Editorial

Ist das Wirtschaft?

• Es war eine Zeit des Aufbruchs damals, 1998, als wir mit unserem Vorgängermagazin »Econy« in die New Economy starteten. Zu jener Zeit träumten viele von einer neuen Wirtschaft, in der jeder seinen Platz finden und die Welt, zumindest sein Leben, verändern könnte.

Foto: André Hemstedt & Tine Reimer


Seither ist viel passiert. Die New Economy ging unter, das Internet blieb und machte aus den Visionen Werbeplattformen. Doch die Träume sind noch da. Und es könnte sein, dass die Creator Economy eine neue Chance wird, sie zu verwirklichen.

Was das genau ist? Zunächst einmal ein Sammelbegriff für viele unterschiedliche Möglich-keiten, als Einzelperson oder Kleingruppe im und mit dem Internet Geld zu verdienen. Das schaffen Influencer genauso wie E-Sportlerinnen, doch der Creator hat zudem das Ziel, sein Geld unabhängig von den großen Plattformen zu verdienen. Und zwar durch eine Fanbase, die nicht nur Reichweite für bezahlte Werbung ist, sondern aus zahlenden Kundinnen und Kunden besteht.

Das ist nicht neu, aber inzwischen zu einer Bewegung geworden. Weltweit gibt es mehr als 50 Millionen Menschen, die sich Content Creator nennen, und für 22 Prozent der 18- bis 26-Jährigen in Deutschland soll es Umfragen zufolge der Traumberuf sein – das sind 1,75 Millionen Menschen und damit doppelt so viele, wie in der Automobilindustrie beschäftigt sind. Und weil so mancher seine Popularität nutzt, um eigene Produkte auf den Markt zu bringen, sehen einige Beobachter in den Creators bereits einen neuen Mittelstand (S. 62, 82).

Johannes Böhme hat sich deshalb tief hineingedreht in diese neue New Economy, in der durchaus Hoffnungen der alten stecken. Selbstbestimmt zu arbeiten und sich mit dem, was man gern macht, eine Existenz aufzubauen – das war schon 1998 der Traum. Inzwischen gibt es dafür neue Möglichkeiten, doch auch diese neue Arbeitswelt ist mit Arbeit verbunden, und sie folgt einem Prinzip, das wir vom Spitzensport kennen: Nur wenige werden zum Star (S. 44).

Auch mit der Unabhängigkeit ist es so weit nicht her, zumindest, solange die Plattformen den Algorithmus und damit den Einnahme-Strom bestimmen. Die amerikanische Investorin Li Jin hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Rechte der Inhalte-Produzenten zu stärken, ihr Fernziel: eine Ownership-Economy. Die Nutzer sollen entscheiden, welche Daten gesammelt und wofür sie genutzt werden. Das klingt utopisch? Das waren die Internet-Ideen immer, daran erinnert Wolf Lotter und zitiert aus dem von Stewart Brand herausgegebenen „Whole Earth Catalog“, für Steve Jobs „eine der Bibeln meiner Generation“: „Stay hungry. Stay foolish.“ Bleibt hungrig und immer auch ein wenig naiv (S. 52, 90).

Den Weg zu dem, was Li Jin Web3 nennt, soll die Blockchain ebnen, die Finanzierung über NFTs geschehen. Sie wüssten dazu gern mehr? Dann sei Ihnen Christoph Kochs Glossar und der kleine NFT-Führer von Klaus Raab empfohlen (S. 56, 68). Sie wollen dabei sein? Dann lesen Sie am besten den ganzen Schwerpunkt. Sie halten das alles für Humbug? Dann auch. ---

Titelbild: Andy Kassier, macbook water, 2018