Was Menschen bewegt

Waldbrandland

Der Wald brennt. Immer häufiger, immer heftiger. Im brandenburgischen Frohnsdorf wurden unter wissenschaftlicher Anleitung Gegenmaßnahmen ergriffen. Doch dann brannte es wieder. Und der Streit eskalierte.

Text: Katrin Groth
Fotografie: Stella Weiß



Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 06/2023.

• Um 13.15 Uhr löst die Leitstelle in Brandenburg an der Havel Alarm aus. Olaf Fetz, Stadtwehrführer der Feuerwehr von Treuenbrietzen, greift nach dem Pieper an seinem Hosenbund und liest: „Brand Wald Frohnsdorf Richtung Lüdendorf unklare Rauchentwicklung.“ Er steigt in seinen feuerwehrroten Dacia und fährt los. Fünf Einsatzfahrzeuge folgen mit jaulenden Martinshörnern.

Vier Jahre zuvor hatte es hier schon mal gebrannt, 400 Hektar Bäume wurden vernichtet. Nun brennt es wieder. Es ist Freitag, der 17. Juni 2022. 170 Hektar Wald werden an diesem Wochenende in Flammen aufgehen.

Der Wald bei Frohnsdorf ist fast so groß wie die Insel Norderney. Das angrenzende Dorf dagegen ist klein, ein Ortsteil der Stadt Treuenbrietzen, Brandenburg. Das Land flach, die Forstwege wie mit dem Lineal gezogen. Ein Teil des Waldes gehörte der Kommune. Der ehemalige Stadtförster Dietrich Henke hatte vor Jahren begonnen, ihn umzubauen, von der Monokultur zum Mischwald.

Im August 2018 brannte es zum ersten Mal. Henke holte sich danach Rat bei der Wissenschaft: Man wollte gemeinsam herausfinden, wie Wälder widerstandsfähiger werden können. Der Name des millionenschweren, auf fünf Jahre angelegten Projektes: „Pyrophob“, feuerabweisend. Die Idee: weniger Kiefern, mehr Laubbäume. Tote Bäume ließ man liegen, sie sollten Schatten spenden, den Boden feucht halten. Die privaten Waldbesitzer ringsum räumten das Totholz ab, forsteten mit Kiefern auf.

Anfang 2022 verkaufte die klamme Kommune den größten Teil des Stadtwaldes für 20 Millionen Euro an ein Unternehmen. Dann, im Juni, brannte der Wald erneut.

Wie konnte zweimal an fast der gleichen Stelle ein Feuer ausbrechen? Haben Henke und die Forscherinnen und Forscher fahrlässig gehandelt? Ist das Totholz schuld? Und vor allem – ist der Waldumbau gescheitert?

Klassische und moderne Forstlehre ringen seitdem um Deutungshoheit. Ökonomie versus Ökologie. Förster, Waldbesitzer und Forscher, sie zerren am Wald wie Eltern an einem Scheidungskind.

Als der Wald zu brennen anfängt, erledigt Peer-Marten Kopp Bürokram. Er ist der neue Förster, hat nur wenige Wochen zuvor den Job übernommen. Er sagt: „Der Zustand des Reviers war unterirdisch.“

Sein Vorgänger Dietrich Henke – im Jahr 2022 als Förster des Jahres ausgezeichnet – ist frustriert. „Ich bin immer für den Wald da. Ich habe nur ein Problem mit dem da.“ Er meint Kopp, den er nur „das Försterchen“ nennt.

Der Vorsitzende der örtlichen Waldgenossenschaft, Wolfgang Seehaus, mäht Gras für seine Kaninchen, als das Feuer ausbricht. Die Gemeinschaft privater Waldbesitzer verlor beim Feuer 2018 viel Wald. Er sagt: „Henke hat zweimal verbrannte Erde hinterlassen und dafür auch noch einen Preis bekommen.“

Jeanette Blumröder wertet Daten aus, als der Brand beginnt. Die Biologin begleitet die Wiederwaldwerdung für die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, sie koordiniert das Projekt Pyrophob seit Mai 2020. Dafür werden Flächen der privaten Genossenschaft genauso untersucht wie im kommunalen Stadtwald.

Der neue Förster und der Waldbesitzer auf der einen, die Biologin und der ehemalige Förster auf der anderen Seite. Sie lästern unverhohlen übereinander – und streiten über die Zukunft des Waldes. Aber erst mal brennt es.

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