Komplizierte Familienverhältnisse

Es fing ganz normal an, mit einer Elektromotorenfirma in Berlin, vor fast 100 Jahren. Irgendwann baut der Gründer Ventilatoren, zieht um nach Süddeutschland, das Unternehmen wächst. Mitarbeiter, Töchter, Söhne und Schwiegersöhne kommen und gehen, arbeiten mit oder ziehen ein paar Straßen weiter und gründen neu. Aus der Firma ist ein kompliziertes Unternehmensnetz geworden – und aus der Hohenlohe das Welthauptquartier der Ventilatoren-Industrie.




Idyllisch, diese Landschaft. Kitschig schön, hollywoodesk, so als hätte ein Ausstatter das Klischee Süddeutschland für die Leinwand auf den Punkt gebracht. Saftig grün, hohe Bäume, sanfte Hügel, ab und zu fast ein Berg, von Bächen mit klarem Wasser durchzogen. Eine Optik, wie man sie nur noch aus Fremdenverkehrsbroschüren kennt. Oder eben Filmen. Schön hier. Gar nichts, aber wirklich gar nichts sorgt in Künzelsau oder Kü-Au, wie Einheimische die Stadt in der Tiefe der Hohenlohe mitten in Baden-Württemberg nennen, für die Assoziation Mafia.

Doch Mafia ist das Wort, das bei den Gesprächen in den nächsten Tagen immer wieder fallen wird. Ein merkwürdiges Synonym für die ausgesprochen positive Art der Zusammenarbeit, die alle damit meinen, aber eines, das sich, wie es scheint, offenbar kaum vermeiden lässt. Martin Ganzera, der bei der Firma Rosenberg Marketing macht, sitzt noch nicht richtig auf dem Stuhl und sagt schon: „Das wird also eine Geschichte über die Ventilatoren-Mafia.“ Genauso Peter Koppenhöfer von Ziehl-Abegg: „Aha, es geht um die Hohenloher Ventilatoren-Mafia.“

Also, eigentlich sollte es eine Geschichte über die Industrie in der Hohenlohe werden. Aber auch beim alten Wilhelm Gebhardt, dem Mann, mit dem, das kann man wohl so sagen, die Ventilatoren-Geschichte eigentlich anfing, fällt nach wenigen Sätzen der erwähnte Begriff. Das Wort lässt sich offenbar kaum vermeiden, jeder in der Gegend benutzt es. Gut, damit dürfte klar sein: Die deutsche Ventilatoren-Industrie ballt sich in der Hohenlohe, Baden-Württemberg, oberhalb der Autobahn Heilbronn-Nürnberg, der nächste Anschluss ist Kupferzell. Die Branche ist eng verzahnt. Man kennt sich. Leute, Landschaft und Firmengebäude passen zusammen.

Termin mit Wolfgang Tscherwitschke von Gebhardt Ventilatoren: Das Unternehmen liegt am Rande eines Industriegebiets, ist viereckig, praktisch, funktional, schnörkellos, hat viele Betonflächen und keinen Hauch von Glamour. Den hat keine der Ventilatoren-Firmen, es sind alles klassische mittelständische Unternehmen, Paradebeispiele für Bescheidenheit. Auch die Menschen, fast nur Einheimische, sind keine Showtypen. Sondern Schaffer in Schafferbetrieben, ein bisschen muffelig, ohne es böse zu meinen, leicht hinterwäldlerisch, hohenlohisch. Die Frau am Empfang von Gebhardt beispielsweise, grüßt auf Hochdeutsch und schaut freundlich dabei, nimmt den Telefonhörer ab, wählt und sagt eher brummig: „Du, do isch wer voor der Tsche.“

Wolfgang Tscherwitschke kommt und erzählt die Firmengeschichte. Gebhardt gehört längst einer amerikanischen Firma, der Masco Corporation. Aber sie gehört hierher. Wie Tscherwitschke, „ein hundertprozentiger Gebhardt-Mann, Wechseln wäre nie in Frage gekommen“. Er ergänzt den Clan-Aspekt noch um solche Sätze: „Hier ist schon ein bisschen Dallas.“ Oder: „Wer von außen kommt, hat Probleme, das alles zu verstehen.“ Früher gab es Beteiligungen, man kennt sich, man ist teilweise verwandt, man hilft sich, man konkurriert, man wechselt von einer Firma zur anderen, man lagert aus, man gründet neu. Die ganze Palette wird innerhalb von knapp 30 Kilometer Umkreis geboten.

