Die Angst, sich selbst zu verlieren
Die Diagnose erwischt die Psychotherapeutin Monika Lebek-Fichtner kalt: Demenz. Ein Schock. Dann beginnt sie, sich auf ein Leben mit der Krankheit einzustellen.
• Vier Begriffe in übergroßen Lettern auf einem Computerbildschirm. Gurken, Kohl, Wasser und Bratpfanne leuchten auf der digitalen Einkaufsliste. Monika Lebek-Fichtner blickt leicht vorgebeugt durch ihr zartes Brillengestell, bemüht, sich die Wörter zu merken: „Mit dem Wasser spüle ich die Bratpfanne ab. Anschließend brate ich die Gurken an. Schmorgurken. Genau.“ Die Liste verschwindet. Nun soll sie sich durch Einkaufsregale klicken. Den Kohl – oder war es doch Dill? – hätte sie fast vergessen. Sie hält einen Moment inne, kräuselt die Stirn. Ihr Blick wandert hilfesuchend zu den Fingern der freien Hand. Nur noch einer der vormals gespreizten Finger ragt in die Höhe. Ein Begriff fehlt also noch. Geschafft. Die Ergotherapeutin lobt sie dafür. Die Anspannung fällt von ihr ab. Sie lächelt.
Noch vor wenigen Jahren hätte sich Lebek-Fichtner nicht ausmalen können, hier zu sitzen, in einer Ergotherapie-Praxis im Süden Berlins, um sich an simple Listen zu erinnern. Als Psychotherapeutin war es ihr tägliches Geschäft, ganze Gespräche abzurufen und zu analysieren. „Ich habe immer gern gearbeitet“, sagt sie stolz und etwas wehmütig. Arbeiten kann sie längst nicht mehr. Die Gesprächstherapie-Sitzungen sind Vergangenheit. Jetzt ist sie es, die Hilfe braucht. Monika Lebek-Fichtner hat Demenz.
Die Diagnose traf die Berlinerin mit Mitte 60 wie ein Schlag. Sie hatte Patientinnen und Patienten zu betreuen, mit Kolleginnen und Kollegen eine Gemeinschaftspraxis zu führen. Sie hatte sich auf den Ruhestand und die gemeinsame Freizeit mit ihrem Ehemann Dieter gefreut. Was andere erst im hohen Alter erwischt, drohte ihr Leben komplett umzukrempeln.
Was macht eine Krankheit, die nach und nach die kognitiven Fähigkeiten verschlingt, mit einer Kopfarbeiterin?