Going to Miami

Wenn das die deutschen Pauschalurlauber wüssten, die in Neon-Shorts den Ocean Drive entlangschlappen und zwei Wochen lang nichts als träge Bräunung wollen, ein paar heiße Models beim Fototermin und getrimmte Schwule begaffen vielleicht. Aber bitte keinen Stress – wir sind in South Beach. Doch wer das Ohr an den Sandstrand presst, hört den E-Commerce von Punta Arenas bis Panama durch Miami branden. Das einst als Wartezimmer Gottes verspottete Ballungszentrum in Südflorida ist zur Internet-Drehscheibe Lateinamerikas geworden. Wer in Mexiko City bei einer Internet-Auktion mitsteigert, wer in Santiago Turnschuhe im Web bestellt, wer in São Paulo Aktien kaufen will, klickt sich – oft ohne es zu wissen – nach Florida durch. Auf den Night-life-Meilen Lincoln Road und Collins Avenue sind ganze Stockwerke nächtelang hell erleuchtet. Techniker spulen Kabeltrommeln im Dutzend in die Wände und stolpern über leere Dell-Kartons, die die neuen Mieter nicht schnell genug wegräumen konnten. Bei Cafe con leche werden Geschäftspläne, Click-Throughs und anstehende IPOs in Englisch, Spanisch und Portugiesisch diskutiert. Die Region plant, sich inoffiziell in „Internet Coast“ umzubenennen, die Lokalpresse schwärmt vom „Silicon Beach“. „Vor einem Jahr“, sagt Frank Nero, Präsident der örtlichen Wirtschaftsförderungs-Vereinigung Beacon Council, „wäre das undenkbar gewesen.“ Das Latino-Net wurde so schnell aufgespannt, dass Miami noch nicht einmal Statistiken hat, um den Boom mit Zahlen zu unterlegen. Vor einem Jahr dagegen war die Rechnung schnell aufgemacht. Konsumhungrige Touristen aus Brasilien strömten durch die überdimensionalen Outlet Malls der Stadt, reiche Argentinier ließen sich in Privatkliniken untersuchen und behandeln, die sich auf lateinamerikanische Kunden spezialisiert hatten. Ganze Flugzeugladungen mit Schnittblumen wurden tagtäglich von Guatemala nach Miami geschafft und in alle Welt umgeschlagen. Doch wie den Aufstieg der Cyberwirtschaft zählen, die Rechenzentren in Kalifornien nutzt und Kunden in Caracas bedient, ohne einen von beiden jemals zu Gesicht zu bekommen? „Keine Ahnung“ hat Nero, wie viele Arbeitsplätze das Internet geschaffen hat.
Im September merkte Vanyi-Robin, dass er nicht mehr allein war.




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