Bei dem Wort Ventilatoren-Industrie schwingt Stolz mit. Da kommt das Hohenlohische durch. Dieses „Man nimmt uns nicht ernst, aber wir sind wer“, dieses „Bis vor ein paar Jahrzehnten war hier Landwirtschaft und Armut, schauen Sie sich um, was hier entstanden ist“. Einer der wohlhabendsten Landstriche in Deutschland, zumindest gewerbesteuertechnisch, mit bausparstarker Bevölkerung. Mustang-Jeans, die Würth-Gruppe, R. Stahl AG und eben die Ventilatoren-Firmen sorgen dafür. Baden-württembergischer als die Hohenlohe, das geht nicht mehr.

Es gibt noch ein bisschen was an Ventilatoren-Produktion in der Gegend von Villingen-Schwenningen, auch Baden-Württemberg. Dort ist vor allem Pabst Motoren vertreten, eine Tochter der EBM aus der Hohenlohe. Es gibt noch Witt & Sohn, eine Firma in Pinneberg, die große Ventilatoren, eigentlich schon Turbinen, produziert, die in Tunneln als Brandschutz verwendet werden, um Rauchgase raus- und frische Luft reinzubringen. Eine Nische also. Alles andere in Sachen Ventilatoren spielt sich in der Hohenlohe ab.

Die Gesprächspartner: Wilhelm Gebhardt, Kai Halter, Wolfgang Tscherwitschke, Peter Koppenhöfer, Martin Ganzera, sie alle haben was Hohenlohisches. Halter von EBM vielleicht nicht so arg, er ist Badener, redet schneller, ist sogar ein bisschen auf Unterhaltung aus. Nicht ganz so zweckgebunden wie die anderen. Aber wie sie alle gerät er ins Schwärmen, wenn er die Technik schildert, stürzt sich auf Details und erschrickt ein wenig, wenn man ihm sagt: Entschuldigung, aber ein Laie wird das nie verstehen.

Jetzt mal grundsätzlich, Ventilatoren sind wichtig, richtig wichtig. „Eine unendliche Bandbreite von Anwendungen“ gebe es, sagt er. Wenn man mit ihm gesprochen hat, geht man mit einem anderen Blick durch die Welt, überall ahnt man Ventilatoren. Sie sind in Klimaanlagen, Umluftherden, Be- und Entlüftungen, in Küchen, Bädern, Ställen. Auch in Autos und Kühlwagen werden Ventilatoren gebraucht und im Mobilfunkgeschäft.

Doch, die Mobilfunkbetreiber brauchen Ventilatoren: Lucent Technologies, Motorola, Eriksson, Nokia sind Großabnehmer, die gesamte mobile Telekombranche. Die Liste ist endlos: Dunstabzugshauben, Reinräume, die manchmal 8000 Ventilatoren brauchen, Getränkeautomaten, Kühltheken in Supermärkten, Heizkessel. Überall, wo Hitze entsteht, werden die Dinger gebraucht und wo Kälte entsteht auch. Also überall. Und noch woanders, sagt Wolfgang Tscherwitschke: „Prozessluftventilatoren im Anlagenbau, die sind größer, schwerer. Anderes, beständiges Material, Edelstahl zum Beispiel, gegen chemische Medien resistent. Das sind dann Transportventilatoren, die können heiße Gase, Chemie umwälzen, Flüssigkeiten.“ Auch er sagt: Die Anwendungsmöglichkeiten sind fast unendlich.

