Labor der Hoffnung

Werden mit Stammzellen irgendwann tödliche Krankheiten heilbar sein? Patienten und Ärzte träumen davon seit rund 30 Jahren, britische Forscher sind auf dem weiten Weg jetzt zumindest einen kleinen Schritt weitergekommen. Zu Besuch in Moorfields, einer der führenden Augenkliniken der Welt.




Marcus Hilton hat gelernt, mit seiner Behinderung umzugehen. Auf den ersten Blick ist dem 34-jährigen Betreiber zweier Gaststätten im nordenglischen Wakefield kaum anzumerken, dass er an einer schweren Erkrankung leidet. Erst wenn sich Hilton tief über die Registrierkasse beugt, um die korrekte Bestellung einzugeben, wird sein Problem offensichtlich: Dem Gastronom fehlt in beiden Augen die Schärfe im zentralen Sehfeld. Er leidet an Morbus Stargardt, einer seltenen erblichen Degeneration der Netzhaut. „Das war von klein auf so“, berichtet Hilton. „In der Schule konnte ich die Tafel nicht richtig erkennen, heute kann ich weder Auto fahren noch Zeitung lesen.“

Morbus Stargardt, benannt nach einem deutschen Mediziner, gilt – allen medizinischen Fortschritten zum Trotz – bis heute als unheilbar und ist damit eine Diagnose, die Patienten und Ärzte gleichermaßen trifft. „Wenn ich Stargardt-Patienten vor mir habe“, sagt Professor James Bainbridge, „sinkt meine Stimmung: Es ist so schwer, ihnen Hoffnung zu machen.“

Bainbridge arbeitet an der besten Augenklinik Großbritanniens, vielleicht sogar Europas. Das Londoner Moorfields Eye Hospital macht seit mehr als zwei Jahrhunderten mit bahnbrechenden neuen Behandlungen vielen Blinden und Augenleidenden weltweit Mut. Und das jüngste Aufeinandertreffen von Hilton und Bainbridge könnte vielleicht schon bald ein weiteres Kapitel in der an Triumphen reichen Geschichte dieser Institution aufschlagen.

Marcus Hilton war im Januar dieses Jahres der erste europäische Teilnehmer eines klinischen Versuchs mit embryonalen Stammzellen, von dem sich Ärzte und Wissenschaftler Großes erhoffen. Während einer etwa anderthalbstündigen Operation unter Vollnarkose spritzte ihm Professor Bainbridge rund 50 000 Stammzellen tief ins rechte Auge, wo sie die beschädigte Netzhaut reparieren sollen. Die teure Zelllösung stammt aus dem Labor der amerikanischen Biotech-Firma Advanced Cell Technology (ACT). Es handle sich um „einen Meilenstein“, schwärmt Firmenchef Gary Rabin, „für die Wissenschaft, für Befürworter der Stammzell-Therapie, für die Patienten und für ACT.“

Erste Ergebnisse eines parallel in den USA laufenden Feldversuchs geben tatsächlich Anlass zur Hoffnung. ACT zufolge waren zwei Patientinnen auch vier Monate nach der Stammzell-Spritze noch immer frei von Nebenwirkungen; weder kam es zur Abstoßung der fremden Zellen durch das körpereigene Immunsystem, noch bildeten sich Tumoren, wozu embryonale Stammzellen theoretisch in der Lage sind.

Schon im Jahr 1805 wurden in Moorfields 600 Patienten behandelt. Dank moderner Technik zählt die Klinik heute rund eine halbe Million Patientenkontakte pro Jahr.

Liberale Gesetzgebung

Beides sind extrem gute Nachrichten. Denn ganz unabhängig von ethischen Fragen und dem erhofften therapeutischen Nutzen einer Stammzell-Therapie, stellen ihre möglichen Risiken und negativen Nebenwirkungen für die Forscher weltweit derzeit das größte Problem dar. Sowohl bei der Versuchsreihe in den Vereinigten Staaten als auch bei der klinischen Anwendung in Moorfields geht es deshalb zunächst nur um die Sicherheit. Über einen Zeitraum von 18 Monaten werden auf beiden Seiten des Atlantiks je zwölf Freiwillige behandelt und beobachtet. Eine Verbesserung der Sehfähigkeit gilt einstweilen als Bonus – tatsächlich machten die beiden Amerikanerinnen Fortschritte, die allerdings schwer messbar blieben.

