Editorial

Knappheitslehren

• Es sieht nach einem Muster aus. Was wir schon bei russischem Öl und Gas erlebt haben, wiederholt sich bei anderen Rohstoffen: Im Bestreben, die besten Preise und Konditionen zu erzielen, hat sich die deutsche Wirtschaft in gefährliche Abhängigkeiten begeben. Doch diese Rechnung geht nur in einer für uns stabilen Welt auf, und die ist Vergangenheit.

Foto: André Hemstedt & Tine Reimer


Nun klemmt es an allen Ecken und Enden. Denn während sich deutsche Firmen vor allem in China bedienten, hat sich ebendieser Wirtschaftsgigant in aller Welt den Zugang zu Rohstoffen gesichert. Wo immer Europa jetzt nach Alternativen sucht: Die Chinesen sind schon da. Für 17 der 34 Rohstoffe, die von der EU als kritisch eingestuft werden und die für die Digitalisierung und eine klimaneutrale Wirtschaft notwendig sind, ist China der wichtigste Lieferant.

Das kann man beklagen – oder als Innovationstreiber betrachten und als Aufforderung, neu zu denken. Oder Traditionen zu pflegen: Recycling ist zum Beispiel gerade für hiesige metallverarbeitende Betriebe längst ein alter Hut. Aluminium wird zu 95 Prozent wiederverwertet, Kupfer immerhin zu 45 Prozent. Bis 2050, so eine Studie der KU Leuven, könnte auch das Doppelte der Menge, die an seltenen Erden benötigt wird, durch Recycling gedeckt werden.

Bis dahin ist noch einiges zu tun, aber es ist ein vielversprechender Weg. Und es gibt noch andere: So lassen sich viele Rohstoffe ersetzen, ob Brennholz, Zement, Erdöl oder Plastik – für nahezu alles gibt es Ersatz. Selbst die Eigenschaften von seltenen Erden lassen sich kopieren. Das hat bisher nur niemanden interessiert.

Doch wie immer steckt gerade in Versäumnissen auch Geschäft. Allein das, was sich Unternehmer und Forscherinnen für den als Klimakiller verrufenen Baustoff Beton einfallen lassen, könnte die Bauindustrie revolutionieren. Und noch gibt es erst Ahnungen, was möglich wird, wenn die KI dabei hilft, die Umwelt zu schützen und Rohstoffe zu ersetzen.

Also alles im grünen Bereich? Bestenfalls im grauen. Denn der Umbau wird Zeit kosten, in der sich die Abhängigkeit schmerzhaft bemerkbar machen wird. Und er wird teuer werden – denn der Ausweg durch Recycling, die Umstellung auf Alternativen oder durch erhöhte Lagerhaltung kostet Geld.

Deshalb ist der Aufruf, sparsamer mit Ressourcen umzugehen und das Handy zu reparieren, statt es gleich zu entsorgen, keine Verzichtsideologie, sondern kluges Wirtschaften. Und wenn wir dann noch lernen, mit rohstoffreichen Ländern in Afrika oder Südamerika neue Partnerschaften auf Augenhöhe zu schließen, könnte die Rohstoffkrise ein gutes Ende finden: Sie wäre der Anfang einer vernünftigeren Ökonomie. ---

Gabriele Fischer, Chefredakteurin