Die Hohenlohe ist Zentrum, hier sitzen die Weltmarktführer, in einigen Bereichen mit mehr als 80 Prozent Marktanteil, mit hunderten von Tochterfirmen in so gut wie jedem Land der Welt. Seitenweise werden die Ableger in den Firmenbroschüren aufgelistet, die Produktionsstätten in China, Ungarn, Singapur, Amerika. Alles, darauf legen sie Wert, wird strikt geleitet von Kü-au aus. Dort sitzt Ziehl-Abegg. Oder von Gaisbach nebenan, einem Kü-auer Stadtteil, da ist Rosenberg. Von Gebhardt in Waldenburg und von EBM, vom putzigen Mulfingen im Jagsttal aus. Diese vier, EBM, Ziehl-Abegg, Gebhardt und Rosenberg, sind die Großen und drum herum wimmeln kleine Zulieferer und Neustarter.

Die Rosenberg GmbH wurde 1981 von Karl Rosenberg, Ex-Vertriebsleiter von Ziehl-Abegg, in Künzelsau-Gaisbach gegründet.
Die Firma ist die kleinste der vier großen und hat neben dem Hauptwerk noch sieben weitere in Frankreich, Italien, Ungarn, Tschechien und Deutschland.
Insgesamt 800 Mitarbeiter, davon 230 in Gaisbach, produzieren 120.000 Ventilatoren pro Jahr und erwirtschaften einen Jahresumsatz von knapp 40 Millionen Euro.
Aus dem Unternehmen gingen in den neunziger Jahren die Firmen Systemair und GLT hervor. www.rosenberg-gmbh.com

Wie alles begann, vor mehr als 90 Jahren

Es gibt einen Ursprung, sagt Tscherwitschke, das ist Ziehl-Abegg in Kü-au. Aber der Ursprung des Ursprungs, der ist in Berlin. 1910. Berlin-Weißensee. Emil Ziehl gründet mit einem Schweden namens Abegg, der zwei Monate später schon weg war, sein Name blieb seltsamerweise, eine Elektromotorenfirma. Bald baut er Motoren für Zeppeline und für die kaiserliche Marine.

Jetzt kommt der technische Aspekt: Er setzte auf Außenläufermotoren. Das sind Elektromotoren, deren Stator, also die gewickelten Kupferdrähte, innen sind, der Rotor deshalb außen, das bedeutet, die äußere Hülle des Motors dreht sich. Perfekt für Aufzüge zum Beispiel oder, später, für Ventilatoren. Der Ventilator in Rick’s Café Américain, aus dem Film Casablanca, hat noch einen Innenläufer. Was bedeutet: Die Flügel sind an der Nabe in der Mitte befestigt. Das geht, kostet aber Platz. Ventilatoren mit Innenläufer haben einen Riemenantrieb, Außenläufer nicht. Also sind die so gut wie wartungsfrei, kleiner, besser.

Ziehl-Abegg und seine Außenläufermotoren, das war eine Erfolgsgeschichte bis zum Zweiten Weltkrieg. Danach war nichts mehr. Wegen der Bombardements. Die Söhne von Emil Ziehl, Heinz und Günther, versuchten es kurz in Füssen, Bayern, reparierten dort Elektromotoren. Bald aber landeten sie in der Hohenlohe. Die Aufzugsfirma Stahl hatte gerufen, weil sie einen Lieferanten für Außenläufermotoren brauchte. Früher hatte sie die von Papa Ziehl bekommen, bald von dessen Söhnen. Außenläufer, nichts anderes mehr für lange Zeit.

Günther Ziehl wird von den Fachleuten nicht so oft erwähnt wie sein Bruder Heinz. Das ist der Mann, dessen Namen jedem einfällt, der an Außenläufermotoren denkt. Was die aber wirklich bedeuten, wirtschaftlich betrachtet, erkannte als Erster Wilhelm Gebhardt, der Konstruktionsleiter von Ziehl-Abegg. Er drängte Heinz Ziehl, Dachventilatoren herzustellen, die großen Dinger oben auf den Gebäuden. Aber Ziehl setzte auf Großkunden wie den Aufzugshersteller Stahl und schickte Gebhardt weg.