Die Erwartungen an den Feldversuch sind dennoch enorm. Potenziell geht es nicht nur um Hilfe für Millionen von Augenkranken weltweit. Die Test-Behandlung bedeutet vielleicht auch den lang vorhergesagten Durchbruch der ersten Stammzell-Therapie – und würde damit Medizin und Wissenschaft ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

Wenn im Auge die „Reparatur“ eines Organs gelingt, ohne dass sich unerwünschte Nebenwirkungen einstellen, könnte das über kurz oder lang auch für Herz, Leber und alle anderen Vitalorgane gelten. Am Horizont stünde dann vielleicht sogar der Sieg über Krebs, Parkinson, multiple Sklerose und viele andere tödliche Krankheiten. „Wir sind sehr aufgeregt“, sagt James Bainbridge folglich, was man ihm kaum glauben mag. Der Augenarzt wirkt im Gespräch wie die Inkarnation des sprichwörtlich vollkommen unerschütterlichen Engländers.

Sein Pragmatismus mag mit ein Grund für die Auswahl des Klinikums gewesen sein. Dass sich die US-Biotechfirma ACT für den ersten europäischen Stammzell-Versuch an Moorfields und Bainbridge wandten, liegt vor allem aber an deren Betätigungsfeld. Das Auge eignet sich wegen seiner Abgeschlossenheit und vergleichsweise geringen Durchblutung besser als viele andere Organe für eng umgrenzte Stammzell-Versuche. Körperfremde Zellen werden dort nicht sofort vom Immunsystem angegriffen wie anderswo im Körper.

Daneben schätzen die Amerikaner aber auch die vergleichsweise liberale Gesetzgebung auf der Insel. Während beispielsweise in Deutschland nur mit importierten embryonalen Stammzellen unter strengen Bedingungen geforscht werden darf, erlauben die Briten den Wissenschaftlern mittlerweile nicht nur die Herstellung, sondern auch das Klonen der umstrittenen Alleskönner. Dem jüngsten Gesetz von 2008 zufolge dürfen in Großbritannien Embryonen aus menschlichen, aber auch aus menschlichen und tierischen Zellen, sogenannte Chimären, hergestellt werden. Für die Forschung mit diesen zytoplasmischen Hybriden wird den Eizellen von Kühen im Labor ihre eigene genetische Information weitgehend (99,9 Prozent) entnommen, um sie dann mit menschlicher DNA zu verschmelzen. Ebenso erlaubt, allerdings noch nicht umgesetzt, ist die Forschung an sogenannten echten Hybriden. Dabei wird die Eizelle einer Kuh mit menschlichem Sperma befruchtet oder umgekehrt.

Auf Kuh-Zellen greifen die Forscher zurück, weil zur Herstellung der Stammzell-Linien nicht genug menschliche Eizellen von guter Qualität zur Verfügung stehen. Denn sämtliche Embryonen, so schreibt es das Gesetz vor, müssen spätestens 14 Tage nach der Verschmelzung zerstört werden. Die massiven Einwände der Gegner („Wir sollten uns nicht mit Tieren vermischen“) und die wütenden Proteste der katholischen Kirche („monströse Frankenstein-Forschung“) wurden von einer überparteilichen Parlamentsmehrheit ignoriert. In Umfragen befürworten rund 70 Prozent der Briten die vergleichsweise weitgehende Embryonen-Forschung auf der Insel.

Schon 1991 hat das Londoner Unterhaus eine Behörde eingerichtet, die dieser Stimmung Rechnung trägt. Seitdem vergibt die Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) landesweit Lizenzen für die künstliche Befruchtung, die In-Vitro-Fertilisation, entscheidet über Forschungsprojekte – und muss den Richter spielen, wenn schwierige ethische Abwägungen zu treffen sind. Dabei hat sie im Laufe der Jahre immer wieder demonstriert, dass sie – unter Wahrung eines gesellschaftlichen Konsenses – innovativer Forschung nur ungern im Wege steht. Im vergangenen Jahrzehnt wurden in einem Zeitraum von drei Jahren (2005 bis 2007) 429 Embryos eigens hergestellt – die HEFA zählt bei dieser ethisch heiklen Forschung genau mit. Und sie beugt möglichen Geschäftemachern vor: Die Ei- und Samenzellen stammen von Spendern, denen Kliniken und Forschungslabors höchstens 300 Euro Aufwandsentschädigung zahlen dürfen, meist deutlich weniger.

