Heiß begehrte Stoffe
Wir haben Fachleute nach den wichtigsten Materialien für die Welt von morgen gefragt. Ein Überblick.
Scandium
Winzige Menge, große Wirkung
Das silberweiße Leichtmetall verändert schon in geringster Dosierung die Eigenschaften von Materialien. Aluminium etwa wird härter und leitfähiger. Drei Entwicklungen sorgen für große Nachfrage: die Energiewende, die globale Aufrüstung und der 3-D-Druck.
Mit Scandium lassen sich leichtere Fahr- und Flugzeuge bauen. Scandium-Verbindungen verbessern die Leistungsfähigkeit in Lithium-Ionen-Akkus. Auch Wasserstoff kann mit Scandium-Katalysatoren effizienter erzeugt werden. Die Rüstungsindustrie nutzt das Leichtmetall, um Kampfflugzeuge oder Panzer noch widerstandsfähiger zu machen. Damit hergestellt werden auch leichtere Revolver, die trotzdem große Kaliber verschießen. Und mit den neuesten 3-D-Druckern lassen sich aus Stahlpulver und einer Prise Scandium hochstabile Konstruktionen fertigen.
Vorkommen
Scandium fällt als Nebenprodukt bei der Verarbeitung anderer Rohstoffe an, vor allem von Bauxit, Eisen- oder Uranerzen. Dabei werden Scandiumoxid oder Legierungen mit Aluminium gewonnen. Die chemische Aufbereitung zu metallischem Scandium ist aufwendig. Als natürliche Vorkommen eignen sich nur eine Handvoll sehr seltener Mineralien: Pretulit, Thortveitit, Kolbeckit, Allendeit und Heftetjernit. Die wenigen Lagerstätten befinden sich unter anderem in China, auf der russischen Kola-Halbinsel, in Japan, Norwegen, den USA und auf den Philippinen.
Die Marktlage
Handelsmenge pro Jahr, in Tonnen: 35
Nachfrage im Jahr 2040, in Tonnen (prognostiziert): > 2.000
Die jährlich weltweit gehandelten Mengen sind bislang marginal: Für den Transport reichte ein Lkw mit Anhänger. Die wichtigsten Anbieter China und Russland nutzen den Rohstoff als Machtinstrument und halten ihn teilweise vom Markt zurück.
Da Scandium als Nebenprodukt gewonnen wird, müssten sich für eine Produktionssteigerung zunächst die Preise der Ausgangsstoffe wie etwa Bauxit erhöhen, damit davon mehr gefördert wird. Neue Vorkommen werden derzeit unter anderem im kanadischen Quebec erschlossen: Der Bergbaukonzern Rio Tinto sowie die kanadische Firma Imperial gewinnen Scandiumoxid aus Abfällen der Titandioxid-Produktion und wollen bald jede fünfte Tonne Scandium des Weltmarkts fördern.
Aber sämtliche neuen Förderprojekte werden nicht ausreichen, um die weltweite Versorgung zu sichern. Dafür braucht es eine effektive Kreislaufwirtschaft: Erste Schritte für eine geschlossene Scandium-Lieferkette leitete die EU mit dem Projekt Scale ein. Ziel ist die Verwendung bislang ungenutzer industrieller Nebenprodukte, etwa Bauxitrückstände aus der Aluminiumoxid-Herstellung. Ein Scandium-Schatz wäre noch vom Meeresboden zu bergen: Eine Analyse von Eisen- und Mangan-Knollen im Arktischen Ozean zeigte eine hohe Scandium-Konzentration.
Der Preis
Ein Kilogramm reines Scandium kostete im Jahr 2022 fast 5.000 Dollar, für Scandiumoxid wurden bis zu 1.000 Dollar bezahlt.
Titan
Hart im Nehmen
Das Metall ist leicht und dehnbar, zudem extrem fest, temperatur- und säurebeständig – der perfekte Rohstoff für die Rüstungsindustrie.
Es gehört zu den Absurditäten des Krieges, dass ein Feind gleichzeitig der Lieferant für kriegswichtige Rohstoffe sein kann. 2023 berichtete die »Berliner Zeitung«, dass ein ukrainischer Staatskonzern indirekt Titan an Russland verkaufte: Von Russen gegründete Firmen in Ländern wie Ungarn erwarben den Rohstoff und lieferten ihn schließlich weiter.
Neben der Rüstungsindustrie setzt auch die Schmuckbranche auf die Beständigkeit des Metalls und das geringe Gewicht. Ein Trauring aus Titan hat selbst zur Goldenen Hochzeit keine Kratzer, auch Luxusuhren oder teure Brillengestelle glänzen damit. Ölplattformen, Meerwasser-Entsalzungsanlagen und Schiffsmotoren erreichen dank Titan maximale Beständigkeit bei geringem Gewicht. Aufgrund dieser Eigenschaften wird das Metall auch für elektrische Leiter, Katalysatoren, Prothesen und Zahnimplantate verwendet.