Mit Ziehl-Geld, etwas von seinem eigenen und mit seinem Bruder Friedrich gründete er 1958 am Rande von Mulfingen in einer übrig gebliebenen Reichsarbeitsdienst-Baracke sein Geschäft, Gebhardt Ventilatoren. Ein guter Deal für alle. Gebhardt kaufte die Motoren bei Ziehl-Abegg und verarbeitete sie zu Ventilatoren. Die Firma, „die hab’ ich allein aufgemacht, das war ein Ein-Mann-Betrieb“, so Gebhardt heute stolz, wuchs sehr schnell. Seine Idee, den Riemenantrieb bei Ventilatoren zu sparen, war revolutionär. Der Erfolg sorgte dafür, dass die Mutter, der Geldgeber, auch mit Ventilatoren anfing. Die sich Ergänzenden waren immer Partner, wurden aber doch irgendwie auch Konkurrenten. Heinz Ziehl hatte am Anfang gesagt: Wir sind die Motorspezialisten, die Anwendung macht Gebhardt. Das galt irgendwann nicht mehr. Es gibt noch so einen Ziehl-Satz, den er wohl sagte, als er den Gebhardt-Erfolg kapiert hatte und Ziehl-Abegg schon eigene Ventilatoren herstellte: „Wir machen 300 Millimeter und größer, den Rest soll wer anders machen.“

Gebhardt und Ziehl-Abegg machten vor allem Dachventilatoren, große, denn damit konnte man damals mehr verdienen. Also sagte Heinz Ziehl zu seinem Arbeitsvorbereitungsleiter Gerhard Sturm, er solle eine eigene Firma gründen und die kleinen Dinger herstellen. Sturm wollte nicht so richtig, heißt es heute. Aber sein alter Chef habe ihn zu seinem Glück gezwungen: EBM entstand 1963. Mit Geld und Leuten von Ziehl-Abegg. Sturm nahm 35 Mann mit, ging nach Mulfingen und bekam vom zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg die Auflage, nie mehr als 85 Leute zu beschäftigen, damit die Landwirtschaft im Jagsttal nicht leide. Heute hat EBM dort allein 2000 Mitarbeiter. Insgesamt 8000 weltweit. Kai Halter von EBM sagt: „Ohne uns wäre hier Entwicklungsland.“ EBM, Elektrobau Mulfingen, inzwischen der Größte von allen, größer als Ziehl-Abegg, stellt täglich zwischen 40.000 und 50.000 Ventilatoren her, bis zu 13 Millionen im Jahr. In 2001 hat die Firma 500 neue Leute eingestellt, neue Leute stellt sie übrigens jedes Jahr ein. Weil sie wächst, vergangenes Jahr um 30 Prozent. Sie hat, mit der großen Tochterfirma Papst Motoren, 14 Werke und wächst und investiert und wächst und investiert, im Jahr 2000 allein 24 Millionen Euro in die Forschung.

Wirtschaftskrisen hat die Branche nie wirklich gespürt. Na ja, in den Siebzigern, die Ölkrise kam mächtig, verkaufte Gebhardt seine Firma an Masco Corporation. Und zurzeit läuft es im Telekommunikationsmarkt auch nicht so gut. Jede Basisstation eines Mobilnetzbetreibers, das sind die hässlichen Dinger auf Dächern, die aus optischen Gründen in der jeweiligen Nachbarschaft unbeliebt sind, aber nun mal gebraucht werden, benötigt eine Menge Ventilatoren. UMTS-Stationen wieder neue. Eine Zeit lang kamen deshalb die Bestellungen dicke. Bei EBM waren es noch im Februar 200.000 Aufträge aus der Telekommunikationsbranche. Im März nur noch 11.000. Das ist natürlich eine Krise, aber keine der Ventilatoren-Industrie, sondern eine der Telekommunikation.