Angenehm fürs Auge: ein Patientenzimmer im neuen Klinikanbau, der nach seinem Sponsor Richard Desmond benannt wurde.

Was darf Forschung?

Dem 18-köpfigen HFEA-Beirat, den der Gesundheitsminister ernennt, gehören erfahrene Praktiker an, Gynäkologen, eine Genetik-Professorin, eine Krankenschwester. Das Gesetz schreibt aber vor, dass eine Beiratsmehrheit Laien sein sollen. Derzeit zählen drei Juristen dazu, eine Buchhalterin, ein Philosophie-Professor, eine Historikerin, zwei Journalistinnen. Vor zehn Jahren leitete noch ein Bischof der anglikanischen Staatskirche den HFEA-Ethikausschuss, inzwischen haben die Religionsgemeinschaften kein Mitglied mehr im Rat der 18, von denen 14 Frauen sind.

Sollte sich der Erfolg einer solchen Aufsichtsbehörde daran messen lassen, dass sie es keinem recht macht? Dann könnte die HFEA ihre Bilanz stolz herzeigen. Denn auch wenn der Ausschuss dem medizinischen Fortschritt viel Raum gibt, fallen die Aufseher doch regelmäßig jenen Ärzten und Forschern auf die Nerven, die aus Menschenfreundlichkeit oder weniger noblen Motiven die Grenzen des Machbaren und Erlaubten noch viel weiter hinausschieben wollen. Und natürlich gibt es andererseits auf der Insel auch jene, denen jegliche Forschung an Embryonen ein Gräuel ist und bleibt.

Seit 2006 haben es die Befürworter der Stammzell-Therapie mit noch einem Aufseher zu tun: Die Human Tissue Authority (HTA) wacht über die ordnungsgemäße Aufbewahrung und Verwendung jeglicher menschlicher Substanz. Neben Autopsie-Proben und Leichnamen zur medizinischen Lehre gehören dazu auch sämtliche Stammzell-Linien nach ihrer Entnahme aus den Embryonen. Und auch bei der HTA sollen die Fachleute aus Medizin und Forschung nicht unter sich bleiben: Dem Aufsichtsrat – sieben Frauen und fünf Männer – gehören ein Moraltheologe, eine Journalistin, eine Juristin sowie mehrere Spitzenbeamte an.

Britischer Pragmatismus

Der Rat ist streng – der Freiraum der Wissenschaft aber offenbar trotzdem groß genug. Julie Daniels, Professorin für Regenerative Medizin und Zelltherapie am Institut für Augenheilkunde des University College London (UCL), das gleich hinter der Moorfields-Klinik liegt, berichtet jedenfalls von einem hervorragenden Verhältnis zu den HTA-Inspektoren.

Daniels forscht seit Jahren mit Stammzellen. Als die Mikrobiologin 2005 mit der Kultivierung adulter Stammzellen aus dem menschlichen Auge begann, „waren die Regularien noch keineswegs eindeutig“. Auch die Abgrenzung zu einer dritten Behörde blieb seinerzeit zunächst unklar: Die Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) ist sowohl für die Kontrolle medizinischer Produkte als auch für klinische Versuchsreihen zuständig. Inzwischen sind die Terrains definiert. Gemeinsam und mit bester britischer Nüchternheit fanden die Aufseher und das Team um Daniels einen Modus vivendi, bei dem sich weder die Wissenschaftler gegängelt, noch die Inspektoren im Unklaren gelassen fühlen.

Seitdem schreitet die Wissenschaft voran, was an den erlaubten Möglichkeiten, vor allem aber an der räumlichen und inhaltlichen Nähe und der engen Verzahnung von Forschung und Heilkunst liegt. UCL und Moorfields betreiben ein gemeinsames Forschungszentrum, an dem auch Julie Daniels einst als Post-Doktorandin beschäftigt war. „Diese sehr enge Kooperation müsste man anderswo erst mühselig herstellen. Hier entsteht durch die ganze Infrastruktur ein Schwung, der uns gegenseitig beflügelt“, sagt sie.

