraten, gleichzeitig aber die Möglichkeiten der Unterstützung nach einheitlichen Kriterien abzuwägen, bedeutet eine Gratwanderung und ist nicht die einzige neue Aufgabe, die Holger Bock und seine Kollegen heute bewältigen müssen. Aber es gibt auch neue Werkzeuge als Hilfestellung. Moderne Computerprogramme etwa erleichtern den Agentur-Mitarbeitern das Vorsortieren ihrer Kunden. Ein ampelähnliches Signal verschafft einen schnellen Überblick über die Vermittlungschancen: Gibt es beispielsweise für Herrn Kaiser im Stadtgebiet von Halle keinen passenden Job als Maschinenbauer, steht das Signal auf Rot. Klickt der Vermittler auf „Region“, wechselt das Signal womöglich auf Gelb. Im Umland ist also zumindest hier und da eine Stelle frei. Bei der bundesweiten Suche leuchtet es grün: Gute Chancen für Thomas Kaiser – allerdings nur, wenn er mobil ist.

Zufriedene Kunden, reibungslose Arbeitsabläufe und ein freundliches Lächeln am Empfang sind wichtige, aber letztlich eher Sub-Ziele der größten Behördenreform in der bundesdeutschen Geschichte. Im Kern geht es um wirtschaftliches Arbeiten: Priorität hat die zügige Vermittlung arbeitsloser Menschen in vorhandene Jobs. Genauso wichtig ist aber, was diese Vermittlung kosten darf. Auch darin sieht Sabine Edner „einen klaren Paradigmenwechsel“. Früher sei die Agentur vor Ort allein daran gemessen worden, in welchem Umfang sie die Arbeitslosen aktivierte. „Ob das dazu führte, dass der Mensch dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt integriert wurde, war nicht so wichtig“, sagt Edner. „Jetzt geht es um die Anzahl der Integrationen, die wir mit einem begrenzten Budget erreichen müssen. An beiden Faktoren muss sich eine Agentur künftig messen lassen.“

Alle Vermittlungsergebnisse von Arbeitsagenturen, die in Größe und Kundenstruktur vergleichbar sind, kommen auf den Prüfstand. So wie nun Erfolge sichtbar werden, müssen Teams, deren Arbeitsergebnisse deutlich abfallen, die Ursachen hierfür analysieren und Abweichungen begründen. Die Geschäftsführung der jeweiligen Agentur fasst nach, schon aus eigenem Interesse, denn auch sie muss sich beweisen. Bei dauerhaft schlechter Leistung ist es in der modernen Arbeitsagentur durchaus denkbar, dass auch die Führungsmannschaft gewechselt wird.

Passgenaue Kandidaten – zufriedene Arbeitgeber

Mit der Reform ist auch der zweite wichtige Kundenkreis der Agentur spürbar in den Fokus gerückt: die Arbeitgeber. Anders als beispielsweise in Dänemark, wo die „Arbejdsformidlingen“ – so heißt dort das Arbeitsamt – direkten Zugriff auf etwa 95 Prozent aller freien Stellen im Land hat, gingen die guten Jobs hier zu Lande bislang meist unter der Hand weg oder über den Stellenmarkt der großen Zeitungen. Daran waren die Agenturen nicht ganz unschuldig. „Wir haben die Arbeitgeber manchmal mit Vermittlungsvorschlägen geradezu bombardiert“, sagt Jacqueline Müller, eine der „arbeitgeberorientierten“ Vermittlerinnen in der Hallenser Agentur. „Darunter waren auch etliche, die nicht zum Stellenprofil gepasst haben.“

Jetzt herrscht ein anderes Prinzip. Müller und ihre Kollegen besuchen die örtlichen Arbeitgeber regelmäßig persönlich, die vielversprechenden zuerst. Auch hier wird sortiert, und zwar danach, wie viele Leute die Unternehmen in der Vergangenheit eingestellt haben. Sieht Müller ein Stellenangebot in der Zeitung, das der Agentur nicht gemeldet wurde, ruft sie an: „Besteht Bedarf an unserer Dienstleistung?“ Manchmal trifft sie auf Ablehnung, weil die Arbeitsamts-Offerten früher zu oft nicht zum gesuchten Profil passten. Manchmal bekommt sie einen Termin. Dann nimmt sie die sorgfältig sortierten, in Frage kommenden Bewerberprofile gleich mit.

Dank einer software-gestützten Matching-Strategie konnte die Passgenauigkeit verbessert werden. Die Firmen erhalten jetzt weniger, dafür aber geeignete Vorschläge. In nur noch 41 Prozent der Fälle präsentiert die Agentur mehr als fünf Bewerber. Bei einer früheren Stichprobe waren es noch mehr als 60 Prozent. Die Software vergleicht das Anforderungsprofil des Arbeitgebers mit den Daten aus dem Bewerber-Pool. Selbst die Relevanz gewünschter Qualifikationen wird dabei berücksichtigt. „Wenn einem Firmenchef etwa Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit besonders wichtig sind“, erklärt Vermittlerin Müller, „dann sehe ich das jetzt sofort und weiß, dass ich ihm einen Bewerber, der gern mal zu spät zum Vorstellungstermin erscheint, gar nicht erst schicken muss, ganz egal, wie gut der sonst ist.“

Am Vortag konnte sie ein Top-Stellenangebot akquirieren: Gesucht wird ein Stahlbauer. Dauer-Arbeitsverhältnis, Vollzeit, Leistungsprämie – Dinge, die für die Region alles andere als selbstverständlich sind. Jacqueline Müller klickt am PC auf „Bewerbersuche“. Es erscheint ein passgenauer Kandidat aus dem Kundenpool: Max Juris* aus Halle, arbeitslos gemeldet seit 13.12.2004. Den geforderten Schweißerpass hat er, ebenso alle anderen Qualifikationen. Auch ein Pkw ist vorhanden, das ist nicht unwichtig, von Halle bis zur Arbeitsstelle nach Gutenberg sind es 20 Kilometer. „Da muss ich erst mal gar nicht weitersuchen“, sagt Müller. Sie wird Herrn Juris gleich anrufen.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.