Die Ziehl-Abegg GmbH & Co. KG in Künzelsau bildet die Urzelle der Ventilatoren-Industrie in der Hohenlohe und befindet sich bis heute in Familienbesitz. Sie beschäftigt 1400 Mitarbeiter, die im vergangenen Jahr rund 160 Millionen Euro erwirtschafteten. Zu Ziehl-Abegg gehören die Tochterfirmen: FMV Lamel in Villieu, Frankreich und die Süd-Electric AG in Kirchseeon bei München. Aus dem Unternehmen gingen die Ventilatoren-Firmen Gebhardt, EBM und Rosenberg hervor, heute alle Konkurrenten und alle in der Hohenlohe angesiedelt. www.ziehl-abegg.de

Der Markt ist riesig: Ventis braucht jeder

Ventis gehen überall. Zum Beispiel hat die S-Klasse von DaimlerChrysler in den Sitzen einige davon. Bis zu 20 pro Sitz, wenn es ein Luxus-Ledersitz ist. Da hatte Gerhard Sturm von EBM lange geblockt. Er wollte nicht zum Automobilzulieferer werden, „weil wir uns nicht Preise und Margen vorschreiben lassen wollten“. Zulieferer gelten in der Branche als Knechte und Sparpotenzial. Ventilatoren kosten heute zwischen zehn und 400 Euro, „da kann man gut dran verdienen“, sagt Kai Halter. Wie gesagt, jetzt sind EBM-Ventis in Luxusautos, gerade wurde ein Vertrag mit Audi abgeschlossen. „Und die Telekommunikation, die zieht sicher wieder an“, sagt Halter. Ohne Ventis kann sie gar nichts.

EBM ist nicht mehr mit Ziehl-Abegg verbandelt, es gebe keine finanziellen Beteiligungen mehr. Dafür persönliche; wobei, hier muss man wohl erklären: Zwei Töchter von Ziehl-Sohn Heinz, Jutta und Margit, sind heute Teilhaberinnen von EBM; Juttas Ehemann, Thomas Philippiak, ist dort Geschäftsführer; Helga, ebenfalls eine Tochter von Heinz Ziehl, ist verheiratet mit John Sorensen, dem Vorstandsvorsitzenden von Ziehl-Abegg; und dann ist da noch Uwe Ziehl, Sohn von Günther, dem Bruder von Heinz, der sitzt im Aufsichtsrat von Ziehl-Abegg.

Es gibt massenhaft gemeinsame Tochterfirmen, die den Vertrieb machen. Wenn die Firma Ziehl-EBM heißt, hat Ziehl-Abegg die Mehrheit, wenn sie EBM-Ziehl heißt, EBM. Bei Messen sind sie an gemeinsamen Ständen. Wobei sie alle miteinander auch Gebhardt Ventilatoren vertreiben. Und manchmal sogar welche von Rosenberg. Rosenberg wiederum kauft Gebhardt-Ventilatoren, bietet auch welche von EBM an. Und alle verkaufen sich munter Motoren hin und her. Martin Ganzera von Rosenberg erklärt das so: Die Hauptkunden sind Firmen, die, sagen wir mal, den Flughafen in Dschiddah oder so bauen, die wollen alles, was an Ventis gebraucht wird, aus einer Hand. Also decken alle alles ab. Mit Hilfe der anderen.

Karl Rosenberg war Vertriebsleiter von Ziehl-Abegg und machte sich 1980 selbständig. Seine Firma ist die kleinste der großen vier, gilt aber als die aggressivste. Einige sagen: „Der Rosenberg, der hält sich nicht an die Regeln.“ Andere: „Das ist wirklich ein Verkäufer, guter Mann.“ Von Rosenberg gab es noch ein paar Spin-Offs, Systemair und Grohmann Lüftungstechnik (GLT) beispielsweise. Von EBM spaltete sich Ruck Ventilatoren ab. Eine Firma aus Ludwigsburg, DLK Ventilatoren, die Großventilatoren für Tunnellüftungen macht, ist Ende der achtziger Jahre in die Gegend gezogen, nach Schöntal-Berlichingen. Berlichingen? Genau, Götz von Berlichingen. Nur mal so nebenbei. Aber DLK baut keine Außenläuferventilatoren, sondern Innenläuferventilatoren. Solche stellen auch die anderen inzwischen her. Es gibt noch viele kleine Betriebe: EBM, der Riese, hat dafür gesorgt, dass ehemalige Mitarbeiter Zulieferbetriebe gegründet haben, teilweise steckt in denen EBM-Geld. „Wir kaufen für 40 Millionen Euro jährlich hier in der Gegend Teile ein“, sagt Kai Halter. Dort kaufen die anderen natürlich auch, „das ist in Ordnung, wir haben allen gesagt, sie sollen versuchen, nicht auf einem Bein zu stehen“.