Professor Peng Khaw, Direktor des Forschungszentrums und einstiger Mentor von Daniels, lobt außerdem die „hervorragende Unterstützung“ durch das Nationale Institut für Gesundheitsforschung, das im Gesundheitsministerium angesiedelt ist. Damit meint er nicht zuletzt die finanzielle Ausstattung, auf die das Moorfields/UCL-Zentrum als eines von landesweit elf Forschungseinrichtungen bauen kann, die von der besonderen Förderung der Zentralregierung profitieren.

Dafür qualifiziert hat sich Moorfields aus unterschiedlichen Gründen. Allen voran durch Größe. Keine andere Augenklinik in vergleichbaren Industrienationen kann auch nur annähernd so viele Behandlungen vorweisen. Die Zentrale an der City Road mit ihren 19 Filialen in und um London zählt pro Jahr rund eine halbe Million Patientenkontakte. Das sorgt bei den Ärzten für ein hohes Maß an Erfahrung in der Behandlung von häufigen, aber auch seltenen Augenleiden. „Da entsteht eine kritische Masse an Expertise“, sagt Khaw.

Daneben hat sich die Klinik in den vergangenen Jahren immer wieder auch durch Spitzenleistungen in der Forschung hervorgetan. Die Stammzell-Therapie bildet dabei lediglich den aktuellen Höhepunkt. So ist Direktor Peng Khaw, der sich selbst „Augenchirurg aus Leidenschaft“ nennt, auf die Behandlung von Glaukom-Patienten spezialisiert – und hat damit auch selbst zum Ruhm des Klinikums über die Landesgrenzen hinaus beigetragen.

Der Schaden am Sehnerv, häufig entstanden durch eine Erhöhung des Augendrucks, macht 2,4 Prozent aller Menschen über 49 zu schaffen; bei den über 80-Jährigen liegt der Anteil noch deutlich höher, besonders in der schwarzen Bevölkerung (13 Prozent). Für Linderung bei den Grüne-Star-Patienten sorgt seit Langem eine Operation, die der Augenflüssigkeit eine neue Möglichkeit schafft, zu entweichen. Weil der menschliche Körper aber stets versucht, „Löcher“ zu stopfen, setzt bald eine Vernarbung ein und macht den Erfolg der Operation nicht selten zunichte. Die Folge: weitere Operationen und Krankenhausaufenthalte.

Wertvolle Innovationen

Gemeinsam mit Professor Stephen Brocchini von der Londoner School of Pharmacy entwickelte Khaw eine Tablette, die zur Zeit der Operation eingenommen wird. Sie führt dem Körper über einen längeren Zeitraum als bisher üblich einen Wirkstoff zu, der die Vernarbung aufhält. Sollten sich die bisherigen Erfolge bestätigen, könnte diese Therapie auch an anderen Körperstellen helfen, wo postoperative Narben die Heilung von Patienten behindern.

Mit einer weiteren Innovation ließe sich außerdem noch sparen. Bereits 2003 kostete die Behandlung von Glaukom-Patienten den britischen Steuerzahler nach Schätzungen von Medizinökonomen zwischen 1,1 und 3,7 Milliarden Pfund. Eine frühere Diagnose könnte die Kosten sowohl der unmittelbaren Behandlung als auch der Sekundärkosten wie Sozialleistungen und Arbeitsausfall erheblich reduzieren. Dazu soll ein neuartiger Test beitragen, den ein anderes Forscherteam in Moorfields entwickelt hat und derzeit erprobt.

Solche Forschungen kosten viel Geld, weshalb die Wissenschaftler nicht nur ihre Kontakte zu den staatlichen Förder- und Prüfinstitutionen, sondern auch einen höchst sachlichen Umgang mit Partnern und Mäzenen aus Industrie und Wirtschaft pflegen. Der Verleger Richard Desmond beispielsweise, der sein Vermögen zu großen Teilen mit Porno-Magazinen gemacht hat, spendete Moorfields als ehemaliger Patient im Jahr 2006 knapp vier Millionen Euro. Nach ihm wurde ein neuer Anbau speziell zur Behandlung von Kindern benannt. Die Eröffnung übernahm Queen Elizabeth II höchstpersönlich.

