Handwerker können sich die Innenstädte kaum noch leisten.

Besonders schlimm ist es in München. Es sei denn, Herr Boneberger ruft an.





• Meine Autowerkstatt war nebenan. In einem Hinterhof, 127 Quadratmeter, drei Hebebühnen, drei Männer: Kfz-Meister Peter Sommerer, 55, sein Vater Walter, 86, und sein Sohn Max, 32. Die Durchfahrt zum Hinterhof war eng und an beiden Seiten verkratzt, aber die Miete betrug nur etwa 1500 Euro, und die Lage war perfekt: mitten in der Stadt.

Der Laden brummte. 99 Prozent Stammkunden, die teilweise schon im vergangenen Jahrhundert ihre kaputten Autos zu den Sommerers gebracht hatten. Es gab Tage, da mussten die drei durcharbeiten und konnten mittags nicht nach Hause fahren zu Peters Frau, die jeden Tag für sie kochte. Manchmal war der Hof so voll, dass die Autos raus mussten auf die Straße, wo es kaum Parkplätze, aber ratzfatz Knöllchen gab.

Der Kfz-Meister Peter Sommerer führt mit seinem Vater Walter und seinem Sohn Max eine Autowerkstatt in München.
Glück gehabt: Sie können in einer neuen Werkstatt weiterarbeiten – und Kunden haben sie immer noch genug.

1. Die Krise

So lief das, seit der Opa vor mehr als 50 Jahren den Betrieb gegründet hatte. Und alle waren glücklich: die Sommerers, ihre Kundinnen und Kunden und wahrscheinlich sogar die Autos. Aber Ende 2021 änderte sich alles. Peter Sommerer schaute sich nach einem Job als angestellter Kfz-Meister um. Sohn Max liebäugelte mit dem Gedanken, sich bei der Müllabfuhr zu bewerben, morgens raus, ab mittags frei, krisensicher. Und Opa Walter fürchtete, jetzt doch langsam Mal in Rente gehen zu müssen. „Aber das bringt den um“, sagt Peter Sommerer. „Der braucht das hier.“

Was war passiert?
Der Vermieter hatte gekündigt. Es gab keinen besonderen Grund, außer vielleicht, dass eine Autowerkstatt nicht mehr richtig in das gentrifizierte Stadtviertel Haidhausen rechts der Isar mit der Philharmonie und dem Maximilianeum (Sitz des Bayerischen Landtags) passte. Überall sonst waren schon Agenturen, Architekturbüros und Pilatesstudios in die Hinterhofwerkstätten eingezogen und machten einmal im Jahr Hoffeste mit Aperol Spritz und entspannter Jazzmusik statt täglich Motorenlärm und Flexgekreische. Und sie zahlten mehr Miete. Die Sommerers mussten raus.

Sie suchten neue Räume in München, schalteten sogar Anzeigen mit einem coolen Familienfoto. Alle drei im Blaumann, mit ölverschmierten Gesichtern und Werkzeug in den Händen. Das Foto hatte Susie Knoll gemacht, eine bekannte Münchner Fotografin, die ihr Studio neben der Werkstatt im Hinterhof hatte. Trotzdem fanden die Sommerers nichts Bezahlbares. Höchstens draußen auf dem Land, weit weg von ihren Kunden. Deshalb wollten sie aufgeben.

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