„Mikroplastik entwickelt sich zu einer allgegenwärtigen Tötungsmaschine“

Früher leitete Eric Liedtke als Vorstand das globale Markengeschäft von Adidas. Jetzt arbeitet er mit einem Start-up an kompostierbarer Kleidung. Sein großes Ziel: die Modebranche nachhaltig umstricken. Ein Gespräch über Greenwashing, Scheinlösungen und die magische Macht des Marketing.





Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 02/2023.

• Über ein paar Tausend Kilometer hinweg, aus Portland an der US-Westküste, erscheint an diesem Morgen ein freundlich-müdes Gesicht auf dem Bildschirm. Eric Liedtke hat gerade die Bestellungen des vergangenen Wochenendes eingetütet – mehr als hundert Pakete hätten er und seine Kollegen auf den Weg gebracht, erzählt er stolz.

Noch vor gut drei Jahren war der 56-Jährige Markenvorstand beim Weltkonzern Adidas, verhandelte Partnerschaften mit Stars wie Kanye West und stand für das damalige fulminante Comeback der Sportmarke. Heute hofft er mit seiner Marke Unless auf den Durchbruch.

brand eins: Herr Liedtke, im Vorstand von Adidas kämpften Sie für den Umstieg des Konzerns auf Recycling-Kunststoffe. Keine zwei Jahre später gründeten Sie eine Textilmarke, die vollständig auf pflanzliche und mineralische Materialien setzt – mit der Begründung, dass Plastik-Recycling „ohnehin nicht funktioniert“. Wie passt das zusammen?

Eric Liedtke: Nun, das eine entwickelte sich aus dem anderen, denn als Hersteller von Textilien begibt man sich auf eine Reise. Sie beginnt bei Neukunststoff, der aus Erdöl gewonnen wird und weltweit in großen Mengen verfügbar, praktisch und billig ist. Jeder in der Modebranche weiß aber, dass Nachhaltigkeit – ich hasse diesen Begriff, daher sagen wir mal: die Kunst, weniger Schaden anzurichten – darin besteht, Dinge auf unschädlichere Art herzustellen. So macht man sich auf die Suche nach weniger giftigen Ausgangsmaterialien. Früher oder später landet man erst bei Recycling-Kunststoffen, dann bei Pflanzen.

Was stört Sie am Begriff Nachhaltigkeit?

Dass es ein unscharfer, erklärungsbedürftiger Begriff ist. Wenn mir jemand sagt, seine Marke sei nachhaltig, frage ich: inwiefern? Ich finde, Unternehmer sollten sehr genau erklären, welche Maßnahmen sie ergreifen und welche nicht.

Ihr Plan als oberster Adidas-Markenmanager war der schrittweise Umstieg des Konzerns auf Recycling-Kunststoffe.

Unser Ziel lautete, bis 2024 komplett auf fabrikneuen Polyester (PET) zu verzichten und stattdessen auf sogenanntes Meeresplastik zu setzen, das die Umweltorganisation Parley for the Oceans für uns aus dem Wasser und von Stränden fischte. Ich bin immer noch stolz auf dieses Vorhaben und darauf, dass Adidas es auch nach meinen Ausstieg Ende 2019 weiterhin verfolgt. Für eine Marke dieser Größe in dieser Branche war das Umsteuern damals ein Meilenstein.

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