Die alte Ziehl-Abegg-Aufteilung: „Gebhardt macht die Ventilatoren, wir den Rest“, gilt inzwischen genauso wenig wie „axial passiert hinten in der Hohenlohe, radial ist eher eine Gebhardt-Sache, vorne an der Autobahn“. Axial heißt: Die Luft wird in den Ventilator gezogen und in einer Linie hinten wieder rausgeschleudert. Radial heißt: Die Luft wird in den Ventilator gezogen und geht von diesem in einem Winkel weg. Es ging aber nie ganz ohne Riemenantrieb. Die Außenläufermotoren kommen auf bis zu 3000 Umdrehungen in der Minute, wenn es mehr sein muss, braucht man immer noch Innenläufer und Riemen.

Heute, wie gesagt, machen alle alles. „Was daran liegt, dass heute jeder wachsen will, also wurde man zwangsläufig zum Wettbewerber“, sagt Wolfgang Tscherwitschke bei der Führung durch den Betrieb. Da ist noch die Baracke, in der Gebhardt anfing. Da sind Labors, in denen Ingenieure Ventis testen und dafür sorgen, dass die kaum noch Krach machen. Wie allen Ventilatoren-Machern ist Tscherwitschke die Technik wichtig. Axial, radial, er erklärt so etwas genau. Genauso: doppelseitig ansaugende und einseitig ansaugende, ds und as, er liefert Beispiele, deutet auf Skizzen, nennt Zahlen und wirkt begeistert. Gegen Ende, im Labor, wo die Lautstärke gemessen wird, sagt er zusammenfassend: „Die Ventilatoren-Branche ist eine endlose Geschichte, das geht ins Tausendste, so viele Details, sowohl in der Technik als auch in der Geschichte.“ Dallas sei nichts dagegen, klar nur: „Gebhardt hat die Branche geprägt, allein. Ziehl-Abegg war der Ursprung, aber die Idee kam von Wilhelm Gebhardt.“

Deshalb nun also zu Ziehl-Abegg, dem Ursprung. Hier ist es wie bei den anderen, die Gebäude wirken nicht protzig, nur praktisch. Direkt neben dem Haupteingang ist eine Laderampe. Peter Koppenhöfer erzählt noch mal die Ventilatoren-Geschichte der Hohenlohe, also die Deutschlands, die Verzweigungen, die Verbindungen, irgendwann gibt er auf und sagt: „Es ist unheimlich schwierig zu sagen, wer seit wann genau was macht. Heute geht es nur noch um Wachstum. Früher waren die Firmen enger beieinander wegen der Besitzer. Aber die Bindungen haben sich gelöst, jeder ist bemüht, eigene Motoren zu machen. Die persönlichen Verbindungen der Gründerzeit gibt es nicht mehr.“

Radial-Ventilatoren seien gerade der Wachstumsmarkt. Die Marktanteile sind nicht so leicht zuzuordnen: „Ziehl-Abegg und EBM zusammen haben in Europa in der Kältetechnik etwa 80 Prozent. Oder fast 90.“ Der Branche gehe es gut. Es gebe natürlich Konkurrenten. In Italien und Spanien, aber „nichts Wesentliches“. Und in Asien. Da sind ein paar Japaner, die fast so viel herstellen wie Ziehl-Abegg oder EBM. In China wird fleißig kopiert, da entstehen Hohenloher Ventis eins zu eins. 