Das Moorfields Eye Hospital: einst „Londoner Armenapotheke zur Erleichterung der an Auge und Ohr Leidenden“, heute Forschungs-, Behandlungs- und Lehrstätte von Weltruf.

Augenheilkunde seit 1805

Dabei trafen zwei urbritische Institutionen aufeinander. Die eine, inzwischen seit 60 Jahren stilvolle und unerschütterliche Regentin im Land. Die andere, eine der ältesten Augenkliniken der Welt, gegründet 1805 als „Londoner Armenapotheke zur Erleichterung der an Auge und Ohr Leidenden“.

Den Anstoß gab eine Militär-Expedition: Im Rahmen der Napoleonischen Kriege war die britische Armee mehrere Jahre im ägyptischen Abukir stationiert, dort litten viele Menschen am Trachom. Die meisten Soldaten kehrten mit dieser bakteriellen Augenentzündung zurück und steckten ihrerseits im ganzen Land viele Menschen an. Auf Initiative eines jungen Arztes, John Cunningham Saunders, mietete ein reicher Bankier ein Haus, in dem die Kranken behandelt werden konnten.

Ein Jahr später beschränkte Saunders seine Tätigkeit auf Augen, nannte sein Haus schon deutlich ambitionierter „Spital zur Heilung von Augenkrankheiten“. Und nach 15 Jahren zog das Krankenhaus an eine Straße, deren Name an ihre Vergangenheit als Sumpf außerhalb der damaligen Stadtmauer erinnert: Moorfields. Auch dieser Standort wurde dem nunmehr offiziell „Königlichen Londoner Augenkrankenhaus“ bald zu klein, seit mehr als hundert Jahren liegt das Moorfields Eye Hospital deshalb einen Kilometer weiter nördlich an der belebten City Road. Der populäre alte Name aber ist ihm geblieben.

Von Anfang an zog die Augenklinik Ärzte aus aller Herren Länder zur Weiterbildung an – daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Team von Professor James Bainbridge beispielsweise arbeiten 30 Ärzte und Wissenschaftler aus einem Dutzend Nationen. Sein Büro hat die Größe einer besseren Besenkammer, die Kollegen sitzen auf engstem Raum Ellbogen an Ellbogen vor ihren Computern. Trotz guter Unterstützung müsse seine teure Forschung oft „mit denkbar knappen Mitteln auskommen“, sagt er. Und ja, natürlich sehne er sich manchmal auch nach den erheblich großzügiger ausgestatteten Einrichtungen in den USA.

Aber weggehen aus London? Nie und nimmer und jetzt schon gar nicht. In den nächsten 18 Monaten folgen noch eine Reihe von Patienten auf Marcus Hilton, den ersten Moorfields-Stammzell-Kandidaten. Bainbridge wird dabei bleiben, es soll nichts schiefgehen bei dem teuren, vielleicht wegweisenden Experiment der neuen Therapie, schließlich steht viel auf dem Spiel. Das Wohl der Patienten. Der Fortschritt der Wissenschaft. Und untrennbar damit verbunden auch das Wohl jener Unternehmen, ohne deren inhaltlichen und finanziellen Einsatz die wenigsten der Feldversuche überhaupt möglich wären.

„Wir sind stark daran interessiert, dass unsere wissenschaftlichen Fortschritte auch wirklich beim Patienten ankommen“, sagt Institutsleiter Khaw. „Ohne die Industrie wäre das sehr schwierig.“ Deshalb müssten Wissenschaftler die breite Öffentlichkeit auch in die Pflicht nehmen. „Natürlich wollen die Leute, dass wir ihre Krankheiten auch mit neuen Methoden heilen“, sagt Khaw. „Umgekehrt müssen wir sie daran erinnern, dass es ohne ihre Unterstützung nicht dazu kommen wird.“

Auch Marcus Hilton hat seinen Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt geleistet. Mit der Gelassenheit, die vielen Einheimischen der Grafschaft Yorkshire nachgesagt wird, wartet der 34-Jährige jetzt auf Ergebnisse, die frühestens in einigen Wochen zu erwarten sind. Er mache sich keine falschen Hoffnungen, sagt er, es gehe ja zunächst nur um die Sicherheit des klinischen Versuchs. „Selbst die kleinste Verbesserung der Augen wäre ein Bonus.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.