Das hat Kai Halter von EBM auch erzählt: „In China kopieren sie uns bis aufs Logo. Die Geometrie unserer Produkte ist leicht zu kopieren, aber es gibt Wichtiges, das nicht so leicht nachgemacht werden kann: Wie viel Kupfer wickle ich um den Stator? Die Wickelmaschinen sind alles Eigenprodukte, Heiligtümer.“

Er gerät, wie alle anderen auch, ins technische Schwärmen: Jetzt gibt es etwas Neues, EC-Motoren, die mit Gleichstrom arbeiten. Sie haben einen deutlich höheren Leistungsgrad als die bisherigen Wechselstrom-Motoren. Die laufen heiß, verlieren sinnlos Energie, ein Gleichstrom-Motor ist kalt. „Gut, Gleichstrom-Motoren sind teurer, etwa zehn Euro mehr pro Ventilator. In einer Kühltheke macht das 16-mal zehn Euro. Aber nach einem Jahr hat sich das amortisiert durch die Stromersparnis. Das muss man jetzt nur den Supermarkt-Betreibern klar machen.“ Und schon hat man den nächsten Wachstumsmarkt. Wachstum? Ja klar, wie jedes Jahr. Halter deutet auf die Tabellen: mehr Leute, mehr Umsatz, mehr Gewinn. Auch die anderen wachsen: Ziehl-Abegg baut gerade ein neues Werk, hat Koppenhöfer gesagt, „in Waldenburg, quasi direkt neben Gebhardt“.

Die EBM (Elektrobau Mulfingen) GmbH & Co. KG wurde 1963 von Gerhard Sturm und seinem ehemalgen Arbeitgeber Emil Ziehl gegründet – heute ist sie der größte Ventilatoren-Hersteller in der Region und Weltmarktführer im Bereich Klein- und Kleinstmotoren. EBM gilt als „Hidden Champion“ der Branche, hat 1992 den Hersteller Pabst Motoren in St. Georgen und 1997 die Firma MVL in Landshut übernommen. Der EBM-Konzern hat drei Werke in Ungarn, weitere in den USA, in Indien und in China. Pro Jahr stellen rund 8000 Mitarbeiter knapp 13 Millionen Ventilatoren her und erwirtschaften einen Umsatz von über 800 Millionen Euro. www.ebm-werke.de

Jeder kennt jeden: Nichts bleibt geheim

Der letzte Tag in der Hohenlohe. Bei Rosenberg in Gaisbach. „Warten Sie bitte unten“, sagt die Frau am Empfang im ersten Stock. Unten ist ein breiter Flur, ein großer Tisch, da wird gerade verhandelt, Tschechen und Deutsche reden über technische Details und Preise, ein Dolmetscher übersetzt, ständig geht eine Tür auf und Männer in Blaumännern kommen, eilen zum Getränkeautomat und wieder zurück in die Werkshalle. Martin Ganzera kommt, setzt sich und sagt: „Oh ja, das ist ein Wettbewerb. Und was für einer. Die Besitzer und Geschäftsführer, das sind sicher keine guten Freunde, dicke Freunde jedenfalls werden die nicht sein. Obwohl ja fast jeder von jedem kauft.“ Und alle denselben Ursprung haben. Und Bezug zueinander: „Es ist hier in der Gegend nun mal so, dass jeder einen Verwandten hat, der bei einem der anderen arbeitet. Und die Leute reden daheim natürlich über die Firma. Hier bleibt nichts lange geheim.“ Baut Rosenberg eigentlich auch EC-Motoren? Na klar. Alle vier machen das inzwischen. Vor allen anderen in der Welt. Man kennt sich.

Die Firma Gebhardt Ventilatoren, Waldenburg, wurde 1958 von Wilhelm Gebhardt, bis dahin Konstruktionsleiter bei Ziehl-Abegg, mit finanzieller Unterstützung seines ehemaligen Arbeitgebers, Emil Ziehl, gegründet. Gebhard war der Erste, der Außenläufermotoren für Ventilatoren nutzte. Nach rapidem Wachstum verkaufte er die Firma 1974 an den amerikanischen Masco-Konzern, eine Holding, zu der weltweit etwa 100 Firmen gehören, die im Bereich Küche, Bad und Haushaltsgeräte aktiv sind. Zum Konzern gehören beispielsweise Alma Küchen, der größte Küchenhersteller Deutschlands, die Duschen- und Duschkabinenhersteller Hüppe und Horst Breuer, die Firma Jung Pumpen und der Rollladenhersteller SKS. Gebhardt hat ein Zweigwerk in Netschkau, im Vogtland, beschäftigt rund 330 Mitarbeiter und macht rund 50 Millionen Euro Jahresumsatz. www.gebhardt.de

Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.


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